Siegfried Erb (links) stellt die in den Alten Pfarrgarten versetzten, historischen Grenzsteine vor. Foto: Georg Linsenmann

Zwei historische Grenzsteine aus dem Fasanengarten sind nun im Alten Pfarrgarten in Stuttgart-Weilimdorf zu besichtigen. Sie wurden wohl einst unbeachtet herausgerissen.

Stuttgart-Weilimdorf - Wenn Steine reden könnten, zumal alte, vor langer Zeit von Menschen geformte, dann bräuchten sie wohl so neugierige wie geduldige Zuhörer für die ihnen „eingeschriebenen Geschichten“. Oder für die Zeiten, aus denen sie kommen und die sie symbolisieren. Ganz gewiss gilt das auch für nur auf den ersten Blick eher unscheinbare Grenzsteine. Denn diese sind in Stein gehauene Duftmarken, mit denen Territorien markiert, Macht- und Herrschaftsbereiche abgegrenzt wurden. Bis heute. Wobei die smarten Versionen unserer Zeit in visueller Hinsicht kaum mithalten können mit den teils zentnerschweren Brummern, mit denen das Königreich Württemberg ab dem 16. Jahrhundert territoriale Mark- und Merkzeichen gesetzt hatte.

Einen Eindruck davon verschaffen nun zwei historische Grenzsteine, die dauerhaft im Alten Pfarrgarten platziert und am Freitag offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Dass sie überhaupt wieder als solche wahrgenommen werden können, verdankt sich dem Weilimdorfer Heimatkreis, der dem stetigen Verlust historischer Grenzsteine nicht tatenlos zusehen, sondern noch verbliebene aufspüren und sichern wollte. Wesentlich angestoßen von Erika Porten, zudem unterm Dach einer Initiative des Landesdenkmalamtes zur Erfassung und Kartierung von Kleindenkmalen. Mit welcher Akribie und Leidenschaft diese Spurensuche betrieben wurde, davon zeugte zuletzt die vor wenigen Wochen beendete Ausstellung in der Heimatstube, dauerhaft dokumentiert im zugehörigen Heimatblatt Nummer 38.

Imposante steinerne Zeugen

Und nun also, knapp zehn Jahre nach Beginn der Aktion, kann man zwei solche imposanten steinernen Zeugen im Herzen des alten Ortes und mit reichlich historischem Ambiente im Alten Pfarrgarten besichtigen. Ein Glücksfall, der im Grunde einem Zufall geschuldet ist. Denn nicht nur aktuelle, sondern auch historische Marksteine, die ihren eigentlichen Zweck überlebt haben, dürfen nicht verrückt, schon gar nicht beseitigt werden. Das wäre nicht nur ein Frevel, sondern eine Straftat: Sie haben den Status gesetzlich geschützter Kleindenkmale. Die in den Pfarrgarten Gewanderten aber wurden vermutlich beim Holzrücken im Fasanengarten so unbeachtet herausgerissen wie liegen gelassen.

Das jedenfalls vermutet Siegfried Erb, der Sprecher der hiesigen Grenzsteinsucher. Und weil Grenzsteine nicht reden können, könnte Erb, der einst als Vermessungstechniker gearbeitet hatte, an ihrer Statt locker satte Vorträge halten über Sinn, Herkunft und anhaltende Bedeutung: „Nachforschungen haben ergeben, dass diese historischen Wald- und Herrschaftsgrenzsteine im nordwestlichen Fasanengarten den Grenzverlauf bezeichnet haben.“ Das eingravierte Steinzeichen des einen Steines, eine Hirschstange, bezeichne „die herzogliche beziehungsweise königliche Besitzung“, das doppelte „W“ wiederum stehe für die „Markung Weilimdorf“.

Historisches Bewusstsein steigern

Weilimdorfs Bezirksvorsteherin Ulrike Zich freute sich über die nun präsenten, „wertvollen Zeugen aus vergangenen Jahrhunderten“. Eberhard Keller, Vorsitzender des Heimatkreises, dankte den vielen an der Realisierung Beteiligten und gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Grenzstein-Zwillinge dazu betragen mögen, „das historische Bewusstsein im Stadtbezirk zu steigern“. Wurden solche Grenzsteinsetzungen einst mit Ochs am Spieß und reichlich Wein gefeiert, so fand das nachempfundene Ritual der Übergabe nun mit Laugenbrezeln und Apfelsaft seine zeitgemäße Übersetzung.