Oberstufenschüler in Montenegro lernen mit solarbetriebenen Modellautos viel über erneuerbare Energien Foto: StN

Stuttgarter hinterlassen Spuren rund um den Globus -ob als Ärzte, Künstler, Unternehmer, Architekten, Wissenschaftler oder der von Studenten gegründete Verein Crossing Borders Stuttgart. Seine Mitglieder beraten Schulen in Montenegro in Sachen Energie.

Stuttgart - Pia Heinen, Carmen Exner und Joscha Lauer sind durchgeschwitzt, müde und trotzdem noch nicht an ihrem Ziel. Sie und vier andere Studenten der Uni Stuttgart haben gerade nach einer 22-stündiger Autofahrt die Grenze nach Montenegro überquert – ein kleines Balkanland, das mit 625 000 Einwohnern nur etwas mehr Einwohner als Stuttgart hat. Dort, an der bosnisch-montenegrinischen Grenze, endet die Reise erstmal. Der Grund: Es fehlen schlicht die Straßenschilder, die den Weg Richtung Hauptstadt Podgorica weisen könnten. Dort wollen die Studenten an Schulen Aufklärungsarbeit zu Energiefragen leisten. Heinen, Exner und Lauer sowie etwa 50 andere Studenten sind in dem jungen Verein Crossing Borders Stuttgart organisiert, der sich für Bildungsarbeit im Bereich erneuerbare Energien im In- und Ausland einsetzt.

Jüngstes, fünftägiges Bildungsprojekt, das zusammen mit dem Goethe-Institut auf die Beine gestellt wurde, hat die Studentenschar an die montenegrinische Grenze verschlagen. „Zum Glück hat sich ein netter Mann unserer angenommen und ist uns vorausgefahren“, erinnert sich Pia Heinen, „die Montenegriner sind sensationell gastfreundlich.“ Die 22-Jährige erzählt, wie die Schüler die Studentendelegation später in der Pause mit selbstgemachten Keksen beschenkt haben. „Mit solcher Freundlichkeit und Mitmachbereitschaft hätten wir wirklich nicht gerechnet“, merkt Joscha Lauer an. Schließlich hielten die Studenten Unterricht. Und obwohl 16- bis 18-Jährige oft etwas anderes als pauken im Kopf haben, sind Oberstufenschüler in Podgorica beim Thema Ökologie hellwach – und Gleichaltrigen in Deutschland um Einiges voraus, hat Lauer beobachtet. Zumindest, was die Theorie angeht. „Das liegt an dem dort üblichen Frontalunterricht“, sagt Lauer.

In der Praxis sind erneuerbare Energien in Montenegro Science Fiction. „Dort wird nirgendwo Müll getrennt“, sagt Carmen Exner. Und so was wie einen Kompost kenne man dort auch nicht. Zumindest nicht die ältere Generation. Die auch kein Englisch, sondern Russisch spricht.„Die Schüler mussten bei unseren Gesprächen mit den Lehrern dolmetschen“, sagt Exner.

Junge Montenegriner sind im Gegensatz zu den alten sehr europazugewandt und dementsprechend westlich gekleidet. „Die Mädels sind ziemlich aufgedonnert“, erinnert sich Josha Lauer und schmunzelt. Carmen Exner zieht eine Augenbraue hoch.

Trotz ausgeprägtem Sinn für Äußerlichkeiten und Kleidungsstil interessieren sich die montenegrinischen Schüler auch für andere Dinge, stellt die Stuttgarter Studentendelegation fest. „Als wir unseren ökologischen Fußabdruck ausgerechnet haben, waren alle mit Begeisterung dabei“, sagt Pia Heinen. Der ökologische Fußabdruck beschreibt den Ressourcenverbrauch, den ein Mensch in einem bestimmten Zeitraum verursacht. Wie umweltbewusst sind die Montenegriner also in Zahlen? „Beim Essen jedenfalls nicht besonders“, denkt Josha Lauer nicht ohne gewisse Wehmut zurück. „In der Universitätsmensa, wo wir essen waren, gab es nicht ein vegetarisches Gericht.“ Aufgrund des Hohen Ressourcen- und Energieverbrauchs sind viele Studenten des Studiengangs Erneuerbare Energien Vegetarier. Was zum Ergebnis hatte, dass improvisiertes Gericht aus Beilagen wie Kartoffeln, Reis, Nudeln und Ketchup auf die Teller kam.

Improvisiert haben dann auch die Schüler, als es galt, erneuerbare Energien in Aktion zu erleben. In kleinen Gruppen haben sie solargetriebene Modellautos gebaut und zum Wettrennen gegeneinander antreten lassen. Und mit Korken, Wasserflaschen, Lego und Bierdeckeln für die Karosserie experimentiert. Solarmodule und Motoren wurden von den Stuttgartern gestellt. „Eine Gruppe hat einen Solarmodul-Versteller eingebaut – damit der Winkel der Sonneneinstrahlung perfekt genutzt wird“, sagt Lauer.

Ob er Montenegro bei so viel Tüftel-Kreativität auch grünere Zeiten voraussagt? „Die Regierung legt bereits jetzt schon großen Wert auf Energiepolitik.“ Ein Wasserkraftwerk, das 70 bis 80 Prozent des Energiebedarfs von Podgorica deckt, stützt die These. Schlechter sieht es da bei den Themen Dämmung und Gebäudeisolierung aus. „Das Wissen ist da, aber das Geld fehlt“, sagt Josha. Er erinnert sich nicht, auch nur einen Neubau in Podgorica gesehen zu haben.

Aufgaben, derer sich jüngere Generationen annehmen müssen. Generationen, denen Pia Heinen, Carmen Exner, Joscha Lauer und die anderen Mitglieder von Crossing Borders das Thema erneuerbare Energiern ein Stück nähergebracht haben.