Helga Brehme gab ihre erste Vorstellung mit Jorinde und Joringel. Foto: Steffen Honzera

1972 gründete Helga Brehme mit ihrem Mann das Theater am Faden. Ein Puppentheater, das Kinder auch nach 40 Jahren noch magisch anzieht.

S-Süd - Eine ihrer Figuren zu sein und selbst märchenhafte Abenteuer zu erleben, das will sich Helga Brehme so gar nicht vorstellen. „Ich bin die Dienerin der Figuren, letztlich nur ein Handlanger“, sagt die Gründerin des Theaters am Faden. Gleichzeitig jedoch sind all ihre Figuren ein Teil von Helga Brehme, sie hat sie schließlich selbst geschnitzt – angefangen 1966 mit der Puppe des Joringel.

Die Geschichte des jungen Mannes, der es mit einer magischen Blume schafft, den Bann einer Zauberin zu lösen und so seine liebste Jorinde zu befreien, war das erste Märchen, das Helga Brehme im Theater am Faden gespielt hat. Am 11. März 1972 bei der Eröffnung, damals noch in der Böblinger Straße. Auch nach 40 Jahren sind Jorinde und Joringel unverändert im Dienst und verzaubern immer neue Generationen.

Etwa 120-mal im Jahr lässt Helga Brehme ihre Figuren Geschichten erzählen. „Das langt uns ganz gut so“, sagt die ältere Dame. Mit uns meint sie sich, ihre Tochter und wechselnde Gastspieler. Eröffnet hat Helga Brehme das Theater gemeinsam mit ihrem Mann Karl Rettenbacher. Bis zu dessen Tod vor fünf Jahren haben beide den Spielbetrieb gemeinsam geleitet, in den Anfängen sogar bis zu drei Vorstellungen am Tag gegeben. „1972 hat es in Stuttgart nur wenig andere vergleichbare Theater gegeben“, erinnert sie sich. Da sei die Spielstätte in Heslach gefragt gewesen.

Ein spitzwinkliges Eckhaus mit Geheimgang

Ihre beiden Töchter sind im Theater in der Böblinger Straße aufgewachsen. Nicht nur deshalb fiel es Helga Brehme und Karl Rettenbacher 1989 schwer, mit ihrem Theater umzuziehen, als sie aus der Böblinger Straße ausziehen mussten. Lange hatte das Paar nach einem neuen Standort gesucht, bis ihnen die Stadt das Gebäude in der Hasenstraße angeboten hatte. Das spitzwinklige Eckhaus hat das Paar mit Hilfe von Freunden zum Theater umgebaut. Dort ist nicht nur der Vorführungssaal für kleine und große Besucher spannend. Durch einen schmalen Gang gelangt man vom Eingangsbereich zu einem Spielzimmer, in dem es ein Karussell mit alten Holzpferden gibt. An den Wänden hängen Schattenfiguren und neben dem Eingang befindet sich ein Kostümfundus, aus dem sich jedes Kind vor den Vorstellungen etwas aussuchen darf, um sich zu verkleiden.

Helga Brehme hat sich den Figuren verschrieben, weil diese für sie etwas Symbolisches haben, das dem Charakter von Märchenfiguren entspricht. „Mit Figuren lassen sich Teile des menschlichen Wesens besser zeigen als im Theater, weil die Puppen – jede für sich – für etwas stehen“, sagt sie. Dieses Abstrakte der Figuren fasziniert Helga Brehme bis heute. Unter dem Arbeitstitel „Die alte Torkel“ entwirft sie mit einem befreundeten Bildhauer gerade skulpturartige Figuren, die sich durch eine besondere Drehbewegung auszeichnen. Torkel ist die Bezeichnung für eine Weinpresse. „Über die Geschichte, die zu den Figuren passt, haben wir aber noch nicht entschieden“, sagt Brehme.

Derzeit hat sie genug mit dem Jubiläum zu tun. Das wird zwar erst im Sommer groß gefeiert, doch auch am Jahrestag am Sonntag, 11. März, gibt es Programm: Helga Brehme spielt um 16 Uhr Jorinde und Joringel. Bis zum Sommer arbeitet Brehme zudem an einem weiteren Projekt. Unweit des Theaters renoviert sie ein altes Fachwerkhaus. Dieses Haus soll für Hunderte Puppen und Schattenfiguren eine neue Heimat werden, denn im Theater haben längst nicht alle Platz. „Ich plane kein Museum“, betont Helga Brehme. Es gehe ihr darum, die Figuren der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und nicht darum, sie in ihren historischen Kontext einzuordnen.