In Stuttgart sollen die Ausnahmen gestrichen werden, die Mitarbeitern die Annahme kleinerer Geldgeschenke erlauben. So will es das Rechnungsprüfungsamt. Foto: dpa

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft – oder sind Ausdruck der Wertschätzung für geleistete Arbeit. Bis zu 15 Euro dürfen die Stuttgarter Müllmänner, Friedhofsarbeiter oder Kräfte im Klinikum annehmen. Doch damit soll bald Schluss sein.

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft – oder sind Ausdruck der Wertschätzung für geleistete Arbeit. Bis zu 15 Euro dürfen die Stuttgarter Müllmänner, Friedhofsarbeiter oder Kräfte im Klinikum annehmen. Doch damit soll bald Schluss sein.

Stuttgart - Beim Thema Korruptionsbekämpfung will das Rechnungsprüfungsamt der Stadt die Toleranzgrenze künftig auf null setzen. Null Euro Bargeldgeschenk, diese Vorschrift soll bald auch für jene gelten, die bei der letzten Regelung 2003 ausdrücklich von der Null-Toleranz-Grenze ausgespart wurden: Mitarbeiter der Müllabfuhr, bei den Friedhöfen, den Alten- und Pflegeheimen sowie dem Klinikum, das als Eigenbetrieb mit rund 5500 Beschäftigten eigene Regelungen erlässt. Auch die Kameradschaftskasse der Feuerwehr wollen die Rechnungsprüfer unter die Lupe nehmen. Bei den Betriebsräten gilt das Ansinnen als „weltfremd und ziemlich kleinkariert“.

Aus Sicht der Korruptionsprävention sei die Annahme von Geld oder Geschenken in geldähnlicher Form (gemeint sind zum Beispiel Einkaufsgutscheine) „unabhängig von ihrer Betragshöhe bedenklich“, sagen die Prüfer. Sie drängen auf eine Neuregelung der zehn Jahre alten Vorschrift. Bereits im April 2013 habe der Arbeitskreis Korruptionsprävention einen Vorschlag für die neuen Wertgrenzen und das Vorgehen bei Verdachtsfällen erstellt. Er hängt im Haupt- und Personalamt.

„Wir schlagen klare Regeln vor, die frei von allen Zweifeln sind“, sagt der oberste Rechnungsprüfer, Manfred Blumenschein. Bargeld soll künftig generell nicht mehr angenommen werden dürfen, nur noch Naturalien oder Sachspenden bis zu einem Wert von 15 Euro. Die jetzige 15-Euro-Bargeld-Regel soll auch für die beschriebenen Mitarbeitergruppen auf null gesetzt werden. Allen anderen ist die Annahme von Geldgeschenken sowieso schon strikt verboten. Wer dennoch zugreift und einen Vorteil annimmt, kann seinen Arbeitsplatz und seine Altersbezüge verlieren. Vorteilsannahme wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet. Die neue Regel könne nicht interpretiert werden und sei daher „die sauberste Methode“, wirbt Blumenschein für den Vorschlag.

In die Debatte bringen wird ihn das Haupt- und Personalamt im Januar 2014. Ob die Verwaltung allein oder der Gemeinderat bestimme, sei noch nicht entschieden, sagt Holger Holzwart, der zuständige Abteilungsleiter im Personalamt. Noch habe man nichts entschieden und wolle die Regeln mit den Ämtern und wohl auch dem Personalrat diskutieren.

Vorstoß "weltfremd, ziemlich kleinkariert und trägt bizarre Züge"

Holzwart weist darauf hin, dass die Rechtslage sich seit 2003 verschärft habe. Damals habe man „kein Verfehlungsrisiko gesehen“, weil die Geldgeschenke, die laut städtischer Vorschrift in einer Gemeinschaftskasse landen und verteilt werden müssen, ja keine Entscheidungsträger wie zum Beispiel Sachbearbeiter in der Führerscheinstelle, dem Baurechts- oder Ausländeramt erreichten.

Bei den Bürgern könne eine Null-Toleranz-Politik bei den bisher verschonten Berufsgruppen auf Unverständnis treffen, befürchtet Holzwart. „Wir müssen uns die Rechtslage genau ansehen, es geht auch um den Schutz der Beschäftigten“, sagt er. Letztlich gehe es auch um den Schutz der Beschäftigten, die dem Vorwurf der Vorteilsannahme ausgesetzt werden könnten. Eines ist für Holzwart klar: „Die neue Regel muss umsetzbar sein, Akzeptanz finden, zur Not aber auch exekutierbar sein.“

In den städtischen Alten- und Pflegeheimen des Eigenbetriebs Leben und Wohnen (ELW) gelten unbemerkt von den Rechnungsprüfern bereits verschärfte Regeln. „Laut Heimgesetz ist es unseren Mitarbeitern nicht gestattet, Geldgeschenke anzunehmen. Kleinste Geschenke, in der Regel Naturalien, werden dem gesamten Team zur Verfügung gestellt“, sagt ELW-Leiterin Sabine Bergmann-Dietz. Die Vorschrift werde „sehr ernst genommen“. Erst im Mai hat das Klinikum seine Dienstanweisung über „Zuwendungen Dritter“ neu gefasst. Die 15 Euro sind noch drin.

Sie sollen es laut dem Personalratsvorsitzenden Jürgen Lux auch bleiben: „Ich halte von dem Vorstoß gar nichts, er ist weltfremd, ziemlich kleinkariert und trägt bizarre Züge“, sagt Lux, „unsere Leute werden vor den Kopf gestoßen.“ Das Personal sei „nicht korrumpierbar“. Korruptionsversuche sieht Lux dagegen „bei der Pharmaindustrie mit ihren Einladungen zu Kongressen“.

Ähnlich deutlich äußert sich der Betriebsratsvorsitzende Reinhard Hanselmann für die rund 230 Beschäftigten der städtischen Müllabfuhr: „Die Gaben sind auf Kleinstbeträge begrenzt, es kann keine Gegenleistung erfolgen, das Geld wandert in die Kaffeekasse“, so Hanselmann. Wenn der Bürger etwas gebe, zeige er seine Zufriedenheit mit der Müllabfuhr.