Muslime beten in Stuttgart – nun wird nach einem Bauplatz für eine repräsentative Moschee in Zentrumsnähe gesucht Foto: dpa

Gebetsräume der Stuttgarter Muslime liegen meist in Rand- und Gewerbegebieten. Das soll sich ändern: Es gibt Gespräche mit der Stadt zur ersten repräsentativen Moschee im Zentrum.

Stuttgart - 60 000 bis 70 000 Muslime leben nach Schätzungen des Statistischen Amts in Stuttgart. Rund zehn Prozent der Einwohner sind demnach muslimisch. Die Lage der etwa 35 Gebetsräume spiegelt dieses Gewicht nicht wider: Meist in früheren Gewerbegebäuden am Rande von Bezirken sind sie von außen selten als Moscheen erkennbar. „Das vermittelt den Eindruck, dass wir Außenseiter sind“, sagt Ali Ipek, Landeskoordinator der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) Stuttgart. „Mit einer schönen Moschee im Zentrum wollen wir ein Zeichen setzen, dass wir in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind“, ergänzt Erdinc Altuntas, der Ditib-Landesvorsitzende. Ditib ist einer von vier muslimischen Verbänden auf Landesebene.

Gari Pavkovic, Leiter der Abteilung Integration der Stadt, bestätigt auf Anfrage, dass es 2014 mehrere Gespräche mit muslimischen Gemeinden zu einer großen Moschee in Zentrumsnähe gab. Laut Ditib stehen fünf Standorte zur Diskussion. Zunächst seien mehrere muslimische Verbände beteiligt gewesen. Mittlerweile sei aber klar, dass nur Ditib die finanziellen Mittel aufbringen könne, sagt Ipek. Gebaut werden könne wohl erst in sechs bis acht Jahren, doch die Stadt sei sehr hilfsbereit, „und dafür sind wir dankbar“.

„In unserer kosmopolitischen Stadt wäre es zu begrüßen, wenn es neben den Kirchen und der Synagoge auch eine repräsentative Moschee gäbe“, sagt Pavkovic. Die Stadt favorisiere dafür einen zeitgenössischen Baustil wie etwa bei der Ditib-Moschee in Heilbronn.

Die Moschee in Stuttgart soll auch Seelsorge und Bildung Platz bieten, sagt Ipek: „Wir wollen uns intensiv mit der Bevölkerung über das Projekt austauschen.“ Eine große Ditib-Moschee dürfe keine Konkurrenz für andere muslimische Verbände sein.

Der Islam ist auch in Stuttgart sehr vielfältig und in mindestens 35 Vereinen organisiert. Schätzungen zufolge gibt es 80 Prozent Sunniten, 15 Prozent Aleviten und fünf Prozent Schiiten. Die allermeisten verurteilen die jüngsten islamistischen Terroranschläge in Frankreich scharf: „Der Islam erlaubt es nicht, unschuldige Menschen zu töten. Muslime sind nicht auf die Welt gekommen, um zu töten, sondern um zu helfen“, sagt beispielsweise Ahmadzai Padshah vom Afghanischen Kulturverein. Eine kleine Auswahl an islamischen Vereinen in Stuttgart:

Afghanischer Kulturverein, Bilal-Moschee: Der Verein existiert seit 16 Jahren, die rund 80 Mitglieder sind meist Sunniten. Jedes Wochenende besuchen rund 40 Kinder hier den Koranunterricht. Mitglied Ahmadzai Padshah lebt seit gut 30 Jahren in Stuttgart. „In dieser Zeit ist die Stadt immer offener für Muslime geworden“, sagt der 56-jährige Familienvater. „Früher haben mich die Leute auf der Straße manchmal komisch angeguckt. Aber jetzt sagen selbst Fremde auf der Straße guten Tag.“

Al Maghreb Kulturverein, Al-Umma Moschee: Die Al-Umma Moschee ist Treffpunkt für Familien mit meist marokkanischen Wurzeln. „Aber auch Bosnier und Kroaten kommen zum Gebet“, sagt Schriftführer Khalid Abarriche. Der Verein zählt 65 Mitglieder, mehrheitlich Sunniten. „Wir sind offen für alle. Der Imam ist immer in der Moschee und beantwortet alle Fragen.“ Besonders zur Ehe zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen: „Zum Beispiel, wenn der Mann zum Ramadan fastet und die Frau wissen will, wie sie ihn da unterstützen soll.“ Dann gibt es in der Moschee jeden Abend zum Fastenbrechen kostenlos Essen. Muslime und Obdachlose, die das Angebot nutzen, würden dann oft gemeinsam essen.

Islamischer Verein für Kosovo-Albaner: Der sunnitische Verein hat rund 140 Mitglieder. Wie in einigen anderen Verbänden besteht die wöchentliche Routine im Islamischen Verein für Kosovo-Albaner keineswegs nur aus Beten. Bis zur Unabhängigkeit des Kosovo im Jahr 2010 hat ein Vereinslehrer jeden Samstag rund 30 Kinder über die Geschichte und Sprache des Kosovo unterrichtet. Seit 2010 finde dieser Unterricht in Zusammenarbeit mit dem kosovarischen Konsulat an einigen staatlichen Schulen statt, sagt Vorstand Baki Mostafi. Der Islam werde von Albanern tendenziell nicht so streng gesehen wie in arabischen Ländern: „Wir sind gute Muslime, aber meine Frau trägt kein Kopftuch. Kopftuch ist nicht alles im Islam.“

DITIB-Moschee: Die Moschee in Feuerbach verfügt über den größten Gebetsraum. Er bietet Platz für mehr als 2000 Menschen. Zusätzlich hat die Moschee zwei Veranstaltungsräume und einen Innenhof, wo zusätzlich rund 1300 Personen beim Gebet Platz finden. Raum, der laut DITIB-Landeskoordinator Ali Ipek besonders in den Schulferien dringend benötigt wird: „Letztes Jahr am Karfreitag sind wir aus allen Nähten geplatzt. Dann fing es mitten im Gebet an zu regnen. Es ist Pflicht, das Gebet zu beenden. Deshalb sind die Leute im Innenhof ganz schön nass geworden.“ Die Besucher der DITIB-Moschee haben hauptsächlich türkische Wurzeln. Die Unterschiede zwischen Schiiten und Sunniten in Stuttgart seien nicht so groß wie es angesichts der Auseinandersetzungen im Nahen Osten scheine.

DITIB sei zwar sunnitisch ausgerichtet, „aber auch Schiiten kommen zu uns zum Freitagsgebet“, sagt Ipek. Islamisches Zentrum Stuttgart: Die Besucher der Moschee in der Waiblinger Straße stammen aus mehr als 20 Ländern der arabischen Halbinsel sowie aus Nord- und Westafrika, sagt Vorsitzender Abdelmoneim El Damaty. Auch aus der Türkei kämen einige zum Gebet. Nach Angaben von El Dalmaty besuchen sowohl Sunniten als auch Schiiten das Zentrum. Am Wochenende gebe es gelegentlich Sprachunterricht für Kinder, aber keinen Koranunterricht. Insgesamt hat das Zentrum rund 60 offizielle Mitglieder, aber zum Freitagsgebet kommen bis zu 300 Gläubige.

Landesverband der Islamischen Kulturzentren Baden-Württemberg (VIKZ): Der mehrheitlich sunnitische Verband ist neben DITIB ein weiterer muslimischer Verband auf Landesebene. Gegründet wurde er 1968. Dem Landesverband sind rund 40 selbstständige Moschee- und Bildungsvereine angeschlossen. In Stuttgart gibt es zwei Standorte, an denen zum Freitagsgebet laut Verbandssprecher Yavuz Kazanc jede Woche etwa 260 Muslime zusammenkommen. Der Verein nimmt regelmäßig an der Langen Nacht der Museen in Stuttgart teil. „Im ersten Jahr, in dem wir mit dabei waren, hatten wir am Standort Friedrichstraße rund 3500 Besucher“, sagt Kazanc. „Wir versuchen, immer offen zu sein und wollen viel Austausch mit der Bevölkerung haben. Dennoch haben so viele Menschen immer noch Angst vor Muslimen. Das bedaure ich sehr.“

Bangladesch Islamisches Zentrum Bangladesch Moschee: Das Zentrum hat rund 60 Mitglieder, sowohl Sunniten als auch Schiiten. Der Verein sei sehr international, sagt Vereinsmitglied Mahamed Hassan: „Zu uns kommen nicht nur Menschen aus Bangladesch zum Beten. Die Leute stammen auch aus arabischen Ländern, Pakistan, Afghanistan, Tunesien und Lybien.“ Das Zentrum hat derzeit keinen festen Imam, weshalb der Koranunterricht für Kinder am Wochenende zwischenzeitlich nicht angeboten werden konnte. Seit rund einem Monat jedoch habe sich wieder ein Lehrer für den Unterricht gefunden, sagt Hassan. Ein befreundeter Imam leite die Gebete in der Moschee. Sei der nicht da, müsse improvisiert werden: „Dann leitet ein anderes Vereinsmitglied das Gebet“, sagt Hassan – und zur Not springe er selbst ein. Wie in den meisten anderen Vereinen kommen zum Freitagsgebet erheblich mehr Menschen als nur die offiziellen Mitglieder in das Zentrum. Beim Gebet am gestrigen Freitag seien es rund 160 Menschen gewesen, sagt Hassan.

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