Die EnBW ist dem Land lieb und auch ziemlich teuer. Foto: dpa

Die Beteiligung am Energiekonzern war für das Land bisher enorm teuer, doch die Schere zwischen Kosten und Erträgen schließt sich.

Stuttgart - Als Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus Ende 2010 in einer Nacht- und Nebelaktion beim Energieversorger EnBW einstieg, konnte er seinen Stolz kaum bremsen. Das Land finanziere den Kaufpreis von fast fünf Milliarden Euro zwar komplett über Kredit, doch die Zinsen seien weit niedriger als die zu erwartende Dividende aus den Aktien. Der Steuerzahler zahle unter dem Strich „nicht nur keinen Cent, am Ende bleibt jedes Jahr ein Mehrwert in Millionenhöhe übrig“, so Mappus. „Die schwäbische Hausfrau wird begeistert sein.“

Die Steuergelder

So kann man sich täuschen. Sieben Jahre später ist die Landesfirma Neckarpri, über die das Land die Aktien hält, tief in den roten Zahlen. Das Unternehmen erzielte einen Verlust von 118 Millionen Euro – vor allem deshalb, weil es zwar weiter die Zinsen für den Kredit zahlen muss, die Dividende in diesem Jahr aber komplett ausfällt. Seit Jahren reicht die Dividende des durch das schnelle Aus für die Kernkraft, sinkende Preise an den Strombörsen und massive Investitionen in erneuerbare Energien wirtschaftlich stark belasteten Unternehmens nicht aus, um die Zinsen zu bezahlen. Deshalb macht Neckarpri so hohe Verluste, dass das Unternehmen seit vergangenem Jahr bilanziell überschuldet ist. Es muss nur deshalb nicht Insolvenz anmelden, weil es vom Land durch Garantien und Finanzspritzen in Milliardenhöhe umfassend gestützt wird.

Um die wirtschaftliche Lage seines Tochterunternehmens zu verbessern, griff das Land in diesem Jahr tief in die Staatskasse und überwies der Neckarpri 123 Millionen Euro. Das reicht nicht nur, um die Zinsen komplett zu bezahlen, sondern auch, um die angehäuften Verluste von 65 auf 60 Millionen Euro zu reduzieren.

Die Verwalter

Mit der Neckarpri selbst haben die Verluste allerdings wenig zu tun. Das Unternehmen ist mit einem Geschäftsführer und einer Assistentin in Teilzeit nicht gerade ein Wasserkopf; sie hat auch kein Firmengebäude, sondern belegt lediglich zwei Büros in den Räumen des Finanzministeriums. Ihr Geschäftsbetrieb kostet pro Euro verwalteten Landesvermögens rund 0,2 Cent.

Dabei ist sie weit mehr als ein Tresor, dem das Land seine Aktien anvertraut. Denn zu den Aufgaben der Neckarpri gehört auch das Finanzmanagement – und deshalb hängt es maßgeblich von der Mannschaft um den Geschäftsführer Bernhard Jeggle (45) ab, wie hoch die Zinslasten – und damit je nach Dividende auch die Verluste – ausfallen.

Jeggle, der als ehemaliger Analyst der Landesbank zu den führenden EnBW-Experten zählt, erspart dem Steuerzahler in diesem Jahr und im nächsten Jahr jeweils Kosten von 18 Millionen Euro, indem er das Zinstief nutzte, um nicht nur die laufenden Kosten deutlich zu verringern, sondern dem Land die niedrigen Zinsen auch für weitere zehn Jahre zu sichern. Für ein Volumen von einer Milliarde Euro wurde die Zinslast auf Jahre hinaus um vier Fünftel der bisherigen Summe verringert. Bereits im vorletzten Geschäftsjahr hatte Neckarpri die Zinslast für weitere 1,5 Milliarden Euro um rund ein Drittel auf 1,9 Prozent gesenkt und sich diese verringerte Belastung für 30 Jahre gesichert. Dabei handelt es sich nicht um spekulative Geschäfte, sondern um Anleihen mit fest definierten Zinssätzen.

Der Lichtblick

Die Chance, dass die EnBW-Beteiligung, mit der Mappus das Unternehmen einst vor feindlichen Übernahmen schützen wollte, den Steuerzahler doch nicht ganz so teuer kommt, ist also gestiegen. Zum einen sind für rund die Hälfte der Kredite niedrige Zinsen gesichert, zum anderen sind die ganz kargen Zeiten bei der EnBW wohl vorbei. Für das laufende Geschäftsjahr hat sie bereits eine Dividende angekündigt. Somit könnte sich bei Neckarpri die Schere zwischen Dividendenerträgen und Zinslasten von beiden Seiten ein gutes Stück schließen.

Zwar stellt das Land für 2018 und 2019 jeweils weitere 94 Millionen Euro bereit, doch die Aussichten stehen gut, dass davon nur ein Teil in Anspruch genommen werden muss. Dabei ist der jährliche Betrag bereits geringer als die 123 Millionen des Jahres 2017.

Möglicherweise wäre Mappus’ Rechnung mit der schwäbischen Hausfrau sogar aufgegangen, hätte nicht drei Monate nach dem Kauf die Atomkatastrophe von Fukushima alle Kalkulationen über den Haufen geworfen. Denn in den fünf Jahren vor dem Kauf durch das Land konnten EnBW-Aktionäre eine durchschnittliche Dividendenrendite von 3,5 Prozent vereinnahmen – das hätte dicke dicke gereicht, um die Finanzierungskosten von 2,2 Prozent zu decken.

Der Aktienkurs

Auch an einer anderen Front bewegt sich Neckarpri aus Sicht des Steuerzahlers in die richtige Richtung: Bei der Werthaltigkeit der Aktien, die unter der Energiewende massiv gelitten hat. 4,8 Milliarden Euro hat das Land für die knapp 50 Prozent der Aktien einst gezahlt; durch eine spätere Kapitalerhöhung kamen weitere 400 Millionen hinzu. Jahr für Jahr bewerten Wirtschaftsprüfer das Paket, und auf dem Tiefpunkt Mitte 2016 hatte es mit 2,6 Milliarden Euro die Hälfte seines Werts eingebüßt. Würde Neckarpri diese enormen Einbußen in der Bilanz verbuchen, würde sich der aufgelaufene Verlust von 2016 noch einmal auf das 40-Fache erhöhen.

Das geduldige Papier

Doch tatsächlich stehen die Aktien noch immer mit ihrem realitätsfernen Kaufpreis in der Bilanz. Denn das Land trägt neben dem Risiko ausfallender Dividenden auch das eines erodierenden Unternehmenswerts der EnBW. Somit verbucht die Neckarpri diese Verluste nicht, weil sie für diese nicht geradestehen muss; und auch das Land verbucht sie nicht, weil die Systematik seines Haushaltsplan solche Abschreibungen nicht vorsieht. Doch wegdefinieren lassen sich die Einbußen nicht. Denn irgendwann muss der Kredit zurückgezahlt werden. Sind die Aktien dann immer noch viel weniger wert als das, was man einst dafür an Kredit aufgenommen hatte, macht man nicht nur bei den Zinsen Miese, sondern auch bei der Tilgung.

Doch auch hier stellt sich die Lage heute besser dar als noch vor einem Jahr. Allein im vergangenen Geschäftsjahr hat das Aktienpaket 826 Millionen Euro und damit ein Drittel des angesammelten Wertverlusts wieder wettgemacht. Dies vor allem deshalb, weil die Wirtschaftsprüfer der EnBW nun erstmals zutrauen, eine Wende in der Ertragskraft zu schaffen und aus den gewaltigen Investitionen in die Energiewende auch einen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Weil die EnBW knapp zur Hälfte dem Land und zu gleichen Teilen oberschwäbischen Landkreisen gehört, wäre ein solcher Erfolg des Unternehmens auch einer für den Steuerzahler.