Bei den Firmen in Deutschland läuft bisher in 2014 nicht alles rund: Der Geschäftsklimaindex ist sechsmal in Folge gesunken, jetzt steigt er erstmals. Experten geben dennoch keine Entwarnung. Foto: dpa

Die Wirtschaft kommt nicht richtig in Schwung. Die Unternehmen sind auf Unterstützung der Politik angewiesen, sagen Experten. Sie fordern Geld für die Forschung.

Die Konjunkturerwartungen

Die wirtschaftlichen Perspektiven sind mau. Anfang des Jahres gingen noch sämtliche Experten davon aus, dass 2015 ordentliches Wachstum bringt. Doch inzwischen ist Ernüchterung eingetreten. Gründe dafür sind die Ukraine-Krise und die Sanktionen gegen Russland sowie Sorgen auf klassischen Absatzmärkten der deutschen Industrie in Europa. Die Unternehmen in Frankreich und Italien haben große Probleme. Die deutsche Volkswirtschaft wird zwar wohl nicht in eine Rezession fallen, sie kommt aber auch nicht richtig vom Fleck. Die Seitwärtsbewegung geht weiter. Diese Prognose ist alarmierend: Alle wissen, nur wenn die Wirtschaft wächst, werden neue Jobs geschaffen. Und: Nur wenn die Arbeitslosigkeit weiter zurückgedrängt wird und die Steuerquellen noch kräftiger sprudeln, ist überhaupt an einen Abbau der immens hohen Staatsverschuldung zu denken. Die Koalition hat bereits reagiert. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat ein Zehn-Milliarden-Investitionsprogramm angekündigt. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) appelliert an die Unternehmen, mehr zu investieren. Was aber wollen die Schlüsselbranchen von der Politik?

Der Maschinenbau

Die Maschinenbauer sind besonders abhängig von der Weltkonjunktur. 75 Prozent der Produktion gehen in den Export. Der Chefvolkswirt vom Branchenverband VDMA, Ralph Wiechers, sagte unserer Zeitung: „Der Maschinenbau appelliert an die Bundesregierung, jetzt für eine schnellere steuerliche Abschreibung von unternehmerischen Investitionen zu sorgen.“ Der VDMA verstehe diese sogenannte degressive Afa allerdings nicht als ein vorübergehendes Instrument, um die Konjunktur anzukurbeln. „Vielmehr sollte die degressive Afa auf Dauer eingeführt werden. Sie fördert die Bereitschaft der Unternehmen zu investieren und ist somit ein wichtiges wachstumspolitisches Instrument.“ Es sorge dafür, dass die Unternehmen schnell wieder über die notwendige Liquidität verfügten, um neue Investitionen zu tätigen.

Außerdem fordert der Verband die Einführung der steuerlichen Forschungsförderung. In vielen Ländern gibt es diese Form der Forschungsförderung längst: Forschende Unternehmen bekommen dabei eine Gutschrift auf ihre Steuerschuld. Wiechers: „Die steuerliche Forschungsförderung wäre das Signal der Politik an die Unternehmen, dass der Staat Investitionen in Innovation und Forschung tatkräftig unterstützt.“ Wichtig sei aber, dass die Politik mit diesem neuen Instrument den Unternehmen keine Vorgaben mache: „Die Förderung müssen alle forschenden Unternehmen bekommen, unabhängig von der Branche und der Größe des Betriebes.“

Die Chemiebranche

Bei den Unternehmen der Chemieindustrie hat das Geschäft in der zweiten Hälfte des Jahres wieder etwas an Fahrt gewonnen. Auch die Chemie ist besonders abhängig vom Handel mit dem Ausland: 60 Prozent des Umsatzes werden im Export gemacht.

Die energieintensive Branche beobachtet aufmerksam die Energiewende und die Entwicklung der Strompreise. Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), fordert von der Koalition: „Damit der Chemiestandort wettbewerbsfähig bleibt, brauchen wir eine echte Bremse der Energiekosten, und zwar auf deutscher und auf europäischer Ebene.“ Andernfalls gehe der Mittelstand in die Knie. Außerdem fordert er die Bundesregierung auf, mehr für Innovationen zu tun. „Dringend notwendig ist auch ein Umfeld, das die Forschung und die Akzeptanz neuer Technologien stärkt.“ Deshalb sollten steuerliche Verlustvorträge für Start-ups zeitlich und in der Höhe unbeschränkt ermöglicht werden, Regelungen für Wagniskapital verbessert und eine steuerliche Forschungsförderung eingeführt werden.

Die Automobilbranche

Die deutschen Automarken schlagen sich gut auf ihren wichtigsten Absatzmärkten. Nach der Krise 2008/2009 haben sie ihre Marktanteile kräftig ausbauen können. Der Absatz der deutschen Marken in der Welt ist nirgendwo größer als in China und den USA. Die Verkäufe sind dort nach wie vor rege, so langsam kommen auch die Geschäfte in einigen Sorgenländern Südeuropas wieder in Fahrt. VDA-Präsident Matthias Wissmann fordert die Koalition auf, sich nicht so sehr auf das Verteilen von sozialen Wohltaten zu konzentrieren, sondern stärker das Wachstum in den Blick zu nehmen. Wissmann: „Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands muss wieder ins Zentrum der politischen Arbeit rücken. Angesichts hoher Energiekosten und steigender Lohnstückkosten müssen zusätzliche Belastungen der Industrie vermieden werden.“ Das Land brauche eine neue Balance zwischen Ökologie und Ökonomie. Außerdem fordert Wissmann mit Nachdruck Tempo bei den Verhandlungen über den transatlantischen Freihandel: „Als exportstarke Industrie sprechen wir uns klar für das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA aus.“

Die IT-Wirtschaft

Die Bedeutung der IT-Branche für die Volkswirtschaft wächst permanent. Die Unternehmen bauen kräftig Personal auf. Allerdings: Ein Unternehmen, das mit einer genialen Geschäftsidee in einer Garage startete und dann zu einem Weltkonzern wurde wie Facebook oder Google, das kann Deutschland bislang nicht vorweisen. Auch wenn sich Politik und Lobby noch so sehr danach sehnen. Constanze Osei, Bereichsleiterin für Wirtschafts- und Innovationspolitik beim Branchenverband Bitkom, formuliert die Forderung an die Koalition so: „Der Staat sollte vor allem in digitale Infrastrukturen investieren. Das bedeutet den zügigen Breitbandausbau und den Aufbau intelligenter Netze, etwa für Verkehr und Energie.“ Eine Fraunhofer-Studie im Auftrag des Verbandes habe ergeben, dass durch Investitionen in Intelligente Netze wie Energie und Verkehr Wachstumsimpulse bis zu 17 Milliarden Euro pro Jahr erzielt werden könnten. Außerdem müssen die Anreize durch die Politik so gesetzt werden, dass noch mehr Menschen den Mut aufbringen, ihre Ideen in Geschäftsmodelle umzusetzen. Osei: „Hierzu zählt eine Steuerpolitik, die Investitionen erleichtert und nicht bestraft.“ So etwa der Abbau steuerlicher Hürden für private Kapitalanleger und die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung. „Eine solche unbürokratische Regelung würde insbesondere den Mittelstand entlasten.“