Jeden Tag rollt eine regelrechte Verkehrslawine auf Stuttgart zu Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Verkehrslawine, die jeden Tag an der Stuttgarter Stadtgrenze ankommt, wird nicht kleiner. Im Gegenteil: 2014 war sie größer als im Jahr 2012 – und knapp über der bisherigen Höchstmarke von 2002. Die Frage, was das für die Stadt bedeutet, beschäftigt jetzt die Bürgermeister.

Stuttgart - Die Europäische Union droht mit Strafgeldern wegen der hohen Schadstoffbelastung der Stuttgarter Luft – und die Behörden ringen um Maßnahmen gegen Feinstaub und Stickstoffdioxid. Da ist es wie die Faust aufs Auge, wenn die Verkehrslawine an den Aus- und Einfahrtsstraßen von Stuttgart weiter anschwillt. OB Fritz Kuhn (Grüne) ist auch besorgt. Er will mit seinen Bürgermeistern in der wöchentlichen Besprechungsrunde auch über die neuesten Zahlen vom 21. Oktober 2014 reden.

Mitverantwortlich für die dicke Luft im Stadtzentrum

Der Verkehr an der Stadtgrenze ist zu einem gewissen Maß mitverantwortlich für die dicke Luft im Stuttgarter Stadtzentrum. Denn die Schadstoffe aus den Autoauspuffen werden teilweise auch Richtung Talkessel geweht, wo Kuhn den Autoverkehr mit herkömmlichen Fahrzeugen um mindestens 20 Prozent reduzieren will. Die Zahlen von der Stadtgrenze bedeuten allerdings nicht automatisch, dass auch die Zahl der Kfz in der Innenstadt gestiegen ist. Schon bisher gab es gewisse Abweichungen: Während an der Stadtgrenze der Verkehr seit 2009 im Grunde stagnierte oder leicht zunahm, sank die Zahl der Kfz am Kesselrand seit 2009 von 424 000 auf 404 000 im Jahr 2013.

„Es könnte auch sein, dass die Zunahme sich auf den Gürtel um den Talkessel herum beschränkt“, sagt Stephan Oehler, der Chefverkehrsplaner der Stadt, der die neuen Zahlen von der Stadtgrenze am Dienstag dem Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik vorstellte. Dabei hatte er keine neuen Daten vom Kesselrand. Hier wird – anders als an der Stadtgrenze – immer in Jahren mit ungeraden Zahlen gezählt. Diesmal entstand die Momentaufnahme am 19. Mai, zum Glück ein Tag ohne Streiks bei der Bahn. Das Ergebnis ist noch nicht errechnet. Es wird nach den Sommerferien bekannt.

Durch Parkgebühren die Pendler zum Umsteigen animieren

In der Kfz-Zahl, die für den Kesselrand von 2013 vorliegt, könnte bereits ein kleiner Effekt des Parkraummanagements im Stuttgarter Westen enthalten sein. Mit diesem Instrument will die Stadt durch Parkgebühren die Pendler zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel animieren. Dass der Effekt lokal erreicht wurde, könne man in den Straßen des Westens besichtigen, sagt Oehler. Mit den Verkehrszahlen insgesamt, zumal mit denen am Stadtrand, habe das Parkraummanagement aber wenig zu tun. Die vollständige Umsetzung des Konzepts in den Innenstadtbezirken und in Teilen von Bad Cannstatt stehe ja noch aus. Effekte solcher Maßnahmen würden auch überlagert von anderen Entwicklungen.

Beispiel Lkw-Verkehr am Kesselrand: Der ist von 27 000 Fahrzeugen im Jahr 1981 fast kontinuierlich zurückgegangen auf rund 11 000 im Jahr 2013. In jüngerer Zeit wahrscheinlich auch wegen es Durchfahrtsverbots, von dem nur wenige Bundesstraßen am Neckar und zwischen Esslingen und der Stadtgrenze im Nordwesten von Stuttgart ausgenommen sind. Dass die Lkw-Zahl an der Stadtgrenze jetzt wieder um 3,6 Prozent von rund 45 000 auf 46 000 Fahrzeuge zunahm, „könnte mit den vielen Baustellen in Stuttgart zu tun haben“, sagt Oehler. Das könnte auch bedeuten, dass auch die Lkw-Zahl am Kesselrand erstmals seit 2005 wieder höher liegt. Genaueres weiß man aber erst im Herbst.

Jedes Mal niedriger ist der Besetzungsgrad der Kfz an der Stadtgrenze. Mittlerweile sind pro Auto statistisch nur noch 1,23 Personen an Bord. Da müsse man ansetzen, sagt Oehler. Schnelle Erfolge kann es aber kaum geben. Die Pendlernetze für Fahrgemeinschaften, die man aufbauen wollte, erwiesen sich als zu statisch. Der neue Ansatz, dass man Mitfahrgelegenheiten über ein internetgestütztes Portal und ein Smartphone kurz vor knapp buchen kann, ist blockiert. Das Projekt unter der Regie des Landes hänge noch an rechtlichen Hindernissen, heißt es. Land, Stadt und Privatfirmen wären zum Mitmachen bereit. Für die Beschäftigten sind Anreize wie Firmenparkplätze für gut genutzte Pkw im Gespräch. Ideen wie Umweltspuren in der Stadt für umweltfreundliche und gut besetzte Autos werden noch auf ihre Praxistauglichkeit untersucht.