Foto: Chriatian Hass

Im Jahr 1997 hat die Stadt Göppingen ein Kunstwerk erworben. Nur ausgeliefert wurde es nicht. Dass es jetzt – 18 Jahre später – doch noch in der Kunsthalle angekommen ist, ist aufmerksamen Rechnungsprüfern zu verdanken.

Göppingen - Es ist nicht so, dass Frank Joeres besonders viel mit dem eigenwilligen Kleidungsstück aus braunem Leinen anfangen könnte. Doch als den Leiter des städtischen Rechnungsprüfungsamtes jetzt die Kunde erreichte, dass der halbierte Mantel endlich in Göppingen eingetroffen sei, hat er sich doch von seinem Bürostuhl im Technischen Rathaus erhoben und ist in die benachbarte Kunsthalle geeilt. Dort konnte er das gute Stück, noch original verpackt, in Augenschein nehmen.

Inzwischen ist „Braunsockel, halbierter Mantel“, wie die Skulptur des Fuldaer Bildhauers Franz Erhard Walther offiziell heißt, bei der Ausstellung „Longing Objects“ in „Saal unten“, der Kunsthalle für jedermann, zu sehen. Performative Kunst, also Kunst, die den Betrachter als Teil ihrer selbst versteht, ist dabei zu sehen. Der Mantel passe da prima dazu, sagt der Kunsthallenleiter Werner Meyer. Schließlich könne man den Mantel ja anziehen, wenn auch, wie er einräumt, nur theoretisch. Da gebe es leider konservatorische Hemmnisse.

Allerdings wäre wohl auch dies graue Theorie geblieben, wenn Joeres und seine fünf Mitarbeiter nicht hartnäckig dem Werk hinterhergefahndet hätten. Jahrelang war der halbierte Mantel nämlich wie ein Phantom durch die städtischen Bücher gegeistert. Begonnen hatte es im Jahr 2011, als die Stadtkämmerei im Zuge der Umstellung auf das neue kommunale Haushaltsrecht daranging, eine städtische Eröffnungsbilanz zu erstellen. In einer ebenso beeindruckenden wie detailreichen Fleißarbeit wurden sämtliche Besitztümer der Stadt erfasst und bewertet. Doch das Walther-Werk fehlte in dem Wälzer. Dabei hatte die Stadt seit Jahr und Tag eine Versicherung für das gute Stück bezahlt. Joeres hakte nach, doch die Kunsthalle zeigte sich desinteressiert: „Dieses Kunstwerk ist nicht in unserem Besitz“, hieß es nur. Formaljuristisch war das wohl nicht einmal falsch, sagt Joeres. Schließlich unterscheide die Rechtsprechung zwischen Eigentum und Besitz. Doch das habe erst nach dem Auffinden einer Quittung und weiteren Rücksprachen mit der Kunsthalle geklärt werden können.

Dort erinnert man sich mittlerweile wieder. Ja, er habe das Werk 1997 „zum Freundschaftspreis“ von 17 000 Mark beim Künstler persönlich erworben, sagt der Kunsthallenchef Meyer. Mitgenommen habe er es allerdings nicht. Nach einer Ausstellung habe Walther den halbierten Mantel erst noch einmal restaurieren müssen. Später sei das geflickte Werk dann im Atelier des Künstlers geblieben, weil das damalige städtische Depot unter dem Dach der Bartenbacher Meerbach-Grundschule für die Lagerung ungeeignet gewesen sei. Auch im neuen Depot, das 2013 geschaffen wurde, sei das Kunstwerk dann aber nicht angekommen. Er habe sich zunächst um andere Projekte kümmern müssen, sagt Meyer. „Das Rechnungsprüfungsamt war hier einfach schneller als ich.“

Inzwischen hat Meyer Sockel und Mantel mit einem Sprinter in Fulda abgeholt. Die Jahre im Atelier hätten dem Werk übrigens gutgetan. Als Klassiker der performativen Kunst habe es im Wert deutlich zugelegt. „Ähnliche Werke von Franz Erhard Walther werden heute für 200 000 Euro gehandelt“, sagt Meyer. Für das Göppinger Stück gelte das umso mehr – in Anbetracht dieser schönen Behördengeschichte.

So könnte das Rechnungsprüfungsamt sogar zur Veredelung des Werkes beigetragen haben. Joeres bleibt trotzdem ganz bescheiden. „Ich glaube nicht, dass der Mantel so viel wert ist“, sagt er. Und wenn doch, dann stelle sich die Frage, wie mit städtischen Vermögensgegenständen eigentlich umgegangen werde. – Als Rechnungsprüfer kann er halt nicht aus seiner Haut.