Kühlergrill eines Daimler-Geländewagens – Diesel ist der Antrieb der Wahl Foto: dpa

Die deutsche Automobilindustrie steckt in der Zwickmühle. Durch den VW-Abgasskandal ist der Dieselantrieb in Verruf geraten. Gleichzeitig ist er unverzichtbar, um EU-Vorgaben zum Verbrauch umzusetzen.

Stuttgart - Mit Milliardenaufwand will Daimler den Diesel fit für die Zukunft machen. Man investiere insgesamt 2,6 Milliarden Euro in die Entwicklung und Produktionsumstellung einer neuen Familie von Dieselmotoren, sagte der Chef der Daimler-Motorenentwicklung, Bernhard Heil, am Donnerstag in Stuttgart.

„Dieselmotoren sind in Sachen Effizienz ungeschlagen“, sagte Heil. Es gebe keinen anderen Verbrennungsmotor, der beim Kohlendioxidausstoß mit dem Diesel mithalten könne. Allein in die Entwicklung der neuen Motorengeneration, die im März in der neuen E-Klasse ihre Premiere feiern wird, hat der Autobauer daher 1,1 Milliarden Euro gesteckt. Nach und nach soll der Motor in unterschiedlichen Varianten in allen PKW-Modellen – von der A- bis zur S-Klasse eingesetzt werden und dort den in die Jahre gekommenen Vorgänger ablösen. Für den ersten neuen Antrieb – einen Vierzylindermotor – verspricht Daimler rund 15 Prozent weniger Spritverbrauch sowie einen um 80 Prozent gesenkten Stickoxid-Ausstoß. Damit erreiche man neue, für das Jahr 2017 geplante Emissionsstandards, hieß es. Diese fußen nicht mehr auf reinen Laborprüfungen, sondern auch auf realen Fahrtests.

Deutsche Umwelthilfe nimmt Motoren unter die Lupe

Gerade mit seinen Dieselmotoren war Daimler, aber auch zahlreiche andere Hersteller, in den vergangenen Monaten in die Kritik geraten. Wegen bis zu 28-facher Überschreitung von Stickoxid-Grenzwerten hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Anfang Februar beim Kraftfahrt-Bundesamt den Entzug der Typgenehmigung für ein dieselbetriebenes C-Klasse-Modell beantragt. Daimler monierte eine falsche Interpretation der Messergebnisse und betonte, sich regelkonform zu verhalten. Auch anderen Herstellern, etwa Fiat, hatte die Umweltschutzorganisation Überschreitungen der Stickoxidgrenzen vorgeworfen.

Der Diesel-Abgas-Skandal kam im Herbst vergangenen Jahres ins Rollen, nachdem dem Volkswagen-Konzern in den USA Manipulationen bei Abgassoftware nachgewiesen werden konnte. Volkswagen hat die Vorwürfe mittlerweile eingeräumt.

Die Affäre um zu hohe Abgas-Werte und deren bewusste Verschleierung bei VW trifft die Automobilbranche zu einem besonders sensiblen Zeitpunkt. Ab 2017 wird die EU die Abgasgrenzen für neue Automodelle Schritt für Schritt verschärfen und dafür auch neue, realistischere Prüfungen vorschreiben. Das setzt besonders den Dieselantrieb unter Druck, weil bei der Verbrennung hier besonders viel giftiges Stickoxid ausgestoßen wird.

Parallel dazu verschärft die EU die Vorschriften zum Spritverbrauch und zu den damit zusammenhängenden CO2-Emissionen aus Klima- und Umweltgründen seit einigen Jahren massiv. Bis 2020 dürfen neue Fahrzeuge in Europa im Schnitt nur noch 95 Gramm des Treibhausgases pro Kilometer ausstoßen. Von dieser Zielmarke sind die Hersteller bislang noch weit entfernt.

Diesel sind verbrauchsarm, aber stoßen viel Schadstoffe aus

Um die neuen Verbrauchs- und CO2-Zielmarken zu erreichen, ist der Dieselmotor allerdings zentral, weil er Kraftstoff viel effizienter und damit spritsparender als etwa Ottomotoren verbrennt. „Der Diesel hat Nachteile bei den Schadstoffemissionen, aber Vorteile beim Kraftstoffverbrauch“, fasst Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, das Dilemma für die Autobauer zusammen.

Deutsche Hersteller sind dabei in einer besonders heiklen Position. Sie verkaufen überdurchschnittlich viele große und schwere Limousinen, was es für sie deutlich anspruchsvoller macht, die strengen EU-Verbrauchsvorschriften einzuhalten. Anbietern von Kleinwagen fällt das deutlich leichter.

Um diesen Nachteil auszugleichen, haben Mercedes-Benz, BMW, Audi und Co. in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel stärker als andere Autofirmen auf die verbrauchsarmen Dieselmotoren gesetzt. Ohne Diesel, das gibt die Branche unumwunden zu, seien die EU-Vorgaben zum Spritverbrauch schlicht nicht einzuhalten.

Durch die hohe Abhängigkeit vom Dieselaggregat – der Marktanteil bei den Neuzulassungen in Europa liegt bei über 50 Prozent – steigen nun aber auch die Kosten für die extrem aufwändige Abgasreinigung der Selbstzünder-Motoren stark an. Daimler beispielsweise will in Zukunft alle seine Dieselmotoren mit teuren, aber sehr wirkungsvollen Harnstoff-Kats ausrüsten.

Ist die Ära des Diesels zu Ende?

Experten gehen mittlerweile davon aus, dass der Dieselmotor seinen Zenit überschritten hat – schlicht weil es immer teurer wird, ihn sauber zu machen. Allein die diversen Abgasreinigungssysteme kosteten mittlerweile so viel wie ein kleiner Ottomotor, sagt Experte Bratzel.

Weltweit hat sich der Diesel trotz enormen Anstrengungen der deutschen Autobauer sowieso nie durchgesetzt. In den USA sind drei Prozent der jährlichen Neuzulassungen Selbstzünder, in Japan knapp ein Prozent. Im Millionenmarkt Brasilien spielt der Diesel überhaupt keine Rolle.