Es gilt das Sitzen im Alltag, so oft es möglich ist, zu unterbrechen. Einfach mal aufstehen, kurz umhergehen – nicht nur im Büro, sondern auch beim abendlichen Fernsehschauen. Zur Kantine lieber die Treppe statt des Aufzugs nehmen. Und mit dem Kollegen zwei Türen weiter direkt sprechen, statt nur zum Hörer zu greifen. Denn dann müssen die Muskeln den Körper gegen die Schwerkraft aufrecht halten. Foto: dpa-tmn

Sport macht fit, Sport macht munter. Das ist eine Alltagsweisheit. Doch diese nehmen offenbar nur wenige ernst – wie nun eine Studie belegt: Erwachsene sitzen an einem normalen Werktag laut einer Studie 7,5 Stunden. Und schon die Kinder eifern ihren Eltern im Sitzenbleiben nach.

Berlin - Die Evolution hat aus dem Baumbewohner den weltbesten Dauerläufer geformt: den Menschen. Viele Besonderheiten im menschlichen Skelett, in Muskeln und Sehnen zeugen davon. Aber was tut der Mensch mit dieser Begabung? Er lässt sie meist verkümmern. Zwar melden sich von Jahr zu Jahr mehr Menschen zu Marathonläufen an, zugleich aber wächst das Heer der Bewegungslosen.

Eine Vielzahl von Studien hat dies schon belegt, am Montag kam eine neue hinzu: Diesmal fand die Deutsche Krankenversicherung (DKV) in ihrem Gesundheitsreport 2015 heraus, dass die Deutschen zu viel Zeit im Sitzen verbringen – im Mittel mehr als sieben Stunden an Werktagen. Dazu hat sie 3000 Bundesbürger zu ihrem Gesundheitsverhalten befragen lassen. Doch das lange Stillsitzen ist ein eigener Risikofaktor für die Gesundheit: „Das dauerhafte Sitzen hat weitreichende Folgen für den Fett- und Blutzuckerstoffwechsel und macht die Menschen krank“, sagte DKV-Vorstand Clemens Muth. Tatsächlich gerät der Zuckerstoffwechsel aus der Balance, in den Adern kreist mehr Blutfett, verstopft die Gefäße. Alles Faktoren, die Herz und Kreislauf zusetzen. Eine Erklärung sehen Wissenschaftler darin, dass Muskeln mehr sind als Motoren. Sie produzieren Botenstoffe und steuern so den Stoffwechsel im gesamten Körper mit. Um diese Funktion zu erfüllen, müssen sie allerdings beansprucht werden.

So oft wie möglich aufstehen und ein paar Schritte gehen

Experten empfehlen daher, das Sitzen immer wieder zu unterbrechen: Für diejenigen, die für die Bewegung Zeit einplanen müssen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) pro Woche mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive körperliche Arbeit.

Andere können sich an folgende Ratschläge seitens der Experten halten: einfach das Sitzen im Alltag, so oft es möglich ist, zu unterbrechen. Einfach mal aufstehen, kurz umhergehen – nicht nur im Büro, sondern auch beim abendlichen Fernsehschauen. Zur Kantine lieber die Treppe statt des Aufzugs nehmen. Und mit dem Kollegen zwei Türen weiter direkt sprechen, statt nur zum Hörer zu greifen. Denn dann müssen die Muskeln den Körper gegen die Schwerkraft aufrecht halten.

An diese Empfehlungen sollten sich übrigens auch diejenigen halten, die sich durchaus sportlich betätigen – aber abgesehen von dem Fußballtraining oder der Yogastunde fast den kompletten Tag im Auto, am Schreibtisch, vor dem Computer verbringen. Das bestätigt Gerhard Huber vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg. Seinen Worten zufolge steigt das Gesundheitsrisiko ab acht Stunden Sitzen pro Tag bei allen Menschen deutlich an.

Kinder und Jugendliche sollten sich täglich drei Stunden bewegen

Das gilt übrigens nicht nur bei Erwachsenen – auch die heutigen Kinder und Jugendlichen nehmen die Ermahnung „still sitzen“ offensichtlich ein wenig zu ernst. In einer globalen Studie erwiesen sich Kinder als deutlich weniger fit als ihre Eltern im entsprechenden Alter. Und auch eine weitere Befragung unter 300 Eltern im Gesundheitsreport der DKV zeigt, dass der Großteil der Sechs- bis Zwölfjährigen zu viel Zeit mit Fernsehen und Spielekonsolen verbringt – nämlich mehr als eine Stunde pro Tag. Dagegen bewegen sie sich zu wenig – ebenfalls nur eine Stunde am Tag. Ratsam sind laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte aber drei Stunden und mehr. Bewegung regt das Muskelwachstum, den Auf- und Umbau von Knochen an, sagt der Mediziner Ulrich Fegeler. Fehle Bewegung, könne sich das Skelett nicht richtig ausbilden, und Gelenke würden fehlbelastet, es könnten sich Fettleibigkeit und chronische Erkrankungen wie Diabetes entwickeln. Solange Kinder in die Kita oder den Kindergarten gingen, sei meist noch alles in Ordnung: „Der Bruch ist da, wenn die Kinder in die Schule kommen“, sagt Fegeler.

Damit die Schulkinder dann nicht zu ebensolchen Bewegungsmuffeln werden wie schon jetzt die Elterngeneration, empfehlen Experten, Kinder möglichst früh für Sport und Bewegung zu begeistern. Eine ideale Ergänzung sind Sportvereine: Hier gilt es auszuprobieren und eine Sportart zu finden, die Spaß macht.

Eltern sollten dabei unbedingt Interesse für die Hobbys ihrer Kinder zeigen, sagen Experten. Denn das wirkt motivierend auf den Nachwuchs.