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Auf dem Podium verspricht Bürgermeister Schairer Besuchern, in Einzelfällen nachzubessern.

Stuttgart - Die neuen Parkregeln im Stuttgarter Westen beschäftigen die Anwohner und spalten die Gemüter. Bei der Podiumsdiskussion der Stuttgarter Nachrichten versprachen Vertreter der Stadt, an manchen Problemstellen nachzubessern.

Trotz besten Biergartenwetters sind am Freitagabend gut 150 Interessierte, meist Anwohner aus dem Stuttgarter Westen, zur Podiumsdiskussion "Mittendrin - Parken im Westen" der Stuttgarter Nachrichten ins Bürgerzentrum West gekommen.

Die Podiumsgäste, Ordnungsbürgermeister Martin Schairer, Bezirksvorsteher Reinhard Möhrle und Professor Markus Friedrich vom Institut für Verkehrswesen der Universität Stuttgart, versprachen, dass sie sich der wichtigsten Probleme, die von den Bürgern angesprochen worden waren, annehmen würden. Jörg Hamann, Ressortleiter Lokales und die Region Stuttgart, der zusammen mit seinem Stellvertreter Michael Weier die Diskussion moderierte, sagte zu, dass die Stuttgarter Nachrichten an diesen Themen dranbleiben werden.

Im Hajek-Saal befragten Hamann und Weier die Podiumsgäste zu den neuen Parkregeln, die seit 1. März in Stuttgart-West gelten. Im Anschluss ging der Ressortchef ins Publikum, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, Schairer, Möhrle und Friedrich Fragen zu stellen. Dabei zeigte sich, dass es viele Sonderfälle gibt, die jedoch meist viele Menschen betreffen:

Lage tagsüber besser als nachts: Anhand einiger erster Auswertungen stellte Verkehrsexperte Friedrich dar, dass sich besonders tagsüber die Parkplatzsituation wesentlich verbessert habe, seit die neue Regelung eingeführt wurde. Nachts gäbe es hingegen noch erheblichen Nachbesserungsbedarf. "Wir haben von Anfang an die Gelder, die wir über das Parkraummanagement reinbekommen, für den Bau von Parkhäusern eingeplant", so Ordnungsbürgermeister Schairer. Schließlich stehen rund 10000 Parkplätze etwa 12000 ausgegebenen Parkausweisen gegenüber.

Gewerbetreibende stehen vor Problemen: Zwei Geschäftsmänner, die im dichtbesiedelsten Gebiet Deutschlands ihr Gewerbe betreiben, machten deutlich, dass das neue Parkraummanagement für Gewerbetreibende gravierende Probleme aufwerfen kann. Ein Bäcker stellte dar, dass drei seiner vier angestellten Bäcker von außerhalb kommen und zum Dienstbeginn um zwei Uhr nachts nicht mit dem öffentlichen Nahverkehr anreisen können. Einen Parkausweis bekommen sie aber auch nicht. "Meine Angestellten müssten dann bis Dienstschluss drei Euro am Tag zahlen, das geht nicht", sagte der Bäcker. Friedrich riet, dass der Gewerbetreibende diese Gebühr übernehmen solle. "Sehen Sie das als Betriebskosten, die Sie auch auf den Preis für Ihre Brezeln draufschlagen können", sagte er. Mit dem Vorschlag stieß er auf wenig Verständnis im Publikum.

Der Betreiber einer Kfz-Werkstatt im Stuttgarter Westen, der nur über privaten Stellraum verfügt, parkte die Autos seiner Kunden fast 30 Jahre lang auf der Straße vor seinem Geschäft. Das geht jetzt nicht mehr ohne Bezahlung. "Ich kann aber nicht für zehn Autos täglich sechs Euro bezahlen, damit diese dort den ganzen Tag stehen dürfen - wenn Sie mir keine Sondergenehmigungen ausgeben, für die ich auch gern zahlen will, ruinieren Sie mich", sagte der Mechaniker zu Bezirksvorsteher Möhrle. Friedrich merkte an, dass der Mann kein Anrecht darauf habe, für seine Geschäfte öffentlichen Raum zu beanspruchen.

Die nachbarn sollen einander beobachten

Parkzonengrenzen sind fraglich: Aus vielen Fragen wurde Unzufriedenheit mit der Einteilung der acht Parkzonen im Westen deutlich. "Mein Gebiet ist nachts immer zugeparkt, in dem nebenan aber gibt es genug Parkplätze", lautete eine Kritik. Ein Besucher regte an, einen teureren Ausweis einzuführen, der das Parken in zwei Gebieten gestatte. Ein anderer wollte seinen Parkausweis tauschen. Beides jedoch sei aus rechtlichen Gründen nicht zulässig, so Schairer.

Parkzone W5 braucht Sonderlösung: Das Gebiet W5 rund um die Reinsburgstraße ist besonders dicht besiedelt. Dort ist die Parkplatznot nach wie vor groß. "Wir wollten eigentlich W5 und W6 zusammenlegen", so Friedrich. Das sei gesetzlich aber nicht erlaubt, da eine Zone nur einen Kilometer breit sein dürfe. In München sei durch alle Instanzen erfolglos dagegen geklagt worden. "Wir überprüfen aber generell, ob man die Gebietsgrenzen nachbessern kann", versprach Schairer. Zudem sollen in W5 etwa 40 bis 80 Parkplätze geschaffen werden.

Nicht-Westler weichen in Randgebiete aus: Ein Besucher, der am Rand des Stuttgarter Westens wohnt, hatte früher nie ein Problem, einen Parkplatz zu finden. "Seit das Parkplatzmanagement eingeführt wurde, geht aber gar nichts mehr", sagte er. Möhrle bestätigte, dass viele Nicht-Westler in den Randgebieten ihr Auto abstellen, um dann mit dem öffentlichen Nahverkehr weiterzufahren. "Da muss eine Lösung her."

Nachbarn kontrollieren einander: Einige Besucher prangerten an, dass auch Autos mit einem ortsfremden Kennzeichen einen grünen Anwohnerausweis hinter der Windschutzscheibe ausliegen haben. "Die sollte man zwingen, ihr Auto in Stuttgart anzumelden", sagte ein Mann aus dem Publikum. "Das geht nicht, sie müssen aber ihren Erstwohnsitz im Stuttgarter Westen haben und hier ihre Steuer zahlen", erklärte Schairer.

Dass die Anwohner ihre Nachbarn genau beobachten, ist dem Ordnungsbürgermeister aber durchaus recht: " Anwohner mit einem privaten Stellplatz haben kein Anrecht auf einen Parkausweis", so Schairer. Überprüfen lasse sich das vonseiten der Stadt zwar nur schwer. "Aber die Nachbarn werden gewiss ein wachsames Auge haben."

Besucher bekommen keinen Ausweis: Eine Dame schilderte die Probleme, die für sie entstehen, weil es keine Parkausweise für Besucher gibt. Ihr Mann lebe in Italien, er komme aber monatsweise nach Stuttgart. "Wir können nicht einen Monat lang täglich sechs Euro zahlen", so die Frau. Möhrle sagte, dass die Überlegung, einen solchen Besucherausweis einzuführen, von Anfang an überlegt worden sei. "Aber wir müssen abwarten, ob wir uns das leisten können."

Versorgung älterer Menschen ist erschwert: Ein Taxifahrer, der im Bereich W5 wohnt, muss seine Mutter versorgen, die in W7 lebt. "Für W7 bekomme ich aber keinen Parkausweis", sagte er. "Sie können doch zu Ihrer Mutter laufen", so Schairer. Das gehe nicht, wenn man Getränkekisten und Lebensmittel zu Menschen bringen wolle, die nicht mehr so mobil seien, erwiderte der Taxifahrer.

Verkehrssicherheit wird beeinträchtigt: Eine Besucherin, die in der Reinsburgstraße wohnt, lobte zwar einerseits die dort neu eingeführten Querparkplätze, da nun zumindest niemand mehr auf dem Bürgersteig parken könne. Andererseits sei durch die neue Parkplatzsituation die Straße deutlich schmäler geworden, weshalb die Unfallgefahr gestiegen sei, besonders durch die nun rückwärts ausparkenden Autos und die mit oft mehr als den erlaubten 40 Stundenkilometern herankommenden Verkehrsteilnehmer. Sie forderte eine Tempo-30-Zone.