Freilufttheater in Esslingen: Szene aus dem „Postmichel“ Foto: Württembergische Landesbühne

Freilufttheater der Landesbühne Esslingen: „Der Postmichel“ in der Regie von Klaus Hemmerle ist ein gelungenes Mundartstück, gespielt unter freiem Himmel.

Esslingen – Was gibt es an einem lauen Sommerabend Schöneres, als Zeuge einer beginnenden Romanze zu werden? Endlich fasst sich der schüchterne Michel Banhard, den sie im Esslingen nur den Postmichel rufen, in einem Gasthof ein Herz und gesteht Bettina (anrührend zerbrechlich gespielt von Marie Mayer) seine Liebe. Er schenkt ihr einen Ring mit einem Lapislazuli-Stein.

Das hätte er lieber nicht getan. Das Schmuckstück ist das Corpus Delicti in einem Mordfall, der zwei Jahre zurückliegt. Matthäus von Weltz (Marcus Michalski) hatte seinen Onkel Amandus Marchthaler aus Habgier und wegen der Einflüsterungen seiner Verlobten Scholaste erschlagen. Doch es ist der Postmichel, der schließlich als tragische Figur geköpft wird, nachdem er unter Folter gestanden hat. Zuvor bläst er ein letztes Mal in sein Horn, verflucht die Stadt und seine Bürger. „Ich werde so lange als Geist erscheinen, bis der wahre Mörder gefunden ist“, ruft Michel.

Ziel seiner Rache ist Matthäus, der Doppelmörder, den er mit dem blutigen Kopf unter dem Arm Jahr für Jahr am Michaelistag heimsucht. Antonio Lallo hat im zweiten Akt als rasend leidender Wiedergänger seine starken Momente, und man spürt, dass die Figur den Drehbuchautoren Felix Huby und Jürgen Popig ans Herz gewachsen ist. Matthäus wird zum Getriebenen, vom Monster zum Menschen. Diese Seelenstudie ist die eine Botschaft von Klaus Hemmerle, der die Legende im Freilichttheater der Württembergischen Landesbühne Esslingen inszeniert hat. Das Stück entrollt zudem einen Katalog menschlicher Abgründe wie Gier und fehlende Zivilcourage.

Trotz Dialektfassung wirkt „Der Postmichel“ nicht volkstümelnd und anbiedernd. Der grandiose Martin Theuer treibt als Moritatensänger zwischen Schauerromantik, erdigem Blues und bitteren Wahrheiten: „Die Leute sind herzlos, dumm und kalt.“

Matthäus scheint zunächst der Einzige zu sein, der nicht leidet. „Ich bin jung, ich bin reich, ich bin schön, und ich kann auch Hochdeutsch“, posaunt der Mörder und geht nach Paris. Doch er wird den Geist nicht los. Nichts führt zur Heilung. Weder seine Flucht noch der Couchbesuch bei Sigmund Freund, der ihm rät: „Weg mit dem Gewissen, genießen Sie das Leben.“

Doch was er getan hat, ist nicht zu ertragen. Von Todessehnsucht getrieben, kehrt Matthäus als alter Mann nach Esslingen zurück. Hier wartet schon der Michel zum Showdown zweier Unerlöster: Matthäus gesteht, stirbt; auch Bettina scheidet dahin. Der Spuk ist vorbei. Es gibt doch eine Rettung für Mörder.

Weitere Termine: 8.–12., 14.–19., 21.–23., 29. und 30. Juli. Karten: 07 11 / 35 12 30 44.