Der integrationspolitische Sprecher der baden-württembergischen CDU-Landtagsfraktion Bernhard Lasotta macht die Landesregierung für den Tod eines Bruchsaler Häftlings verantwortlich Foto: dpa

Es ist die Schilderung eines Menschen, der Gewalt gegen andere und gegen sich selbst ausübt. Was der Justizminister über die letzten Jahre des in Bruchsal gestorbenen Häftlings berichtet, schreie nach Konsequenzen, meint die CDU.

Es ist die Schilderung eines Menschen, der Gewalt gegen andere und gegen sich selbst ausübt. Was der Justizminister über die letzten Jahre des in Bruchsal gestorbenen Häftlings berichtet, schreie nach Konsequenzen, meint die CDU.

Bruchsal/Stuttgart - Der im August im Bruchsaler Gefängnis gestorbene Häftling hat mit seiner Aggressivität selbst hartgesottene Vollzugsbeamte in Offenburg, Freiburg und Bruchsal verschreckt.Niemand wollte den an Wahnvorstellungen leidenden Mann aus Burkina Faso haben. Die Stellungnahme von Justizminister Rainer Stickelberger, die unserer Zeitung vorliegt, liest sich wie eine Chronik der Selbstzerstörung.

Nachdem der wegen Totschlags an seiner Ehefrau zu zehn Jahren Haft verurteilte Mann – er hat sie 2011 mit einem Messer erstochen – in Offenburg inhaftiert wurde, begann der Amoklauf. Er packte den Bereichsleiter seiner Station aus nichtigem Anlass am Hals und stieß dessen Kopf mit voller Wucht gegen seinen eigenen. Der 51-Jährige Beamte erlitt so schwere Verletzungen, dass er in den Ruhestand versetzt wurde.

Weil sogenannte Beamtenangreifer stets in eine andere Anstalt verlegt werden, kam er nach Freiburg – verbunden mit besonderen Sicherungsmaßnahmen. Doch auch hier dasselbe aggressive Verhalten. Diese habe sich darin geäußert, „dass er Beamte biss, bespuckte und sich regelmäßig in provokanter Haltung diesen gegenüber aufbaute“, heißt es in der Stellungnahme. Alle Hilfsangebote habe er abgelehnt.

Als der Häftling im Sommer 2013 erneut einen Beamten abgriff, wurde er nach Bruchsal verlegt. War er schon in Freiburg seit November 2012 in Einzelhaft gewesen, so holte auch Bruchsal beim Justizministerium die Zustimmung zu dieser „unausgesetzten Absonderung“ ein – zuletzt im Dezember 2013. Diese Genehmigung ist immer dann notwendig, wenn ein Häftling länger als drei Monate im Jahr isoliert wird.

Auch in Bruchsal kam niemand an den Häftling heran. Dieser sei weder zumDuschen noch zum Hofgang gegangen – trotz des Angebots, ihm die Fußfesselnabzunehmen. Alles, was man ihm durch die Klappe gereicht habe, auch Verpflegung und Post, habe er unter fließendem Wasserabgespült.

Da sich Anstaltschef Thomas Müller offenbar nicht mehr zu helfen wusste, fragte er im Juli beim Justizministerium nach, wohin er den Gefangenen verlegen soll: Seines Wissens solle Bruchsal „nur ein Jahr mit dem Gefangenen belastet“ werden. Der Kollege in Freiburg konnte sich an eine solche Zusage zwar nicht erinnern, erklärte sich aber bereit, den Häftling zu nehmen – um diese Zusage wieder zurückzuziehen: wegen des „massiven Widerstands der Bediensteten“.

Die Verlegung in besser geeignete Einrichtungen wie das Justizvollzugskrankenhaus scheitere „aus rechtlichen beziehungsweise den üblichen Gründen“, zitiert der Justizminister aus Müllers Bericht. Schon 2012 hatte man dies offenbar erwogen. Da dies aber nur zwangsweise hätte geschehen können, habe man davon abgesehen. Im Januar 2014 schließlich stellte ein Psychiater fest, „dass beim Gefangenen eine Behandlungsbedürftigkeit bestehe, jedoch keine Behandlungsbereitschaft“.

Dass nichts geschah, dafür hat der CDU-Landtagsabgeordneten Bernhard Lasotta kein Verständnis. Seiner Meinung nach wäre eine „dringende Verlegung in ein Gefängniskrankenhaus geboten“ gewesen: „Warum kam es zu keiner Therapie, obwohl eine Behandlungsbedürftigkeit fachärztlich attestiert wurde?“ Dies und der Streit um die Zuständigkeit, aber auch die Tatsache, dass sich das Ministerium zuletzt im Dezember 2013 um den Gefangenen gekümmert hat, bringt Lasotta zur Feststellung: „Es gab gravierende Fehler in der Überwachung des Gefangenen und in der Aufsicht des Justizministers. Dass ein Problem bestand, war doch offensichtlich.“ Auch der Justizminister hatte den Verdacht, dass die Haftbedigungen und der Umgang mit ihm „unzulänglich“ waren, teilt er Lasotta mit. Dieser fordert nun, dass sich der Landtag mit dem Fall beschäftigt. Man müsse daraus Lehren ziehen: „Kein Gefangener darf mehr unter solchen Umständen sterben.“

„Geruchsbelastet“ sei die Zelle zuletzt gewesen, berichteten die Vollzugsbeamten aus Bruchsal. Der Häftling habe sich nur noch von Müsli ernährt. Am 9. August schließlich fanden sie den 1,85-Meter-Mann tot in seiner Zelle: noch 57 Kilo schwer.