Kritisch beäugen die Tauben, ob bei der Einweihung ihres neuen Schlags in der Kriegsbergstraße alles mit rechten Dingen zugeht      Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Stuttgarts Tauben haben ein neues Domizil. Zwei Jahre nachdem der Schlag im Hauptbahnhof abgerissen wurde, hat die Stadt auf ihrem eigenen Gebäude in der Kriegsbergstraße 30 für rund 24 000 Euro Ersatz geschaffen- zumindest für die nächsten fünf Jahre. Danach wird der Bau eventuell abgerissen.

Stuttgart - Mit dem Aufzug geht es hoch in den dritten Stock. Von dort aus führt eine schmale Leiter durch eine Klappe aufs flache Dach mit dem neuen Taubenschlag. Luftlinie ist er nur rund 200 Meter von der alten Bleibe im Hauptbahnhof entfernt. Vielleicht sind wegen der Nachbarschaft zum alten Zuhause viele Plätze bereits belegt. „Normalerweise braucht es einige Zeit, bis sich die Tauben umgewöhnen“, weiß Silvie Brucklacher-Gunzenhäuser, Taubenbeauftragte des Tierschutzvereins Stuttgart.

Bei der Einweihung des rund 20 Quadratmeter großen Schlags, der rund 80 Tauben Platz zum Nisten bietet, lassen sich nur wenige Tiere blicken. Mit einer Handvoll Futter können die Taubenexperten dann aber doch ein paar Vögel fürs Foto anlocken, während ihre Artgenossen vom gegenüberliegenden Dach die Situation misstrauisch beäugen. Mit der neuen „Immobilie“ hat die Stadt jetzt insgesamt sieben Taubenschläge für knapp 1300 Tiere. „Stuttgart braucht mindestens 20 Taubenschläge, damit die Tauben in der Landeshauptstadt tatsächlich reduziert werden können “, fordert Brucklacher-Gunzenhäuser. In den Schlägen werden die Tauben nicht nur gefüttert. Dort werden den brütenden Vögeln auch die Eier stibitzt und gegen Plastikattrappen ausgetauscht, um die Zahl der Geburten einzuschränken. In den vergangenen sieben Jahren waren das etwa 9000 Eier.

Dorothea Koller, Leiterin des Amts für öffentliche Ordnung, wäre schon mit zehn Schlägen im Stadtgebiet zufrieden. Weil keine Standorte gefunden wurden, konnte sie die 120 000 Euro, die der Gemeinderat für den Bau von Schlägen für den noch laufenden Doppelhaushalt bewilligt hatte, nicht ausgeben. „Außerdem dauert es sehr lang, bis alle erforderlichen Genehmigungen vorliegen und gebaut werden kann“, sagt Koller. Und selbst bei dem stadteigenen Gebäude in der Kriegsbergstraße sind zwei Jahre bis zur Einweihung eines Ersatzes für den Schlag im Hauptbahnhof verstrichen.

Mit einem Teil der 120 000 Euro wurde jetzt eine halbe Stelle für eine städtische Taubenbeauftragte geschaffen. Sie soll Standorte für weitere Schläge aufspüren. Einen Eindruck davon, wie hart der Job ist, hat sie bereits erfahren: „Ich habe seit Jahresbeginn rund 100 Briefe geschrieben und freundliche Absagen erhalten“, sagt Pia Jungbauer. Auch die Evangelische Kirche, die auf der Leonhardskirche zwei Schläge eingerichtet hat, bietet laut Koller keine weiteren Standorte an.

Zehn Taubenschläge hält auch Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin Stuttgart-Mitte, für nötig – allerdings allein in der Innenstadt. Sie fordert, auf der Rathauspassage einen weiteren Schlag einzurichten – als Ersatz für den auf der Rathausgarage. Denn der soll kommendes Jahr wegfallen, wenn das Parkhaus abgerissen wird. Damit wären 80 bis 150 Tauben obdachlos, stellt Brucklacher-Gunzenhäuser fest. Damit es nicht so weit kommt, plädiert sie dafür, vorher Ersatz zu schaffen. „Die Rathauspassage als Standort hätte den Vorteil, dass er in der Nähe des alten Schlags wäre und sich die Tauben kaum umgewöhnen müssen“, sagt Kienzle. Sie hofft beim Taubenprojekt auf bürgerschaftliches Engagement. Verwaltung könne zwar Geld bereitstellen, aber ohne Einsatz der Bürger gehe es nicht.