Serdar Tasci, der erfolgreichste türkischstämmige Spieler des VfB. Wer sonst noch für türkische Kapitel in der Club-Geschichte sorgte? Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: dapd

Die Integration türkischstämmiger Spieler beim VfB war nicht immer eine Erfolgsgeschichte.

Stuttgart - Vor 50 Jahren, am 30. Oktober 1961, unterzeichnete die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei ein Anwerbeabkommen. In den folgenden Jahrzehnten suchten Hunderttausende Türken ihr Glück in Deutschland. Nicht nur an den Fließbändern und Hochöfen der Industrie, auch in der Fußballbundeliga und auch beim VfB. Die Integration türkischstämmiger Spieler bei den Roten war nicht immer eine Erfolgsgeschichte. Ein Überblick.    

Anlaufschwierigkeiten, geschweige denn Integrationsprobleme hatte Ilyas Tüfekci in Stuttgart wahrlich keine. Es dauerte genau sieben Minuten und der Türke war im neuen Umfeld voll integriert. Sieben Minuten und schon herzten und drückten ihn seine Kollegen.

Ein Spätsommertag im September 1980. Der VfB liegt in Dortmund mit 1:3 zurück. In der 75. Minute schickt Trainer Jürgen Sundermann den 20-jährigen Tüfekci für Bernd Klotz auf den Platz. In der 82. Minute trifft der junge Stürmer zum 2:3 und leitet damit die Wende ein im schon verloren geglaubten Spiel. Vier Minuten später erzielt Karl Allgöver das Tor zum 3:3 Endstand.

 "Hier Türke Tas. Ich Bahnhof"

Der 1,64 Meter kleine und quirlige Tüfekci feierte an diesem Tag nicht nur eine gelungene Premiere im VfB-Dress. Nebenbei schrieb er auch Club-Geschichte. Er war der erste Türke, der im Trikot mit dem Brustring auflief. Das Kapitel Tüfekci sollte allerdings ein recht kurzes werden. Nach 13 Treffern in 24 Spielen wechselte Tüfekci bereits in der nächsten Saison zum FC Schalke 04. Aus dem ersten Türken bei den Roten wurde der erste Türke bei  Königsblau.

Der erste Landsmann von Tüfekci, der überhaupt in der Bundesliga auflief, tat dies fast 20 Jahre früher im Dress von Eintracht Braunschweig,  am 12. Spieltag der ersten Bundesligasaison 1963. Sein Name: Aykut Ünyazici.  Er war einer von fünf Ausländern, die beim Start der Bundesliga mitkickten. Doch Ünyazici kam nicht etwa zum Fußballspielen nach Deutschland, sondern zum Studieren. Der Maschinenbau-Student spielte in der Hochschulmannschaft der Technischen Universität Braunschweig, wo ihn Späher der Eintracht entdeckten.

Noch bevor die Bundesliga losging, war die Fußballkarriere eines anderen Türken in Deutschland bereits beendet. Der Linksaußen Coskun Tas traf schon bei der WM 1954 mit der türkischen Nationalmannschaft auf Deutschland. Fünf Jahre später bewarb sich Tas per Brief beim 1. FC Köln und bekam tatsächlich eine Einladung zum Probetraining. Als er am Kölner Hauptbahnhof ankam, rief er von einer Telefonzelle im Geißbockheim an und meldete sich der Überlieferung nach mit folgenden Worten: „Hier Türke Tas. Ich Bahnhof.“

Von den Grasshoppers an den Neckar

Tas schaffte 1959 tatsächlich den Sprung in die erste Mannschaft. In der darauffolgenden Saison feierte er in Köln seine größten Erfolge,  allerdings erlebte der Türke gleichzeitig seine größte sportliche Enttäuschung. Als Westmeister zog Köln in die Endrunde ein. Dort bestritt Tas jedes Spiel, außer das Endspiel gegen den Hamburger SV. FC-Präsident Franz Kremer wollte nur mit deutschen Spielern Deutscher Meister werden. Tas blieb draußen und der HSV gewann mit 3:2.

Tas verließ den FC und ging er zum Bonner FV in die 2. Oberliga West. 1962 wechselte er zurück nach Köln, zu den Ford-Werken, in die Abteilung Verkaufsplanung und trainierte dort die Betreibsmannschaft. Inzwischen ist der 76-Jährige Rentner deutscher Staatsbürger und wie er selbst einmal sagte, „vor allem Kölner“. 

Von den Kölner Ford-Werken zurück an die Mercedesstraße in Bad Cannstatt. Dort dauerte es eine Weile, ganze 17 Jahre, bis nach dem kurzen Gastspiel Tüfekcis wieder ein Türke für die Roten die Kickschuhe schnürte. Dieser kam allerdings nicht aus der Türkei, sondern aus der Schweiz und war auch kein Türke, sondern Schweizer. Murat Yakin wurde als Sohn türkischer Einwanderer in Basel geboren und wechselte 1997 von den Grasshoppers Zürich an den Neckar.

Erfolgsgeschichte eines schwäbischen Deutsch-Türken

Das Kapitel des ersten Schweiz-Türken beim VfB ist allerdings schnell erzählt. Der technisch beschlagene, dafür umso langsamere Verteidiger konnte sich beim VfB gegen Frank Verlaat und Thomas Berthold nicht durchsetzen und wechselte nach 23 Spielen für die Roten schon in der nächsten Saison zu Fenerbahce Istanbul.

Murat Yakins drei Jahre jüngerer Bruder Hakan kam in der Winterpause 2004 zu den Roten und blieb ebenfalls nicht lange. Technisch hatte der Spielmacher noch mehr drauf als sein Bruder, doch wie Murat war auch Hakan nicht der Schnellste und noch dazu allgemein eher lauffaul. Nicht die besten Vorrausetzungen für einen Stammplatz. Zur Erinnerung, der VfB-Coach hieß damals Felix Magath. Im Winter 2005 verließ Hakan Yakin  nach gerade mal neun Bundesligaspielen den VfB Richtung Galatasaray Istanbul.        

Und dann gab es ja noch einen türkischen Spielmacher beim VfB.  Einen Nationalspieler der Türkei aus Herne im Ruhrpott. Er blieb deutlich länger als seine Vorgänger, nämlich drei Jahre. Doch viele, vor allem die Verantwortlichen des VfB, hätten sich gewünscht, er wäre früher gegangen.

Angeschlagen oder verletzt

Yldiray Bastürk kam 2007 nach Stuttgart und sollte die Meisterelf des VfB verstärken. Statt für kreative Momente auf dem Platz sorgte der kleine Türke vor allem für Überstunden in der medizinischen Abteilung. Er kam schon angeschlagen auf dem Wasen an. Was folgte war eine Verletzung nach der anderen. Angeschlagen oder verletzt, so lassen sich die drei Jahre von Bastürk beim VfB ganz gut zusammenfassen.

Wobei, in seiner ersten Saison absolvierte er immerhin 26 Bundesligaspiele. Und es gab sogar den Moment, als so mancher VfB-Anhänger dachte, vielleicht wird Bastürk doch eine Verstärkung. Es war sein sechstes Spiel, der Gegner hieß Bayern München. Bastürk spielte stark und erzielte das 2:0, sein erstes Tor für den VfB. Die Roten gewannen 3:1. Bastürk musste in Halbzeit raus – genau – er war angeschlagen.

Als Bastürk kam, war ein anderer türkischstämmiger Spieler schon da. Und seine Geschichte ist wahrlich eine Erfolgsgeschichte. Es ist die Geschichte eines schwäbischen Deutsch-Türken.

Dreimal Meister mit dem VfB

Serdar Tasci kam 1987 in Esslingen zur Welt. Bereits seine Großeltern waren in den 1960er nach Deutschland eingewandert. Mit zwölf tauschte er sein blaues Trikot mit einem roten und wechselte von den Stuttgarter Kickers in die Jugend des VfB. Hier holte er 2004 mit den B-Junioren die deutsche Meisterschaft. Dasselbe Kunststück gelang ihm im Jahr darauf mit der U19 des VfB. Und auch nach seiner ersten Saison bei den Profis, in der Tasci gleich zum Stammspieler avancierte, wurde er deutscher Meister. Dreimal deutscher Meister mit dem VfB. Das haben nicht viele geschafft.

Sein kometenhafter Aufstieg führte ihn 2007 nach seiner ersten Saison im Alter von 20 Jahren in den Kader der Nationalmannschaft. Er hatte sich für die deutsche und gegen die türkische Auswahl entschieden. Auf sein erstes Länderspiel musste er aber noch ein Jahr warten. Im August 2008 war’s dann so weit. Gegen Belgien lief er erstmals für die A-Nationalmannschaft auf, als zweiter Deutsch-Türke nach Mustafa Dogan. In seinem 14. und bisher letzten Länderspiele im August 2010 gegen Dänemark bekam Tasci sogar die schwarz-rot-goldene Kapitänsbinde übergestreift. Von Thomas Hitzlsperger in der 64. Minute.

Auch beim VfB wäre Tasci zu  gerne Kapitän geworden und zwar länger als für eine halbe Stunde. Er wäre logischerweise der erste Spielführer des VfB mit türkischen Wurzeln. Bislang blieb ihm diese Ehre verwehrt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.