Der Stuttgarter Weihnachtsmarkt im Jahr 1938. Foto: Landesbildstelle Württemberg

Mit Ochs und Esel fing alles an. Sie standen an der Krippe, als Jesus geboren wurde. Und sie waren auch da, als der Stuttgarter Weihnachtsmarkt aus der Taufe gehoben wurde. Der begann nämlich als Viehmarkt. Eine Historie.

Stuttgart - Sie arbeitete nebenan im Alten Schloss. Weil Elke Gerhold-Knittel Historikerin war, interessierte sich die Oberkonservatorin des Landesmuseums für die Wurzeln des Weihnachtsmarkts. Die 2007 verstorbene Gerhold-Knittel trug ihre Erkenntnisse unter dem Titel „Der schönste Weihnachtsmarkt“ zusammen. Beschicker Adolf Weeber (75) hat seine Erinnerungen beigesteuert, von ihm haben wir ein Exemplar erhalten und zitieren daraus.

Die Anfänge

Im Archiv der Stadt Stuttgart lässt sich folgende Notiz finden: „Ulrich, Herzog von Württemberg, überlässt der Stadt Stuttgart den Einzug des Standgelds an den Jahrmärkten.“ Drei Märkte waren damit gemeint. Ein Frühlingsmarkt Mitte März, einer Mitte September als Herbstmarkt, und ein Viehmarkt an St. Otmar, dem 16. November. Daraus entwickelte sich ein Jahrmarkt, der immer näher an Weihnachten rückte und zum Christkindleinmarkt wurde. Marktmeister und Marktfeger erhielten täglich sechs Batzen, einen Morgentrunk und einen Zwischentrunk. Sie sorgten für Ordnung und achteten darauf, dass die Vorgaben eingehalten wurden. Die Buden mussten so aufgestellt sein, dass sie vier Gassen bildeten. Kaufleute mit gleichen Waren standen nebeneinander. Stuttgarter Händler wurden bevorzugt zugelassen, die übrigen Plätze unter Fremden verlost. Man achtete auch darauf, dass die Stuttgarter in Stuttgart einkauften. Ließen sich zu viele nach Esslingen locken, schrieb der Magistrat einen Beschwerdebrief an die Regierenden.

Der Kirchenbann

Der Kirche war all das Feilschen zu profan. Sie drang auf ein Ende des Treibens. Der Magistrat verzichtete schließlich in einem Gesuch auf den „in den Weyhnachten gehaltenen Christkindlens-Marckht“. Sie baten allerdings gleichzeitig um die Genehmigung zum Abhalten eines dritten Jahrmarkts. Herzogin Magdalena Sybilla bestätigte in einer Urkunde vom 22. November 1692 die Aufhebung des Christkindleinmarkts, erlaubte aber zugleich den neuen Jahrmarkt. Zunächst wurde der Beginn auf den 13. Dezember gelegt, ab 1780 startete der Markt am Dienstag nach dem dritten Advent. Der neue Namen „Wintermarkt“ setzte sich nicht durch, die Menschen sprachen wie eh und je vom „Christkindleinsmarkt“; der allmählich vom „Weihnachtsmarkt“ abgelöst wurde.

Der Jahrmarkt

Als 1811 der Herbstmarkt eingestellt wurde, begann der Weihnachtsmarkt früher – und wuchs weiter. Vieh verkaufte man schon nicht mehr, als die „Schwäbische Kronik“ 1835 den Markt beschrieb. „Die Händler kommen von weit her, wie der türkische Handelsmann Raubenmajor aus Belgrad. Angeboten werden Stoffe aller Art, türkische Schlafröcke, Damenbeinkleider, Strümpfe, Pantoffeln und Galoschen, seidene Damenhüte, superfeine und ordinäre Hemden, Zivil- und Militärkrawatten, englisches Gichtpapier, Parfümerien, Haaröl, Hautpomade, englische Nähnadeln, holländische Waffeln, Nürnberger Lebkuchen und Basler Konfekt, Händler Hoffmann aus Hamburg bietet seine marinierten Heringe, neue Sardellen und echte Vanille an.“ Zwei Ausrufer priesen das Angebot, ein Herr Stapf und ein Herr Wolf. Jede Durchsage brachte ihnen 30 Kreuzer. Seiltänzer, Zauberer und Gaukler waren da, man führte Tanzbären und Elefanten vor.

Der Gemischtwarenladen

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts tauchten die Marktschreier auf. Sie priesen Neues an, wie Rasierer, Modelleisenbahnen, Lockenwickler oder ein Grammofon mit „der Stimme des Herrn“. In der Münzstraße verkauften die Buden Spielwaren und Puppen, in der Dorotheenstraße gab es Süßigkeiten, auf dem Charlottenplatz Geschirr und Kübel. Auch im Zweiten Weltkrieg wollte man auf den Weihnachtsmarkt nicht verzichten. Wegen des Mangels an Arbeitskräften und Treibstoff konnte man ab 1941 allerdings keinen Weihnachtsbaum mehr aufstellen.

Die Moderne

Zunächst wanderte der Weihnachtsmarkt hin und her, in den 70er Jahren war er auf den Marktplatz beschränkt. Da standen Stände aus Klapptischen, mit Planen als Dach. Es gab Strick und Töpfe, Spielzeug und Haushaltswaren, aber kaum Weihnachtliches. Der neue Marktleiter Lothar Breitkreuz wollte den Markt aufpeppen. Er krempelte das Warenangebot um, ließ ein Verkaufshäuschen aus Holz herstellen und sagte den Beschickern: So baut ihr das künftig! Und schmückt die Buden! Es erhob sich ein Wehklagen ob der Ausgaben, doch nur wer mitmachte, durfte wiederkommen. Breitkreuz vergrößerte zudem den Markt , über die neue Fußgängerzone auf den Schillerplatz. Nun jammerten die Geschäftsleute an der Hirschstraße und der Kirchstraße, man könne ihre Schaufenster nicht mehr sehen. Also machte sich OB Arnulf Klett auf zum Spaziergang, die Geschäftsleute grüßten höflich und wagten nicht zu protestieren. Zum Glück. Heute bringt der Markt haufenweise Schweizer und andere zahlungskräftige Kunden in die Stadt. Vieles hat sich gewandelt, doch Ochs und Esel sind immer noch da – der Ochse nur noch als Holzfigur, der Esel indes in natura in der Krippe an der Markthalle. Er ist allerdings nicht zu verkaufen, der Viehmarkt ist schließlich Geschichte.