Blick vom Max-Eyth-See auf Rebflächen Stuttgarts. Foto: dpa

Weinbergterrassen prägen das Bild Stuttgarts. Wie lange noch? Viele Flächen versteppen. Denn eine Steillage bedeutet viel Arbeit und wenig Ertrag. Die Wengerter haben sich nun zusammengetan und ein Konzept entwickelt, mit dem sie den Weinbau auf den Terrassen erhalten wollen.

Weinbergterrassen prägen das Bild Stuttgarts. Wie lange noch? Viele Flächen versteppen. Denn eine Steillage bedeutet viel Arbeit und wenig Ertrag. Ein neues Konzept soll helfen, den Weinbau auf den Terrassen zu erhalten.

Stuttgart - Die Herrschaften waren nicht nur reich, sondern auch klug. Im elften Jahrhundert begannen Adel und Klerus mit dem Weinbau im Neckartal. Natürlich schufteten sie nicht selbst, sie ließen schuften. Bauern legten Terrassen an, bauten Mauern, pflanzten Rebstöcke und lasen Trauben. Für einen Hungerlohn. Tausend Jahre später hat sich wenig geändert. Zwar gehört den Wengertern der Grund selbst, doch sie malochen wie die Altvorderen – und für einen Hungerlohn. Für Maschinen ist es zu steil, hier wird nach alter Väter Sitte geschafft: zu Fuß und mit dem Butten auf dem Rücken. Kein Wunder, dass die Alten nicht mehr können und die Jungen nicht mehr wollen. Viele Flächen versteppen. Damit in Stuttgart nicht auch bald Gestrüpp statt Trauben wächst, haben sich die Wengerter zusammengesetzt und ein Konzept entworfen. Ein Überblick.

Steillagen: Stuttgart ist mit über 400 Hektar Anbaufläche die deutsche Großstadt mit den meisten Rebflächen. Knapp ein Fünftel davon, etwa 75 Hektar, sind Steillagen. Dort wachsen die Reben auf einem Hang, der mehr als 30 Prozent Steigung aufweist. Ein großer Teil davon sind terrassierte Steillagen. Das heißt, Trockenmauern teilen den Berg in Terrassen. Auf diesen schmalen ebenen Flächen werden die Rebstöcke gepflanzt.

Die Weingärtner: Für die Pflege der Rebstöcke auf den Terrassen fallen 1500 Arbeitsstunden an, in flachen Lagen braucht man 500 Stunden. Also müsste der Wein aus Steillagen deutlich mehr kosten. „Doch das gibt der Markt nicht her“, sagt Fritz Raith, Wengerter aus Mühlhausen. Die Folge? „Wir haben große Probleme, Steillagen zu verpachten“, sagt Thomas Zerweck, Geschäftsführer und Kellermeister der Weingärtner Bad Cannstatt. Die Genossen werden älter, geben ihre Flächen auf, „die Erben wollen sich die Plackerei nicht antun.“ Um die Flächen für den Betrieb zu erhalten, erlaube man deshalb, in den Steillagen 185 Kilo zu ernten statt wie sonst 140 Kilo. Das steigert den Erlös, da je Kilo ausbezahlt wird, allerdings leidet die Qualität. „Eigentlich müsste man gerade in den Terrassen weniger ernten, um Premiumweine zu machen.“ Dies würde für einen Wengerter im Cannstatter Zuckerle oberhalb des Neckar bedeuten: Er müsste neue Rebstöcke pflanzen. Denn bis zu 70 Prozent der Weinberge sind mit Trollinger bestückt. „Davon müssen wir runterkommen.“ Und Lemberger, Cabernet, Spätburgunder pflanzen. Doch das kostet richtig viel Geld. Das städtische Weingut rechnet mit 180 000 Euro je Hektar bei Neupflanzungen in Steillagen. Eine Investition, die sich niemals auszahlt. Das führt dazu, „dass man mittlerweile Geld bringen muss“, sagt Zerweck, „damit jemand eine Steillage bewirtschaftet.

Die Mauern: Ständig drücken die Hänge gegen die Mauern, sie wollen sich nicht bändigen lassen. 51 Wengerter haben nun die Mauern begutachtet und festgestellt, dass 4140 Quadratmeter saniert werden müssen. Die dringendsten Reparaturen kosten 762 000 Euro. Mache man dies nicht, drohten Hänge abzurutschen, sagt Raith. Er repariert seine Mauern selbst, „mit drei Mann schaffen wir in einer Woche sechs Quadratmeter“.

Das Geld: Raith: „Das Land bezuschusst Weinberge in Steillagen mit 350 Euro pro Hektar und Jahr.“ Zudem gibt es einen Zuschuss aus dem städtischen Naturschutzfonds, der beträgt 150 Euro pro Quadratmeter. Die Reparatur kostet aber zwischen 300 und 600 Euro je Quadratmeter. Nun hat der Gemeinderat im Dezember 600 000 Euro je Jahr für den Erhalt der Mauerweinberge beschlossen. Wie das Geld verwendet wird, darum wird momentan gerungen.

Das Konzept: Der Vorschlag der Wengerter lautet, einen Verein zu gründen, der den Erhalt der Terrassen zum Ziel hat. Dieser Verein soll das Geld der Stadt bekommen, eine Bauhütte gründen und betreiben. Dort soll ein Trupp aus Feldmaurern und Steinmetzen angestellt sein, die allen Wengertern zur Verfügung stehen. Raith: „Wir wollen nicht auf Staatskosten leben, mit dem Geld sollen nur die Mauern gerichtet werden.“ Denn der Erhalt der Kulturlandschaft sei Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Die Stadt arbeitet gerade an einem eigenen Konzept, das am Dienstag bei einem Treffen vorgestellt werden soll. Offenbar sollen die Fördergelder erhöht werden. Finanzbürgermeister Michael Föll: „Aber ich habe auch Sympathie für den Vorschlag der Wengerter.“ Man müsse nun schauen, wie sich die Konzepte ergänzen und umsetzen ließen.