Georg B. rettet ein Opfer vor U-Bahn-Schlägern - Politiker fordern härtere Strafen.

Berlin -  Georg B. hat mutig eingegriffen: Als am Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße in der Nacht von Karfreitag auf Samstag der Berufsschüler Markus P. (18) zusammengeschlagen wurde, war der aus Ederheim bei Augsburg stammende Zeuge der Einzige, der half. Georg B. hatte über Ostern seine in Berlin lebende Schwester besucht und war in dieser Nacht allein unterwegs."Als ich sah, wie der eine auf den am Boden Liegenden einschlug, dachte ich: Wenn du jetzt nichts machst, ist der tot", erzählte er nun.

Wieder zurück in Ederheim ist er immer noch entsetzt über die Täter. "Als ich das Video gesehen habe, war mir ganz anders", sagte er. Doch mittlerweile nagen auch andere Gedanken an ihm: Warum waren die Passanten auf dem Bahnsteig so regungslos bei dem, was sich dort abspielte? "Niemand hat etwas getan, alle haben entweder nur zugeschaut oder sich demonstrativ abgewandt", so Georg B. Er habe zwar gehört, dass die Zivilcourage bei den meisten Menschen nicht ausreichend vorhanden sei, habe das aber nicht glauben wollen. "Jetzt weiß ich es", sagte er ernüchtert und greift auch die Journalisten an, die ihn interviewen wollen und von denen er zunächst mit keinem sprechen wollte. "Ich finde, die Journalisten sollten nicht mich fragen, warum ich eingegriffen habe. Sie sollten die anderen fragen, warum sie nichts getan haben."

Versuchter Mord

Der junge Mann aus Bayern ist zutiefst erschüttert. Ein versuchter Mord in der Öffentlichkeit, und die Leute stehen da. Mit 21 Jahren ist Georg B. nicht nur vom schrecklichen Gewaltausbruch des Einzelnen, sondern auch der Passivität der vielen angewidert. Er selbst will kein Held sein, die mediale Öffentlichkeit ist ihm eher unangenehm. Aber sein Menschenbild hat sich geändert.

Markus P., das Opfer, erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma dritten Grades und einen Nasenbeinbruch. Am Montag konnte er das Krankenhaus verlassen, seine Eltern kümmern sich nun um ihn. Der Installateur war in der Nacht auf Karfreitag mit Freunden in einer Kneipe, sie hatten Dart gespielt, danach wollte er nach Hause fahren. Nun müssen er und seine Eltern zur Kenntnis nehmen, dass der Richter den Täter Torben P. nach dessen Geständnis am Sonntag wieder auf freien Fuß setzte. Er gab an, er sei in der Tatnacht in einer "aggressiven Stimmung" gewesen.

Formal ist die Richterentscheidung korrekt, denn P. war polizeilich vorher nicht aufgefallen. Aus Sicht des Richters besteht auch keine Wiederholungs- und Verdunkelungsgefahr, Fluchtgefahr sieht er ebenfalls nicht. Doch die meisten Berliner verstehen nicht, warum juristische Korrektheit das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen nicht berücksichtigt. Zumal es in der Hauptstadt in den letzten Wochen mehrere Überfälle auf Bahnhöfen gegeben hatte.

Härtere Strafen

Auch eine andere Diskussion keimt wieder auf: Berlins CDU-Chef Frank Henkel, der bei der nächsten Wahl gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) antritt, hat die "Einführung von erzieherischen Maßnahmen" wie "Warnschussarrest" und schärfere Meldepflichten für Straftäter verlangt. Torben P. muss sich dreimal in der Woche bei der Polizei melden. Vor Gericht wird er aufgrund seines Alters nach dem Jugendstrafrecht angeklagt werden, darin ist die Strafe für ein versuchtes Tötungsdelikt weniger hoch angesetzt. Auch das empört viele Bürger. CDU-Mann Henkel fordert deshalb, auch 18- bis 21-jährige Täter wie Erwachsene zu bestrafen.

Der Bund Deutscher Kriminalberater forderte eine "schnelle staatliche Reaktion". Der Hauptverdächtigte müsse rasch angeklagt werden. Es solle deutlich werden, dass die Gesellschaft solche Gewalt nicht akzeptiere, sagte Bernd Carstensen, stellvertretender Bundesvorsitzender. Für 70 Millionen Euro könnten die U-Bahnhöfe rund um die Uhr bewacht werden.