In Tübingen wurde eine 24-Jährige vergewaltigt. Foto: dpa

Die Vergewaltigung einer jungen Frau Ende März hat die Studentenstadt ­Tübingen entsetzt: „Als das heraus­gekommen ist, waren wir ziemlich erschrocken, wie so etwas in Tübingen passieren kann“, erzählt Faiza Tahir.

Tübingen - Die Vergewaltigung einer jungen Frau Ende März hat die Studentenstadt Tübingen entsetzt: „Als das herausgekommen ist, waren wir ziemlich erschrocken, wie so etwas in Tübingen passieren kann“, erzählt Faiza Tahir. Die 24-jährige Studentin und ihre Freundinnen fühlen sich dennoch sicher: „Wir sind der Meinung, dass wir vorsichtig genug sind. Wir sind grundsätzlich immer mindestens zu zweit unterwegs, und wenn mal eine aus der Gruppe alleine verschwindet, suchen wir nach ihr.“

Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei war das Opfer einem der späteren Täter auf einer Party in der Hermann-Hepper-Halle begegnet. Die Veranstaltung tourt durch mehrere Städte und wirbt damit, die „größte Hausparty“ der jeweiligen Region zu sein. Bei der nächsten Hausparty am 8. Mai in Sindelfingen sind laut Homepage auch „sexy College Girls“ dabei.

Gegen Mitternacht soll die 24-Jährige die Halle, in der gefeiert wurde, zum Rauchen verlassen haben. Dabei verwickelte der Täter die Frau nach bisherigen Erkenntnissen in ein Gespräch und lockte sie auf einen benachbarten Schulhof. Dort sollen weitere Männer gewartet und sie vergewaltigt haben. „Diese Tatsituation – abends auf einer Party, wo auch Alkohol im Spiel ist – ist nicht untypisch“, sagt Rüdiger Wulf, Honorarprofessor am Institut für Kriminologie der Universität Tübingen. Auch, dass unter den Tätern vermutlich eine gewisse Gruppendynamik entstanden ist, verwundert den Kriminologen nicht. Er betont aber auch, dass solche Fälle „extrem selten“ sind. „Aus meiner Sicht ist Tübingen eine sehr sichere Stadt“, so der Kriminologe.

Eine Meinung, die der Tübinger Oberbürgermeister teilt: „So schrecklich der Vorfall ist, so eindeutig ist die Statistik: Die Gefahr, in Tübingen Opfer einer Gewalttat zu werden ist weit geringer als im deutschen Durchschnitt“, sagt Boris Palmer (Grüne). Er zeigt sich erleichtert darüber, dass die Polizei die mutmaßlichen Täter schnell ausfindig gemacht hat. Vier von ihnen sitzen inzwischen in Untersuchungshaft, die Ermittlungen der Polizei dauern an. „Das wird vermutlich noch Wochen in Anspruch nehmen“, sagt Andrea Kopp, Sprecherin der Polizei Reutlingen, die für den Fall zuständig ist.

Trotzdem: „Jeder Fall ist einer zu viel“, betont Kriminologe Wulf. Die Folgen einer Vergewaltigung seien für das Opfer äußerst gravierend. Dessen sind sich auch die Tübinger bewusst: „Ehrlich gesagt haben wir nicht lange über die Tat geredet, weil einem das im Endeffekt nur Angst macht“, erzählt Faiza Tahir. „Wir haben aber immer im Hinterkopf, dass etwas passieren könnte.“ Ähnlich geht es der 26-jährigen Anna Meier (Name geändert): „Tübingen ist bestimmt eine sehr sichere aber auch sehr kleine Stadt, in der sich alles schnell rumspricht.

Daher sind solche Vorfälle dann sehr präsent – auch, weil man die Orte kennt, an denen sie sich ereignet haben. An dem Schulhof, auf dem die Vergewaltigung passierte, laufe ich oft abends vorbei. Das macht ein mulmiges Gefühl“, sagt Meier. Eine Verunsicherung, für die Wulf vollstes Verständnis hat. „Jede Frau wird beunruhigt sein“, vermutet er. Zumindest kurzfristig könne sich ein solches Verbrechen auf das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen auswirken.

Das befürchtet auch der Oberbürgermeister: „Wir dürfen keinesfalls zulassen, dass die objektive große Sicherheit in Tübingen einem falschen Unsicherheitsgefühl untergeordnet wird. Das wäre eine drastische Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Menschen in unserer Stadt“, so Palmer. „Wirksame Maßnahmen, solche Taten vollständig zu verhindern, gibt es leider nicht. Dazu müsste der öffentliche Raum komplett überwacht werden“, ergänzt er.

Das sieht auch Wulf so. Dennoch: „Gewisse Vorsichtsmaßnahmen sind sicherlich immer angebracht – zum Beispiel sollte man dunkle, verwahrloste Ecken meiden“, empfiehlt er.

Der Veranstalter der Party, Ulf Steinecke, hat derartige Vorfälle auf seinen Events nach eigenen Angaben noch nie erlebt. Die Vergewaltigung habe außerdem nicht auf der Party selbst stattgefunden, stellt er klar. Trotzdem: „Wir sind jetzt natürlich alle sensibilisiert und doppelt aufmerksam. Geschultes Sicherheitspersonal und Sanitätsdienst sind bei uns Standard.“

Nach Tübingen fanden ähnliche Partys in drei weiteren Städten statt. „Da gab es keinerlei Vorfälle dieser Art. Eine Beeinträchtigung konnten wir bisher nicht feststellen“, so Steinecke.