Zwei britische Fans bei Olympia in Rio. Der Brexit könnte sich noch bis zu den nächsten Sommerspielen in vier Jahren hinauszögern. Foto: dpa

Die Unterhändler der britischen Regierung sind offenbar noch nicht bereit für Austrittsverhandlungen. Die Anti-EU-Hardliner reagieren empört.

London - Bis zum britischen EU-Austritt kann es noch mehr als drei Jahre dauern. Davon gehen offenbar Minister, Diplomaten und Finanzunternehmen im Vereinigten Königreich aus. Einige Beobachter auf der Insel glauben sogar, dass es zum Brexit überhaupt nie kommen wird. Neue Unruhe in der Brexit-Frage hat am Wochenende die rechtskonservative „Sunday Times“ ausgelöst, die sich auf Kontakte zwischen ungenannten Kabinettsministern und einflussreichen Figuren der City of London, des britischen Finanzzentrums, beruft. Die Minister hätten eingestanden, dass die britische Regierung noch auf Monate hin nicht zur Aufnahme von Verhandlungen mit der EU in der Lage sein werde, meint die „Sunday Times“. Weder personell noch inhaltlich scheine London für solche Verhandlungen gerüstet zu sein.

Bisher hat die neue Tory-Premierministerin Theresa May ihren Landsleuten ja lediglich erklärt, sie wolle den entscheidenden Artikel 50 des Lissabonner Vertrags nicht vor Anfang nächsten Jahres in Anspruch nehmen. Damit werden die Austrittsverhandlungen offiziell in Gang gesetzt. Der Prozess würde den Briten anschließend maximal zwei Jahre zur Abklärung der Austrittsmodalitäten mit der EU geben. Inzwischen ist aber klar geworden, dass die britischen Unterhändler zum Jahreswechsel noch keineswegs zu Verhandlungen bereit wären.

Ministerien suchen Standorte und Mitarbeiter

Im Augenblick sucht zum Beispiel das neu geschaffene Brexit-Ministerium unter David Davis noch immer eine feste Bleibe. Davis soll noch nicht einmal die Hälfte der 250 Experten rekrutiert haben, die er für seine Arbeit bräuchte. Auch das zweite neu geschaffene Ressort, das Ministerium für Internationalen Handel unter Liam Fox, sucht sich erst noch zu etablieren. Fox ist auf der Suche nach etwa 1000 Handelsexperten. Er hat aber angeblich noch nicht einmal ein Zehntel davon gefunden.

Die Situation sei „chaotisch“, zitiert die „Sunday Times“ einen mit der Regierung eng verbundenen City-Insider. Die betreffenden Minister selbst gäben zu, „dass sie nicht mal die richtigen Fragen parat haben für den Zeitpunkt, an dem die Verhandlungen mit Europa letztlich beginnen sollen“. Ähnlicher Ansicht sind offenbar auch die Unterhändler der EU, die sich in Brüssel auf die Brexit-Verhandlungen vorbereiten. Laut „Financial Times“ erklären diese Diplomaten, „dass die Briten aus London zu uns herüber kommen – ohne zu wissen, was sie überhaupt wollen“.

Briten könnten auf Wahlergebnisse in Berlin und Paris warten

Als weiteren Grund für die von May erwogene Verzögerung werden die französischen Präsidentschafts- und die deutschen Bundestagswahlen im kommenden Jahr angeführt. Man müsse, ist das Argument in London, erst einmal abwarten, mit wem man es in Paris und Berlin zu tun habe, bevor man Verhandlungen einleite. Gefolgert wird aus all diesen Umständen, dass die britische Seite die Mitgliedschaft nicht vor dem Herbst nächsten Jahres und vielleicht sogar noch später aufkündigen werde. Das würde einen Austritt möglicherweise erst Ende 2019 oder Anfang 2020 bedeuten.

Der Unmut über die Verzögerungen hat bei den Anti-EU-Hardlinern zu lautstarken Warnungen geführt. Der im Juli abgetretene Ex-Ukip-Führer Nigel Farage, der angeblich schon wieder an eine Rückkehr an die Spitze „seiner“ Partei denkt, sieht im Geiste bereits frustrierte Menschenmassen zu Protesten auf die Straßen ziehen, wenn es nicht zügig zum Brexit komme. Es bestehe „echt die Gefahr“, meinte Farage am Wochenende, dass Millionen Briten unter solchen Umständen „in Richtung Extremismus“ marschieren.