Viel Glitter und großer Jubel Abend für Abend auf dem Wasen: Am Sonntag verabschiedet sich der Weltweihnachtscircus mit einem Besucherrekord aus Stuttgart. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der Weltweihnachtscircus auf dem Wasen unterstreicht seinen Ruf als größtes und wichtigstes Zirkusfestival in Deutschland mit einem neuen Besucherrekord. Am Sonntag verabschiedet sich die artistische Topelite von Stuttgart.

Wenn sich die akrobatische und clowneske Weltklasse in Stuttgart trifft und das begeisterte Publikum mitreißt, ist selbst der Jubel weltrekordverdächtig. Denn ein Zirkushit jagt den nächsten, eine Sensation löst die nächste ab. Die Begeisterungsstürme im Zelt sind so gewaltig, dass es Henk van der Meijden, den Gründer des Weltweihnachtscircus, mitunter vorkommt, als sei er in einem Fußball-Finale.

Würde es für die Zirkuskunst eine Champions League geben – Stuttgart wäre drin! Vor 29 Jahren ist der heute 86-jährige Niederländer auf dem Wasen mit der verwegenen Idee gestartet, zur Weihnachtszeit die Besten der Besten zu präsentieren. Seitdem wächst von Jahr zu Jahr das Staunen: Wenn man denkt, es ist keine Steigerung mehr möglich, weil alles schon so unglaublich gut gewesen ist, legt der Weltweihnachtscircus noch eine Schippe drauf – so auch in der Saison 2023/2024, die am Sonntag nach emotional höchst aufwühlenden Wochen mit einem neuen Rekord endet.

Vor Corona sind zum großen Familienfest unterm Chapiteau in vier Wochen meist etwa 100 000 Besucherinnen und Besucher gekommen. Seine erste Spielzeit als neuer Zirkuschef von Stuttgart kann nun Dalien Cohen, der 26-jährige Schwiegersohn von Henk van der Meijden, mit über 120 000 Gästen abschließen – diese Zahl ergibt sich aus dem Stand des Vorverkaufs vor dem Abschied. Da man noch Karten für die 12-Uhr-Vorstellung am Sonntag, für den letzten Tag des 29. Programms, an der Tageskasse kaufen kann, könnten es noch mehr werden.

Cohen, Sohn eines Israelis und einer Niederländerin, hat als Gastronom in seinem Restaurant in Amsterdam Elisa van der Meijden, die Tochter des Zirkusgründers, kennengelernt – und auch später deren Vater mit seinem Fleiß und seiner Disziplin überzeugt. Jetzt blickt der 26-Jährige auf harte, aber doch erfüllende Wochen in Stuttgart zurück. Als Produktionschef war er von früh bis spät im Zelt – als Ansprechpartner für alle, für die Artisten ebenso wie für die Lieferanten der Zirkusbewirtung oder die Requisiteure. Es macht ihm großen Spaß. „Henk und ich sprechen dieselbe Sprache“, sagt er. Die Ansprüche sind hoch, alles immer noch besser zu machen. Van der Meijden hat seine Tochter ebenfalls zur Geschäftsführerin seines Unternehmens Stardust International gemacht.

Der Schwiegervater sieht sein Lebenswerk in guten Händen. Er schätzt die Ruhe des jungen Chefs, der selbst in der größten Hektik diese nicht verliere. Künftig will der Zirkusgründer „nur noch aus der zweiten Reihe“ mitwirken und die Jungen machen lassen. Der Rat des 86-Jährigen, der eine Legende der Entertainment-Branche ist, bleibt gefragt. „Wir telefonieren täglich mindestens zweimal miteinander“, sagt Dalien Cohen. Zum Glück gab es diesmal keinen Sturz vom Hochseil, auch die Erkrankungen der Künstler hielten sich in Grenzen.

Freikarten an den Verein Stille Not

Erneut ging der Erlös der Premiere – aufgerundet sind es 33 333,33 Euro – an die Olgäle-Stiftung. Außerdem hat der Zirkus 200 Freikarten dem Verein Stille Not von OB-Gattin Gudrun Nopper geschenkt. So hatten Kinder aus sozialen schwachen Familien einen schönen Zirkusnachmittag.

An Silvester hat der Seniorchef noch in Stuttgart gefeiert, ist dann mit seiner Frau Monica Strotmann sowie mit seiner Tochter und den beiden Enkeln zurück nach Holland gereist. Die gesamte Familie wird im Anschluss in Monte Carlo sein. Zum dortigen Zirkusfestival mit der Verleihung der wichtigsten Branchenpreise sind zwei Protagonisten eingeladen, die mit ihren Nummern in Stuttgart ihre Europapremiere gefeiert haben: die italienischen Kolev-Sisters und die Chinesin Wang Mengchen.

In der nächsten Saison wird der 30. Geburtstag gefeiert

Auch wenn man’s kaum für möglich hält: In der nächsten Wasen-Saison (der Kartenvorverkauf startet nach Ostern) soll es in Stuttgart erneut eine Steigerung geben – dann wird der 30. Geburtstag des Weltweihnachtscircus gefeiert. „Das Programm steht“, sagt van der Meijden und verrät nur so viel: „Darauf bin ich sehr stolz!“ Sein Ziel ist es, dass Stuttgart den Vorsprung als deutsche Zirkushauptstadt weiter ausbaut. Die Zukunft in der Manege sieht er „in noch mehr Emotionen“.

Die Zahl der Logenplätze wird erhöht

Zum Jubiläum wird die Anordnung der Plätze neu gestaltet. Der Zugang ins Zelt soll so erfolgen, dass die verspätet erscheinenden Besucher nicht mehr die anderen stören. Obendrein wird die Zahl der Sitzplätze von bisher 2380 um weitere 120 Logenplätze mit bester Sicht erhöht.

Wenn er nach dem Stress endlich ausspannen kann, will Dalien Cohen seine Elisa heiraten – bisher sind sie verlobt. In den Wochen auf dem Wasen hat er wegen der vielen Arbeit kaum was von Stuttgart gesehen. Mit seinen Kinder ging’s einmal zur immersiven Ausstellung „Tutanchamun“ in die Schleyerhalle, wo sein Name als Mitproduzent auf einer Tafel steht. Der dreijährige Sohn sah dort im 360-Grad-Kino, wie der Kindspharao von der Leinwand ins Publikum hinein zu laufen scheint. Der Kommentar des Juniors: „Das ist ein Trick. Der Zirkus ist echt.“ Das Echte begeistert also auch die dritte Generation. Wie schön: Die Zukunft des Weltweihnachtscircus scheint auf lange Zeit gesichert.