Hakan Nesser Foto: dpa

Der schwedische Krimiautor Hakan Nesser hat die Stuttgarter Kriminächte eröffnet. Mit seinem aktuellen Buch „Himmel über London“ hat er sein angestammtes Genre verlassen.

Der schwedische Krimiautor Hakan Nesser hat die Stuttgarter Kriminächte eröffnet. Mit seinem aktuellen Buch „Himmel über London“ hat er sein angestammtes Genre verlassen.

Stuttgart - Herr Nesser, Sie haben die Stuttgarter Kriminächte eröffnet mit der Lesung aus Ihrem aktuellen Buch „Himmel über London“. Welche Überlegungen führten zum Schreiben dieses Buchs?
Die Grundidee war, dass ich eine Geschichte schreiben wollte, die in London spielt, denn ich habe ja einige Jahre in London gelebt. Ich habe auch in New York gelebt, wo ich mich zu Geschichten inspirieren ließ. Als Nächstes will ich ein Buch über Berlin schreiben. Das war also ganz am Anfang die Idee: Je eine Geschichte schreiben, die in den drei Großstädten London, New York und Berlin spielen. Sonst gibt es keine Verbindungen zwischen diesen. Es sollten Geschichten sein, die verschiedene Genres wie Spionage- oder Liebesliteratur bedienen. Und es sollten Geschichten sein, die von früheren Jahren bis in die Gegenwart reichen.
Viele Leser irritiert das, sie erwarten einen Krimi von Ihnen. Wie gehen Sie damit um?
Wer hier einen klassischen Krimi erwartet, der ist verloren in London. Es ist richtig, die zehn Bücher mit Kommissar van Veeteren sind klassische Krimis, auch die fünf mit Inspektor Barbarotti sind Krimis, allerdings mit dem Bemühen, dieses Genre zu verlassen. Und es gibt zehn Bücher von mir, die keine Krimis sind. Ich will nicht nur als Krimiautor wahrgenommen werden. Ich erlaube mir, auch anderes zu schreiben. Generell will ich gute Geschichten schreiben, die auch mir selbst beim Lesen Freude bereiten.
Wie ist das Verhältnis zwischen biografischen und fiktionalen Elementen in den Städtebüchern?
Im Falle von London sind die Plätze und die Topografie exakt wiedergegeben, die Geschichte ist rein fiktional. Ähnlich ist es auch bei den anderen beiden Büchern.Wenn ich das Berlin-Buch schreibe, will ich auch nach Möglichkeit dort leben. Das wird voraussichtlich von April an der Fall sein. Die Stadt kenne ich schon etwas durch Recherchen.
Und beginnt der Titel dann auch mit „Himmel über . . .“?
Nein, der Titel „Himmel über Berlin“ ist ja schon vergeben. Den beansprucht Wim Wenders für sich und seinen Film, und das ist auch gut so. Der Arbeitstitel lautet „13 Tage in Berlin“.
Wenn Sie auf Lesereise gehen, wissen Sie da schon im Voraus, welche Passagen Sie vorstellen werden?
Ja, ich habe ja jetzt schon einige Lesungen in Deutschland hinter mir, die habe ich immer mit dem Schauspieler und „Tatort“-Kommissar Dietmar Bär gemacht, der in Stuttgart leider nicht dabei sein konnte.
Wie erklären Sie sich den anhaltenden Erfolg schwedischer Krimis in Deutschland?
Das müssen nicht die Schweden, sondern die Deutschen beantworten. Denn der schwedische Krimiboom hat Anfang der 1990er Jahre in Deutschland begonnen. Offensichtlich sind sie eben sehr gut geschrieben, sonst würden sich nicht so viele Leser dafür interessieren. Dann gibt es noch das Marktphänomen, dass es immer wieder Phasen gibt, in denen sich ein Großteil der Leser für einen bestimmten Literaturtyp interessiert. Im Falle Schweden wäre das eigentlich so um das Jahr 2006 herum vorbei gewesen, doch dann kamen Autoren wie Stig Larson oder die Mankell-Verfilmungen mit Kenneth Branagh.
Ist diese Schweden-Popularität ein rein deutsches Phänomen?
Nein, schwedische Krimis sind heute weltweit sehr beliebt. Aber die Deutschen haben schon besonders viel schwedisches Blut in sich. Astrid Lindgren kennt hier jeder mit Pippi Langstrumpf und deren Welt, in Schweden ist das weitaus nicht so bekannt, noch weniger in England.
Henning Mankell beantwortete die Frage nach der Popularität schwedischer Krimis mit dem Hinweis, dass in diesen das Sehnen nach einer früheren Zeit durchscheint, in der vermeintlich alles noch besser war.
Das ist ein weiterer Teil der Antwort. Mankell sieht das eben so, weil er ein sehr politisch und sozialkritisch denkender Autor ist. Aber wenn man auf die schwedische Autorenszene schaut, bemerkt man sehr viele Unterschiede. Das einzige Gemeinsame ist, dass wir auf Schwedisch schreiben.