Mancherorts in Deutschland werden die SPD-Parteibücher knapp. Foto: dpa

Die SPD-Ortsverbände in Stuttgart-Vaihingen und Stuttgart-Möhringen haben schon vor der Erklärung des Kanzlerkandidaten mehr Zuspruch verzeichnet und eine ganz eigene Theorie, woran das liegt.

Vaihingen/Möhringen - Die Medien vermelden, dass in Ortsverbänden in anderen Teilen der Republik die roten Parteibücher ausgegangen sind, seitdem der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Ende Januar seine Kandidatur für das Kanzleramt bekannt gegeben hat. Mancherorts würden die Genossen gar selbst zu Papier, Stift und Schere greifen, um neue Parteibücher zu basteln.

Solche kreativen Lösungen sind bei den Sozialdemokraten auf den Fildern noch nicht erforderlich. „Noch habe ich einen ausreichen hohen Stapel an Parteibüchern hier liegen“, sagt Walter Siek und lacht. Aber der Zuwachs sei deutlich, ergänzt der Vorsitzende des Ortsvereins Stuttgart-Vaihingen. Seit November hat dieser zehn neue Mitglieder. Bei 108 Mitgliedern sind dies etwa zehn Prozent. „Das ist Wahnsinn“, kommentiert Siek.

Wer Mitglied werden will, meldet sich in der Kreisgeschäftsstelle

Die neuen Parteimitglieder melden sich meistens online bei der Kreisgeschäftsstelle. Die Mitarbeiter dort haben die Zahlen für ganz Stuttgart. Sie sprechen aber nicht von einem Schulz-Effekt. Die Eintrittswelle habe bereits mit der Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten begonnen. Mit Martin Schulz habe sich dieser Trend aber noch weiter verstärkt.

Für Walter Siek ist es eher ein gesellschaftlicher Wandel, der bereits vor einiger Zeit begonnen habe. Jahrelang habe er für Vaihingen so gut wie keine Neueintritte verzeichnet, sagt das SPD-Urgestein. Dann habe ein Umdenken in den Köpfen der Menschen stattgefunden. „Sie haben sich wieder mehr für Politik interessiert und sich wieder mehr engagiert“, sagt Siek. Die US-Wahl und die Kanzlerkandidatur seien dann nur noch die Zünglein an der Waage gewesen. „Mit Trump und Schulz entlädt sich dieser gesellschaftliche Wandel jetzt zu unseren Gunsten“, sagt Siek.

Was ihn besonders freut: „Zwei Drittel der Neuzugänge sind junge Menschen aus den Jahrgängen 1980 bis 1985.“ Zwischenzeitlich sei die Diskussionskultur ein wenig eingeschlafen gewesen. „Als Alt-68er hat mich das natürlich gestört“, sagt Siek. Doch nun sei ein Ruck durch die SPD gegangen. So mache die ehrenamtliche Arbeit wieder Spaß, sagt Siek.

Möhringer SPD hat drei neue Mitglieder

Auch der SPD-Ortsverein Möhringen ist größer geworden. „Wir haben mit drei Neuzugängen noch keinen allzu großen Zuwachs, aber eben doch einen Zuwachs“, sagt der Ortsvorsitzende Björn Selent. Damit gibt es in Möhringen jetzt 81 Sozialdemokraten. Aber auch in Möhringen gilt: Es ist kein Schulz-Effekt, sondern wenn überhaupt ein Trump-Effekt. Denn die drei neuen Genossen meldeten sich, bevor der EU-Politiker seine Kanzlerkandidatur bekannt gab. „Die Leute sind allgemein wieder politischer geworden. Sie merken, dass es sich lohnt, sich zu engagieren.“ Selent hofft und erwartet, dass nun in Schulz’ Fahrwasser noch mehr Menschen SPD-Mitglied werden.

Und Walter Siek ist zwar ein überzeugter Sozialdemokrat. Grundsätzlich freue er sich aber über jeden, der sich in einer der demokratischen politischen Parteien engagiere. „Da ist mir jeder näher als jemand, der gar nichts macht“, sagt Siek.