Guter Kletterer: NetApp-Kapitän Leopold König startet voller Zuversicht in die Tour. Klicken Sie sich durch unsere Übersicht, welche deutschen Fahrer bei der Tour de France dabei sind. Foto:  

Mit interaktiver Grafik - In NetApp startet erstmals seit vier Jahren bei der Tour de France wieder ein deutsches Team. Der Etat der Equipe beträgt nicht einmal drei Millionen Euro – keine Mannschaft, die in den vergangenen zehn Jahren bei der Tour de France startete, hatte weniger Geld zur Verfügung.

Stuttgart - Auch mit wenig Mehl kann man große Brötchen backen. Der Etat des Teams NetApp beträgt angeblich nicht einmal drei Millionen Euro – keine Mannschaft, die in den vergangenen zehn Jahren bei der Tour de France startete, hatte weniger Geld zur Verfügung. Die Equipe aus dem oberbayrischen Raubling reist als erste deutsche Mannschaft nach Milram (2010) zur Frankreich-Rundfahrt, damit erreicht die strukturelle Aufholjagd des deutschen Radsports nach den diversen Dopingskandalen ein wichtiges Zwischenziel – und auch für das eine oder andere sportliche Achtungszeichen ist NetApp gut genug.

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Bange machen gilt jedenfalls nicht. Zwar nimmt NetApp-Teamchef Ralph Denk nur Debütanten mit zur Tour, Angst vor der Aufgabe hat trotzdem niemand. „Es ist ja schon meine fünfte große Rundfahrt“, meint zum Beispiel Paul Voss selbstbewusst. Er nahm an Giro und Vuelta teil – und war dort Zeuge, wie sein Kapitän Leopold König in den Bergen mit der großen Konkurrenz tapfer mithielt. Der Tscheche holte einen Etappensieg bei der Vuelta 2013 und wurde beachtlicher Gesamt-Neunter. Nun sagt Denk: „Wir wollen eine Etappe gewinnen und mit König unter die besten 15 der Gesamtwertung.“

Am großen Durchbruch hat den Mann aus Moravska Trebova bislang allein seine fragile Gesundheit gehindert. König fängt sich schnell Erkältungen ein und stürzt auch häufiger. Nur deshalb ist das Kletterjuwel bezahlbar für jemanden wie Ralph Denk, der lediglich einen kleinen Sponsor im Rücken hat und bei dem die Familie noch aushilft, wenn Not am Mann ist. Vater Denk etwa lässt bei großen Rennen das familiäre Radsportgeschäft für drei Wochen im Stich und ist als Mechaniker, Fahrer, Autowäscher und Mann für alle anderen Dinge das organisatorische Herz des Teams.

NetApp ist – trotz des Geldgebers aus der IT-Branche – noch ein Rennstall aus der analogen Radsport-Zeit. Hier kennt man sich, hier gibt es kurze Wege. Der Managersprech, bei großen Teams wie Sky an der Tagesordnung, ist hier gar nicht zu vernehmen. Anspruchsvolle Ziele hat Denk dennoch – auch wenn die Finanzierung für die nächste Saison noch längst nicht gesichert ist.

Als er 2010 begann, den Rennstall aufzubauen, entwarf er einen Fünf-Jahres-Plan mit Fixpunkt Tour-Teilnahme. Viele hielten dies damals für einen Witz. Denk stellte ein Team aus Fahrern zusammen, die den Sprung nach ganz oben nicht geschafft hatten oder arbeitslos geworden waren, sich aber dennoch ambitioniert zeigten. Zur ersten Kategorie gehört Tour-Starter Andreas Schillinger, zur zweiten der 2010 vom Milram-Aus betroffene Voss. Hinzu kamen Haudegen vor allem aus Osteuropa, die aber, auch das war Bedingung, nicht mit Dopingaffären belastet sein durften. Jahr für Jahr ergatterte sich das Team Wildcards bei Klassikerrennen sowie Giro und Vuelta. Es profitierte dabei von der Hoffnung der Veranstalter auf mediale Resonanz auch im Profiradsport-Ausstiegsland Deutschland.

Diese Resonanz blieb zwar meist unter den Erwartungen, sportlich aber belebte NetApp das Geschehen. Für die FrankreichRundfahrt müssen Denk und seine sportlichen Leiter nun einen guten Mix aus Angriffslust bei mittelschweren Etappen und Kräfte sparen für Kapitän König finden.

Gleich für die zweite Etappe hat Paul Voss einen Coup angekündigt. „Die Etappe ist mit neun Bergwertungen wie prädestiniert fürs Bergtrikot“, sagt er. Der Rostocker hat mit solchen Konstellationen Erfahrung. 2010 holte er für Milram mit einer couragierten Aktion beim Giro d’Italia das Bergtrikot – auch kleine Fahrer aus kleinen Teams wollen Erfolge feiern. Die Tour kann beginnen.