Für viele werden sie zur Sucht: Glücksspielautomaten in Spielhallen Foto: dpa

Die Stadt versucht, Spielhallenflut zu stoppen und bremst dabei auch andere Betriebe aus.

Stuttgart - Seit 1999 hat sich die Zahl der Spielhallen in Stuttgart verachtfacht. Beratungsstellen verzeichnen immer mehr Spielsüchtige. Die Stadt versucht, mit einer neuen Konzeption für Vergnügungsstätten gegenzusteuern - und bremst dabei mitunter auch Betriebe aus, die nichts mit Glücksspiel zu tun haben.

Fabian Ulrich und sein Geschäftspartner haben einen Gang durch die Behörden hinter sich, wie sie ihn sich niemals hätten vorstellen können. Der Weg ist gepflastert mit Auflagen, Bauanträgen, Schallschutzgutachten, Brandschutzexpertisen und massenhaft verbranntem Geld. Dabei wollten die beiden jungen Existenzgründer lediglich ein neues gastronomisches Konzept in die Stadt bringen.

"Die Geschichte ist auf einem guten Weg"

"Play" heißt das und weist in Berlin bereits zwei erfolgreiche Filialen auf. Die Idee ist einfach: In stilvollem Ambiente können Gäste essen, an der Bar einen Drink nehmen oder gemeinsam mit anderen an der Wii spielen. Für die Aktivitäten mit der Spielkonsole gibt es einen großen Loungebereich oder kleinere Räume mit Bildschirmen. In der Hauptstadt sind die beiden Lokale schnell zum beliebten Treffpunkt für Nachtschwärmer, Firmen und Familien geworden. "Das ist Gastronomie mit Spaßfaktor, ohne Rotlicht, ohne Spielsucht", sagt Ulrich. Eingestuft ist der Betrieb wegen der Spielkonsolen als Vergnügungsstätte, ähnlich wie etwa Bowlingbahnen.

Doch genau da liegt das Problem. Seit vergangenem Sommer bemühen sich die Jungunternehmer darum, alle Auflagen zu erfüllen, und haben seit Dezember gar die für das Play vorgesehene 900 Quadratmeter große Fläche an der Friedrichstraße angemietet, um die geforderten Gutachten erbringen zu können. Doch zuletzt hat sich sogar der Ausschuss für Umwelt und Technik (UTA) des Gemeinderats mit dem Konzept befasst - und einen Beschluss kurzerhand vertagt. Denn für das Gebiet soll ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werden. Und mit dem wartet man, bis im Sommer eine neue Vergnügungsstättenkonzeption vorliegt. Wenn die kommt, dürfte die Idee der beiden Gastronomen in spe keine Chance mehr haben.

"Dann gehen wir in eine andere Stadt"

Die Verwaltung hat im vergangenen Jahr das Büro Acocella mit der Konzeption beauftragt. Ziel ist, die Ansiedelung von Spielhallen künftig einzuschränken. Ein UTA-Unterausschuss begleitet die Arbeit. Am Dienstag sollen dort wesentliche Eckpunkte vorgestellt werden. "Die Geschichte ist auf einem guten Weg", sagt Hermann-Lambert Oediger vom Stadtplanungsamt. Es gehe darum, Grundlinien zu finden, die anschließend in die bestehenden Satzungen eingearbeitet würden.

Demnach sollen künftig Spielhallen nur noch in den größeren und mittleren Zentren der Stadt zulässig sein. In Wohngebieten und stark wohngenutzten Gegenden sind sie ausgeschlossen. Auch Flächen im Erdgeschoss sollen verboten sein. "Sie prägen eine Stadtlage. Durch Spielhallen werden sie unattraktiv", sagt Oediger. Die Konzeption solle bewusst nicht nur auf Spielhallen, sondern auf alle Vergnügungsstätten, also auch Wettbüros oder Discotheken, angewandt werden. Die Stadt muss dabei auf städtebauliche Aspekte setzen, weil sie rechtlich keine andere Handhabe hat, den Wildwuchs unter den Spielhallen zu bekämpfen.

"Dann gehen wir in eine andere Stadt"

Dass das nötig ist, steht außer Frage. Die Zahl der Spielhallen im Stadtgebiet ist von 13 im Jahr 1999 auf zuletzt 107 gestiegen. Die Anzahl der Automaten hat sich vervielfacht. In ähnlichem Maß steigen die Anfragen von Glücksspielsüchtigen und deren Familien bei den Beratungsstellen in Stuttgart. Dort geht man davon aus, dass die Spielhallenbetreiber rund die Hälfte ihres Umsatzes mit sogenannten Problemspielern erwirtschaften, also Menschen, die süchtig oder massiv suchtgefährdet sind.

Der Kampf gegen die Auswüchse kann mitunter auch Gastronomen wie Fabian Ulrich treffen. "Wir haben den Antrag für das Play zurückgestellt, bis die neue Konzeption klar ist", sagt Kirsten Rickes. Die Leiterin des Baurechtsamts spricht von einem "unglücklichen Zeitpunkt" für Ulrichs Erdgeschosspläne. Weitere ähnliche Fälle sind nicht ausgeschlossen. "In dieser Qualität ist mir keiner bekannt, aber das kann auch anderen passieren", sagt Rickes. Man habe anfangs nicht gewusst, dass die Pläne der neuen Konzeption entgegenstehen könnten, danach aber die beiden Gastronomen zügig darüber informiert.

Ulrich ist mit den Nerven am Ende. Ein letztes Gespräch nächste Woche soll Klarheit bringen. Bei einem negativen Bescheid gebe es für ihn nur noch eine Möglichkeit: "Dann gehen wir in eine andere Stadt."