Neuanfang: Das Tempus im Haus der Geschichte will an frühere Zeiten anknüpfen. Foto: Lg/Max Kovalenko, Achim Zweygarth

Die Stuttgarter Gastro-Szene ist im Umbruch. So werden die Lokale in Staatsgalerie und Haus der Geschichte künftig gemeinsam betrieben. Auch eine Namensänderung steht an.

Stuttgart - Veränderungen in der Gastrolandschaft an der Kulturmeile: Das Gast in der Staatsgalerie schließt zum 8. Januar, das Tempus im Haus der Geschichte ist nach einer Auszeit seit dem 9. Dezember wieder geöffnet – allerdings nur während der Öffnungszeiten der Ausstellung. Der neue Betreiber, die Sbr gGmbH, wird künftig auch für die Bewirtung in der Staatsgalerie zuständig sein, wo der alte Lokalname „Fresko“ reaktiviert wird. Im März sollen beide Betriebe eröffnen.

Nicht nur der grüne Noppenboden signalisiert dem Besucher des Gastes, dass auch im gastronomischen Bereich der Staatsgalerie die Kunst regiert: Abbildungen der Kostüme aus Oskar Schlemmers „Triadischem Ballet“ zieren die Wände, auf einem Regal stapeln sich leere Campbell-Suppendosen. „In denen haben wir begleitend zur Warhol-Ausstellung Pasta verkauft“, erinnert sich Sabrina Brenner. Mit Küchenchef Marco Gast hat sie das Restaurant zehn Jahre lang geführt. Lächelnd blickt sie zurück: „Aktionen, in denen wir ausgestellte Künstler und Kochkunst zusammenführen konnten, haben immer Spaß gemacht. Sie gehörten von Anfang an zu unserer Vision.“

Die Genießer werden weniger

Mehr und mehr kristallisierte sich allerdings heraus, wie schwierig es ist, die Balance zwischen kreativer Küche und praktischem Museumsbistro zu finden. „Vielfach wird die Gastronomie heute nur noch als Zwischenstopp für einen schnellen Snack gesehen“, sagt die 42-Jährige, die im Event-Bereich tätig werden wollte, als sich 2007 die Chance eröffnete, das damalige Fresko zu übernehmen. „Die Zeit zum Genießen nehmen sich nur noch wenige.“ So drehte sich das Tagesgeschäft oft um Kaffee und Kuchen statt um Jakobsmuscheln auf Karottenpüree mit Rhabarber-Feigen-Ragout. Für einen leidenschaftlichen Koch wie den 43-jährige Marco Gast war das unbefriedigend.

An den Abenden hieß es, bis nachts warme Küche anzubieten: Dann nämlich kehrten Besucher des Theaters oder der Oper im Gast ein. „Oft haben wir das letzte Filetsteak um 23 Uhr serviert“, seufzt Brenner. Selbst mit einem Team von bis zu zehn Festangestellten war das Pensum oft schwer zu schaffen. „Wir hören nicht auf, weil es zu wenig Kundschaft gab“, erklärt Brenner. „Nach zehn Jahren ist einfach ein guter Zeitpunkt, um etwas Neues zu beginnen. Im Herbst wird das Gast an anderer Stelle in Stuttgart wieder öffnen. In Räumen, die wir frei gestalten können.“

Dass die Lage der Staatsgalerie nicht nur Vorteile hat, räumt Sabrina Brenner dennoch ein. „Die B 14 schneidet die Lokalität vom Rest der Innenstadt ab.“ Sie deutet auf die vom ersten Schnee überzuckerte Terrasse. „Da draußen ist es auch einfach zu laut. An sich könnte man dort im Sommer wunderbar sitzen. So aber wird das Angebot nur teilweise genutzt.“ Die Stadtplaner hätten es versäumt, eine attraktiven Promenade an der Staatsgalerie vorbei bis zum Wilhelmspalais zu schaffen. Extrem nachteilig seien derzeit auch die Baustellen.

Das Tempus im Haus der Geschichte steht, was die Außengastronomie angeht, vor einem ähnlichen Problem. Dort erfolgte nach vorübergehender Schließung ebenfalls gerade ein Pächterwechsel. Pünktlich zur Eröffnung der Carl-Laemmle-Ausstellung am 9. Dezember stand wieder Gastronomie zur Verfügung. „Wir hatten nur zwei Wochen Zeit, um alles vorzubereiten. Das Catering für die Eröffnung inklusive“, sagt Manfred Kaul, Geschäftsführer der Sbr gGmbh, die künftig sowohl die Bewirtung im Haus der Geschichte als auch in der Staatsgalerie verantworten wird. „Das war schon sportlich. Wir haben aber nur positive Rückmeldungen erhalten.“ Noch hat das Tempus nur parallel zum Ausstellungsbetrieb geöffnet. Im nächsten Monat sollen beide Restaurants offiziell eröffnet werden.

Impressionisten regen den Appetit an

Seitens der Staatsgalerie ist man laut Pressestelle froh, dass die Schließzeit des Lokals, das bald wieder „Fresko“ heißen wird, so kurz ausfällt. Schließlich gibt es keine Alternative unter dem eigenen Dach. Die Lizenz zum Kochen im Kunsttempel wird durch den Landesbetrieb Vermögen und Bau vergeben. „Die Sbr wurde nach öffentlicher Ausschreibung und unter Beteiligung der Staatsgalerie und des Hauses der Geschichte als Pächter ausgewählt“, sagt Christian Lindinger, Leiter der Abteilung Liegenschaften Vermögen und Bau bei der VBA. „Das Land ist überzeugt, einen leistungsfähigen Pächter gefunden zu haben.“ Die Sbr ist eine gemeinnützige Gesellschaft, die benachteiligten Menschen hilft und die Bonus-Märkte, aber auch gastronomische Angebote wie das Kubino in Ostfildern, das Olümp im Sport Stuttgart und das Café Nachbar im Römerkastell betreibt. Für Sabrina Brenner indes naht der Abschied. „Wir wollten einen stimmigen Abschluss für alle Beteiligten“, betont sie.

„Deshalb haben wir uns entschlossen, nicht zum Jahresende zu schließen, sondern parallel zur Francis-Bacon-Ausstellung.“ Der Besucherandrang war aus ihrer Sicht in den vergangenen Wochen eher verhalten. „Impressionisten ziehen einfach mehr Leute an“, schmunzelt die Lebensgefährtin von Marco Gast. „Bacon schlägt wohl manch einem auf den Magen.“ Die verstörenden Gemälde des gebürtigen Iren sucht man im Restaurant vergeblich.

Dabei waren die Betreiber sonst wenig verzagt, wenn es um die Freiheit der Kochkunst ging. In Anlehnung an Piero Manzonis 1961 produzierte „Merda d’Artista“ – 90 Dosen Künstlerkot – hatte man einmal ein Dessert auf der Karte, das als Schoko-Häufchen samt Marzipanfliege serviert wurde.