Ein Verkehrspolizist verteilt in Frankfurt am Main Knöllchen für Falschparker. Foto: dpa

Bußgeldbescheide, die Autofahrer im Ausland erhalten, können auch in Deutschland vollstreckt werden. Italien kassiert bei Verkehrssündern mit einer eigenen Inkasso-Agentur ab.

Bußgeldbescheide, die Autofahrer im Ausland erhalten, können auch in Deutschland vollstreckt werden. Italien kassiert bei Verkehrssündern mit einer eigenen Inkasso-Agentur ab.
Herr Lempp, pro Jahr gibt es mehr als 6000 Vollstreckungsgesuche ausländischer Justizbehörden, die Geldbußen von deutschen Verkehrssündern einfordern. Wie läuft die grenzüberschreitende Vollstreckung in der EU?
Insgesamt gesehen ist die EU-Knöllchen-Vollstreckungspraxis sehr träge. Sie bringt für die Abschreckung offenbar wenig Gewinn. Wer sich rechtlich wehren möchte, ist auf einen Spezialisten angewiesen, sofern er nicht einfach darauf vertraut, dass die Sache im Sande verläuft. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings groß, dass nicht weiter verfolgt wird. Dennoch zahlen die meisten freiwillig.
Woran liegt es, dass die Umsetzung zu zäh ist?
Wir werfen den beteiligten Staaten mangelnde Transparenz, aufwendige Verfahrensabläufe und eingeschränkte Rechtsstaatlichkeit vor. Am schwersten wiegt, dass die einzelstaatlichen Verfahren bis heute nicht durchschaubar sind, es fehlt sogar häufig eine verständliche Übersetzung des Bescheids. Das EU-Abkommen leidet von Anfang an unter dem Kardinalfehler, dass der Vollstreckungserlös dem Vollstreckungsstaat zufließt. Der sogenannte ersuchende Staat – also der, der das Geld bei den Verkehrssündern eintreiben muss – geht dagegen leer aus, obwohl er den überwiegenden Teil des bürokratischen Aufwandes zu tragen hat. Die am Abkommen beteiligten Länder müssten eigentlich nachsitzen und endlich ihre verbraucherrechtlichen Hausaufgaben erledigen.
Wie können sich Autofahrer wehren, wenn sie zu Unrecht zur Kasse gebeten werden?
Will man eine gerichtliche Überprüfung des Bescheids, muss man Bußgeld und Kosten „vorstrecken“. Ob man diese Sicherheitsleistung irgendwann wiederbekommt, steht meist in den Sternen. Es gibt leider Länder, die ungeahnte Summen aus ihren Bußgeldbescheiden herausschlagen. Das Bußgeld verdoppelt und verdreifacht sich dann, je weiter das Verfahren fortschreitet. Einsprüche werden von Bußgeld eintreibenden EU-Staaten regelrecht sanktioniert.
Mit welchen Ländern läuft es gut, mit welchen schlecht?
Mehr als 90 Prozent der eingegangenen Ersuche wurden in den vergangenen beiden Jahren von den Niederlanden übermittelt. Zwischen dem niederländischen Justizministerium und dem Bundesamt für Justiz gibt es einen zügigen Informationsaustausch, vielfach ohne teure und zeitraubende Übersetzungen. Die Slowakei, Belgien, Dänemark, Estland, Luxemburg, Malta und Zypern haben dagegen bislang noch kein einziges Ersuchen auf Grundlage des Rahmenbeschlusses zur Vollstreckung an Deutschland übermittelt. Italien, Irland und Griechenland haben zudem noch nicht einmal den Rahmenbeschluss umgesetzt. Obwohl Italien mit dem EU-Vollstreckungsabkommen nichts am Hut hat, setzt es den Verkehrssündern aus anderen Ländern am heftigsten zu. Wir vermuten, dass dahinter Berechnung steckt. Denn auch ohne deutsche Vollstreckungslizenz zahlt ein hoher Prozentsatz der in deutscher Sprache von einer italienischen Inkasso-Agentur angeschriebenen Verkehrssünder das ihnen auferlegte Bußgeld nebst Verfahrenskosten ganz freiwillig. Schließlich wollen die Leute den nächsten Urlaub wieder unbeschwert in Bella Italia verbringen.