Blaue Stunde in Stuttgart – ein Foto aus dem Film „Stuttgart in Motion“ Foto: Sebastian Weitbrecht

Rasende Autos auf der Hauptstätter Straße, schlendernde Fußgänger auf dem Schlossplatz und Anzeigetafeln, die sich in Windeseile verändern: Sebastian Weitbrecht hat erkannt, dass Stuttgart sich ständig und schnell bewegt. Wie er das festhält, hat er uns erzählt.

Stuttgart - Es ist 11 Uhr, als wir Sebastian Weitbrecht, den 23-jährigen Fotografen und ehemaligen Studenten der Audiovisuellen Medien an der Hochschule der Medien, am Schlossplatz treffen. Er sitzt auf der Treppe vor dem Königsbau und dreht am Objektiv seiner Kamera. Es ist noch nicht viel los in der City, nur ein paar vereinzelte Schaufensterbummler scheinen sich auf den Pflastersteinen verirrt zu haben. Der Himmel ist ruhig, still, blau und klar. Weitbrecht weiß, dass es nicht immer so ruhig ist. Dass Stuttgart immer in Bewegung ist.

„Es passieren hier viele Dinge, die wir oft mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmen oder begreifen können“, sagt er. Diese Dinge, wie zum Beispiel langsam aufquellende Wolken oder ein Sonnenuntergang, der sich über mehrere Stunden hinzieht, werden in seinem Video „Stuttgart in Motion“ auf der Videoplattform Vimeo in wenigen Sekunden wiedergegeben und dadurch sichtbar gemacht. 18 000 Bilder hat er dafür geschossen und zusammen geschnitten.

Bessere Qualität als eine einfache Videokamera

Timelapse (deutsch: Zeitraffer) nennt man die Vorgehensweise, die Abläufe beschleunigt wiedergibt. Was auf Anhieb jedoch wie eine Art Diashow klingt, ist mehr wie ein Film. Der Experte erklärt: „Man schießt mit einer Fotokamera einzelne Bilder über ein Zeitintervall hinweg. Fotos haben im Vergleich zu einer Filmkamera eine vielfach bessere Bildqualität. Die Farben werden besser wiedergegeben, und die Dynamik in der Belichtung ist größer. „Nach der Aufnahme werden die Bilder entwickelt, nachbearbeitet und zu einem Video zusammengefügt, das 25 Bilder pro Sekunde abspielt.

Ein Dreivierteljahr hat Weitbrecht an diesem Video gearbeitet. Bilder geschossen und sich Stuttgarter Orte rausgesucht, die er erst nach langem Suchen entdeckt hat. So hat er inmitten einer Straßenbahnkreuzung Fotos geschossen, von einem Hausdach herunter oder zwischen Rebstöcken fotografiert, um die Stadt aus seinem Blickwinkel darzustellen. Viele Einstellungen musste er mehrmals schießen, bis das Wetter und das Licht so waren, wie er es sich gewünscht hatte.

Am Fernsehturm hat er eine einzigartige Aufnahme von einem Gewitter geschossen, das über den Talkessel hinwegzieht. „Mit dem Video wollte ich niemand speziell ansprechen“, sagt er. Umso überraschter war er, dass es so vielen Menschen gefallen hat und sich das Video innerhalb weniger Tage wie ein Lauffeuer im Internet verbreitet hat. Das Video hat bisher über 50 000 Aufrufe auf der Internet-Videoplattform Vimeo.

Fortsetzung folgt im Sommer

Was hat den gebürtigen Stuttgarter zu diesem Video gebracht, für die Arbeit motiviert? „Das Video war mein erstes Timelapse- Video, das ich veröffentlicht habe“, antwortet Weitbrecht, „zu dieser Zeit hatte ich mich experimentell mit dem Thema als Unterpunkt der Fotografie auseinandergesetzt, doch schnell bemerkt, dass es weitaus komplizierter ist, gute Ergebnisse zu erzielen, als erwartet.“ Beim ersten Video soll es jedoch nicht bleiben. Seit geraumer Zeit arbeitet er bereits an einem zweiten Teil von „Stuttgart in Motion“, der im Sommer erscheinen soll. Und dieses Mal sogar mit mehr Planung: „Ich beobachte Sonnenstände und das Wetter, informiere mich über Wolken und Unwetterbewegungen, um abschätzen zu können, wann ich losgehen kann und wann das Licht gut fällt. Zudem bin ich wählerischer geworden, was die Ergebnisse angeht.“

Fürden zweiten Film verwendet er nicht nur die Zeitraffertechnik, sondern auch sogenannte Hyperlapes (deutsch: Raumraffer). Bei diesen Aufnahmen bewegt sich die Kamera während des Zeitraffers über größere Distanzen hinweg, wie zum Beispiel über einen Platz. Damit sollen dann noch eindrucksvollere Aufnahmen möglich sein.

Wie das funktioniert, kann er uns allerdings nicht zeigen. „Da müsste ich jetzt über den ganzen Schlossplatz laufen, während sich unsere Umwelt im Zeitraffer bewegt“, sagt er ein wenig enttäuscht und dreht erneut an dem Objektiv seiner Kamera. Es ist 12 Uhr, als wir Weitbrecht am Schlossplatz verlassen. Im Nu hat sich der Platz unbemerkt verändert, so wie es Weitbrecht sekundenschnell in seinem Video zeigt.

Das Video zu „Stuttgart in Motion“ und weitere Aufnahmen von Sebastian Weitbrecht sind unter www.sebastianweitbrecht.de zu finden