Müllabfuhr und Stadtreinigung gehören zu den Berufen, bei denen die Beschäftigten die meisten Krankheitstage aufweisen Foto: Peter Petsch

Im Schnitt über 40 Fehltage in der Landeshauptstadt: Während die Beschäftigten der Abfallwirtschaft in Stuttgart extrem häufig wegen Krankheit ausfallen, erfreuen sich die Mitarbeiter an Hochschulen bester Gesundheit. Die Kessellage spielt offenbar auch eine Rolle.

Stuttgart - Ein schmerzhaftes Ziehen im Rücken, ein Stechen im Nacken – in Stuttgart fallen die Arbeitnehmer laut aktuellen Zahlen der Krankenkasse AOK am häufigsten wegen sogenannter Erkrankungen des Muskel- und Skelettapparats aus. 21,5 Prozent aller Fehltage in Stuttgart gingen 2014 auf die Beschwerden in Rücken, Nacken und Schultern zurück. Mit großem Abstand folgen die Atemwegserkrankungen (13,6 Prozent), psychischen Erkrankungen (11,4 Prozent) und Verletzungen (9,3 Prozent).

„Rückenbeschwerden sind zwar nach wie vor häufig, doch im Vergleich zu den vergangenen Jahren gehen sie leicht zurück“, sagt AOK-Sprecherin Elisabeth Schöndorf. Dies führt sie auch darauf zurück, dass inzwischen zahlreiche Unternehmen die Arbeitsbedingungen für ihre Mitarbeiter verbessern. „Untersuchungen zeigen, dass 74 Prozent der Bandscheibendegenerationen genetisch bedingt sind“, sagt dagegen Dr. Farzam Vazifehdan, Chefarzt im Wirbelsäulenzentrum des Diakonieklinikums Stuttgart. Was allerdings nicht bedeutet, dass der Patient Rückenbeschwerden nicht trotzdem entgegenwirken kann: „Wir sollten unsere Arbeit so gestalten, dass wir bei Belastungen Bauch- und Rückenmuskulatur koordinieren und stabilisieren“, sagt Vazifehdan. Außerdem gibt er zu bedenken: „Rückenbeschwerden liegen oft auch psychische Erkrankungen zugrunde.“

Insgesamt gilt: Stuttgarter Arbeitnehmer waren 2014 im Vergleich zum Vorjahr häufiger krank und fielen durchschnittlich länger aus. In den Betrieben fehlten pro Arbeitstag durchschnittlich 4,9 Prozent des Personals. Im Vergleich zum Vorjahr hat die Zahl der Krankschreibungen um 0,3 Prozent zugenommen. Damit sind die Stuttgarter jedoch etwas gesünder als der bundesweite Durchschnitt mit einem Krankenstand von 5,2 Prozent. Einen beachtlichen Anstieg gab es bei der Länge der Ausfalltage: 10, 6 Tage waren Arbeitnehmer 2014 im Schnitt krankgeschrieben. Im Jahr 2013 waren es noch 9,8 Tage – also fast ein Tag weniger.

Die Berufsgruppe, die am meisten von Krankheiten gebeutelt wird, sind laut AOK in Stuttgart die Beschäftigten bei der Müllabfuhr. Mit 41,2 durchschnittlichen Ausfalltagen im Jahr 2014 sind die Mitarbeiter der Abfallwirtschaft deutlich länger krank als andere Arbeitnehmer. Ihnen folgen mit großem Abstand die Bus- und Straßenbahnfahrer, Beschäftigte der Chemie- und Pharmatechnik und Beschäftigte in der Altenpflege. Am fittesten sind dagegen die Beschäftigten der Hochschulen mit nur 3,6 durchschnittlichen Ausfalltagen. Auch Architekten und Ärzte sind mit jeweils sechs Ausfalltagen selten krank.

„Die Anfälligkeit ist mit dem Belastungsprofil der Berufe verbunden“, sagt Schöndorf. Arbeitnehmer in körperlich anstrengenden Berufen seien stärker von hohen Fehlzeiten betroffen. Laut Vazifehdan werde jedoch oft die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit ihrem Beruf unterschätzt: „Wer jeden Tag bei der Arbeit unglücklich ist, den kann das auch krank machen.“

Bei dem städtischen Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) hat man verschiedene Erklärungen für die vielen Fehlzeiten: „Wir haben einen hohen Anteil an Arbeitsplätzen, die körperliche Belastungen beinhalten – noch erschwert durch die Topografie mit den vielen Stäffele in Stuttgart“, sagt AWS-Sprecherin Anette Hasselwander. Der hohe Krankenstand sei aber im Vergleich mit anderen Großstädten branchenüblich. Laut AOK-Daten fielen Beschäftigte der Abfallwirtschaft bundesweit jedoch im Schnitt nur 30,8 Tage aus; landesweit waren es 30,4 Tage. Damit waren die Stuttgarter Müllmänner zehn Tage länger krank.

Eine Erklärung sieht Hasselwander auch in dem mit 47,8 Jahren hohen Durchschnittsalter der Beschäftigten der AWS. Mit zahlreichen Maßnahmen, wie beispielsweise hochwertiger Schutzkleidung, Massage-, Gesprächs- und Seminarangeboten oder Betriebssportgruppen versucht die AWS, den Fehlzeiten entgegenzuwirken. Jedoch: „Vielfältige Einzelmaßnahmen haben nur bedingt Erfolg. Deshalb wollen wir ein strategisches Gesundheitsmanagement erarbeiten, das in erster Linie am Arbeitsplatz ansetzt, aber auch die Eigenverantwortung des Mitarbeiters für seine Gesundheit betont“, sagt Hasselwander.

Das Engagement der AWS für die Gesundheit der Mitarbeiter hat nicht nur uneigennützige Motive: Krankheitsbedingte Fehlzeiten sind sowohl für Betrieb und Verwaltungen als auch für Krankenkassen und die Gesellschaft insgesamt mit hohen Kosten verbunden. Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin betrugen die volkswirtschaftlichen Kosten durch Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2013 rund 103 Milliarden Euro. Die Fehlzeiten haben jedoch nicht nur finanzielle Auswirkungen – für die Kollegen bedeuten sie auch organisatorische, soziale und persönliche Belastungen.