Seit Jahrzehnten ist Papier ein wichtiger Teil des Lebens von Ulrich Scheufelen Foto: Leif Piechowski

Es gibt vielerlei Arten von Papier: weißes oder gefärbtes,mattes oder glänzendes, raues oder glattes. Ulrich Scheufelen, ehemaliger Chef der Papierfabrik Scheufelen, erklärt, was gutes Papier ist.

Es gibt vielerlei Arten von Papier: weißes oder gefärbtes, mattes oder glänzendes, raues oder glattes. Ulrich Scheufelen, ehemaliger Chef der Papierfabrik Scheufelen, erklärt, was gutes Papier ist.
 
Herr Scheufelen, woran erkennt man wirklich gutes Papier?
Gutes Papier kann zwei Eigenschaften haben: zum einen eine dienende – etwa bei Zeitungs- oder Magazinpapieren. Hier sollen ja Abbildungen in fotografischer Qualität naturgetreu abgebildet werden, zudem ist das Papier Druckträger für Schrift und Bild. Zum anderen aber auch die problemlose Bedruckbarkeit und Verarbeitbarkeit in den Druckmaschinen.
Und bei Bücher- oder Schreibpapier?
Hier ist die eigenständige Eigenschaft des Papiers wichtiger, hier lebt das Papier. Es kann durch hohe Weiße oder auch durch eine elegante Elfenbeinfärbung auffallen. Es zeigt Haptik, das heißt Körper – und es weist seinen eigenen Klang auf. Hier werden Augen, Tastsinn und Gehör angesprochen.
Und wie muss die Oberfläche beschaffen sein?
Das klassische Schreibpapier ist unbeschichtet, seine Oberfläche ist aber imprägniert. Die Tinte soll beim Schreiben nicht zerfließen. Bei den meisten Kopierpapieren ist die Oberfläche unbeschichtet, aber nicht porös. Damit wird viel Kontrast ermöglicht. Für den hochwertigen Druck werden gestrichene Papiere verwendet. Das ermöglicht ein punktgenaues Drucken und ergibt die fotografische Qualität.
Wie weiß muss gutes weißes Papier sein?
Die Weiße von Papier kann sehr unterschiedlich sein, und die Beurteilung unterliegt dem individuellen Geschmack. Die Tendenz in den letzten Jahren geht zu immer weißeren und hochweißen Papieren, weil mit hoher Weiße eine hohe Reinheit verbunden wird. Daneben spielen aber auch gebrochen weiße und elfenbeinfarbene Papiere eine Rolle.
Vielleicht denken deshalb viele Menschen, dass graues Ökopapier „unrein“ sei?
Auch bei den Recyclingpapieren, die bis zu 100 Prozent aus Altpapier bestehen können, hat sich ein Trend zu höherer Weiße ergeben. Noch vor zehn Jahren waren sie grau und unansehnlich, inzwischen sind die meisten Recyclingpapiere weiß geworden.
Und warum ist gutes Papier so wichtig?
Bei einem Druck-Erzeugnis dient das Papier als Bedruckstoff und wirkt ganzheitlich mit dem Druckbild. Wenn die Bedruckbarkeit schlecht ist, etwa wenn die Abbildung verwaschen wiedergegeben wird, sieht der Betrachter das in Sekundenbruchteilen.
Schönes Papier ist aber auch bei Briefen wichtig, oder?
Ja, natürlich! Wer Briefe per Hand und nicht per Mail schreibt, sendet eine viel persönlichere Botschaft. Das Geschriebene bleibt auf einem alterungsbeständigen Papier mindestens 500 Jahre erhalten. Das allein ist eine Botschaft! Und die Weiße, die Haptik (Red.: die Wahrnehmung durch Berühren), der Klang des Schreibpapiers senden eine zweite Botschaft, nämlich die, dass der Absender qualitätsbewusst ist. Manchmal erkennt man am gewählten Briefpapier auch den Ästheten.
Finden Sie, dass Menschen heute noch viel Wert auf gutes Papier legen?
Es legen viel mehr Menschen Wert auf gutes Papier, als man annimmt. Aus Untersuchungen geht hervor, dass der Leser schlechtes Papier sofort erkennt und ihm schlechtes Papier sogar seine Lektüre verleidet. Schlechtes Papier mit schwachen Kontrasten, aber auch sehr spiegelndes Hochglanzpapier bei Kunstlicht schadet den Augen, weil es die Augen anstrengt.
Warum gibt es kein oder kaum noch Papier mit Wasserzeichen?
Das Wasserzeichen diente früher dazu, den Papierhersteller zu identifizieren. Als Papier noch geschöpft wurde, hatte fast jede Papiermühle ein oder mehrere Wasserzeichen. So konnte man anhand des Wasserzeichens feststellen, bei welcher Papiermühle man gekauft hatte und manchmal auch, um welche Sorte von Papier es sich handelte. Das Wasserzeichen hat inzwischen seine Bedeutung verloren. Trotzdem gibt es aber noch Schreib- und Bücherpapiere, die qualitativ auf einem sehr hohen Niveau sind.
Was ist für Sie das Wichtigste am Papier?
Wenn man, so wie ich, mit Papier aufgewachsen ist, dann entwickelt man eine subjektive, emotionale Beziehung zum Papier. Als Papiermensch behaupte ich: Wenn man mich längs aufschneidet, kommt Papier heraus. Und wenn man mich quer aufschneidet, kommt auch Papier heraus. Für mich persönlich sind die Weiße und die Haptik das Wichtigste.
Wenn Sie etwa bei einer Konferenz einen Schreibblock vor sich liegen haben: Achten Sie da automatisch auf die Qualität des Papiers, oder ist Ihnen egal, auf was Sie schreiben?
Als Papiermensch hat man eine Papierbrille auf. Deshalb ist der Schreibblock meines Gegenübers immer ein interessantes Objekt. Ich beobachte dabei, dass die meisten Papierqualitäten gut sind.
Und was denken Sie, wenn jemand mit Ökopapier ankommt?
Wenn das Papier grau ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ist das Papier vorgeschrieben, oder der Besitzer des Blocks will eine Umweltbotschaft senden. Aber wissen Sie, was mich am meisten bedrückt?
Nein, verraten Sie es mir!
Wenn mein Gegenüber keinen Papierblock verwendet, sondern für das Gespräch einen Computer benutzt. Denn der Computer führt auch dazu, dass immer weniger von Hand geschrieben wird. Dabei haben Psychologen herausgefunden, dass die Handschrift bestimmte Areale im Gehirn aktiviert, die zu Kreativität und Intelligenz beitragen.
Auf welchem Papier schreiben Sie persönlich am liebsten?
Auf hadernhaltigem Schreibpapier mit Wasserzeichen. Diese Papiere sind selten geworden und natürlich auch deutlich teurer als die üblichen Schreibpapiere. Aber sie atmen für mich Papiertradition. Ich habe eine Schwäche für hadernhaltige Papiere und für Wasserzeichen, auch weil ich alte Wasserzeichen-Papiere bis zurück ins 14. Jahrhundert sammle.