Hotelmitarbeiterin Heidelind Petzold bei der Arbeit: An der Rezeption gibt es nicht nur Zimmerschlüssel, sondern auch Hilfen für einen Arzttermin. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Auf der Suche nach Wohnraum für Flüchtlinge muss die Stadt auf alternative Unterkünfte ausweichen. Häufig übersteigen die Mietkosten deutlich das, was die Stadt vom Land bezuschusst bekommt.

Stuttgart - In den vergangenen Monaten hat sich der Betrieb des Aparthotels Autohof in Wangen komplett umgekrempelt. An der Wand im Foyer hängen noch Fotos, die eine Silberhochzeit zeigen. Gäste essen Kroketten, Bohnen im Speckmantel und Jägerschnitzel. Solche Feste veranstaltet die Geschäftsführerin des Hotels, Josefine Vögl, nicht mehr. Unter dem Schild „Bierstube“ führt eine Tür in einen holzvertäfelten Raum, in dem einige Flüchtlinge sitzen und stumm auf ihre Handys schauen.

Auf den drei Etagen des Gebäudes leben derzeit 84 Flüchtlinge. Zehn der Zimmer vermietet die Chefin Vögl noch an andere Hotelgäste. „Während unsere Mitarbeiter früher Tipps gaben, wo man in der Stadt was findet, geht es heute eher darum, Termine mit Ärzten zu vereinbaren“, sagt die Geschäftsführerin.

Einige Dienstleistungen übersteigen das Angebot anderer Unterkünfte, sagt Vögl. Der Vertrag, den die Stadt mit der Vermieterin geschlossen hat, sieht beispielsweise vor, dass die Mitarbeiter die Bettwäsche der Bewohner drei Mal im Monat auswechseln.

Stadt hat drei Hotels angemietet

Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt in Stuttgart und die wachsende Zahl der Menschen aus Krisenregionen zwingen die Stadt dazu, sich nach alternativen Unterbringungen für Flüchtlinge umzuschauen. Neben Herbergen in der Böblinger Straße und der Forststraße hat die Stadt drei Hotels angemietet. In dem Aparthotel Autohof und dem Hotel in der Gottfried-Keller-Straße in Zuffenhausen wird die Miete laut Sozialamt pro Flüchtling abgerechnet.

Im Monat übersteigt diese den vom Land vorgesehenen Betrag für die Unterbringung deutlich: Pro Person sind 169 Euro für die Unterbringung vorgesehen. In den Hotels beläuft sich der Betrag für jeden Flüchtling allerdings auf mehr als 300 Euro im Monat.

Das Land bezahlt den Kommunen eine einmalige Pauschale von 13 260 Euro. Davon sind 3055 Euro für die Liegenschaftsausgaben vorgesehen, also für die Miete. Diese Betrag soll in der Theorie jedoch für 18 Monate ausreichen. Kritiker fordern, dass dieser Betrag deutlich angehoben wird.

„Der Kostendeckungsgrad liegt kaum bei 50 Prozent“, sagt ein Mitarbeiter des Sozialamts. Die Lücken stopft die Stadt aus dem Etat des Sozialamts. Anders gestaltet sind die Mietverträge der Stadt mit den Herbergen. In der Böblinger Straße mit ihren fast 200 Bewohnern zum Beispiel zahlt das Amt dem Betreiber eine Festmiete, die unabhängig von der Belegung der vier Etagen des Gebäudes ist. Ein ähnliches Modell strebt das Sozialamt auch in den Hotels an. Der Mietvertrag mit dem Aparthotel Autohof allerdings läuft noch bis zur Jahresmitte 2016.

"Wir verdienen uns sicher keine goldene Nase"

„Es ist kein Nullgeschäft, aber wir verdienen uns sicherlich keine goldene Nase mit dem Betrieb“, sagt Josefine Vögl, Hotelchefin des Aparthotels. Ein Vorteil sei es, dass sie jeden Monat fest mit der Überweisung von der Stadt rechnen könne. „Wenn das Hotel vollkommen ausgebucht wäre mit Hotelgästen, wären die Einnahmen selbstverständlich sehr viel höher. Der Mietvertrag mit der Stadt für drei Jahre ist also eher ein Sicherheitsgeschäft“, sagt Vögl.

Die Zusammenarbeit mit der Stadt im Jahr 2013 kam durch die Initiative von Vögls Mutter zustande. Als der Bedarf an Unterkünften für Flüchtlinge stieg, habe sie ihr Haus Bürgermeister Michael Föll angeboten, sagt die Tochter Josefine Vögl. „Die Idee ist vor allem aus einem sozialen Aspekt heraus entstanden“, sagt Vögl.

An die Rezeption im Erdgeschoss treten zwei Männer, die ein Zimmer für zwei Nächte mieten wollen. Sie seien Lastwagenfahrer und kommen gerade aus der Ukraine, sagt einer in gebrochenem Deutsch. „Die Gäste sind vor allem Langstreckenfahrer, die einen kurzen Stopp hier einlegen“, sagt eine Mitarbeiterin des Hotels.

Das Hotel ist zwischen 8 und 20 Uhr mit einer Mitarbeiterin besetzt. Sie wird von einer Wache abgelöst, die bis 22 Uhr im Haus ist. Zudem hat eine Mitarbeiterin des Sozialdienstes Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt (AGDW) an mehreren Tagen in der Woche Sprechzeiten und unterstützt die Flüchtlinge dabei, Asylanträge zu stellen.

Einige Betreiber von Herbergen und Hotels spielen derzeit mit dem Gedanken, in ihren Räumen Flüchtlinge unterzubringen. Das beobachtet zumindest die Hotelchefin Josefine Vögl. „Viele ringen sich aber nicht dazu durch, weil sie um das Ansehen ihres Hauses fürchten“, sagt sie. Der Grad der Toleranz, sagt sie, sei inzwischen sehr schmal geworden.

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