Vergangenen Mai wurden die Konzepte für Ganztagesschule in Stuttgart vorgestellt Foto: Piechowski

Die Bedenken der Eltern werden ernst genommen: Jetzt dürfen Ganztagesschulen auch nur bis 15 Uhr betreuen, die härtere Linie bis 16 Uhr gilt nur für Brennpunktschulen.

Stuttgart - Kinder im Alter zwischen sechs und zehn Jahren bis 16 Uhr verpflichtend an der Schule? Diese Vorstellung war den Fraktionen im Gemeinderat nicht geheuer. Sie forderten Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann vor rund einem Jahr auf, beim Land auf ein Schulende um 15 Uhr hinzuwirken. Ziel war, Kindern mehr Freiräume für Sport- und Kulturangebote zu lassen. Das neue Schulgesetz könnte diesem Wunsch nun gerecht werden.

Der Entwurf vom 6. Dezember 2013, der unserer Zeitung vorliegt, lässt der Schulkonferenz die Wahl: Als Ganztagsschule soll gelten, wenn „an drei oder vier Tagen der Woche mit sieben oder acht Zeitstunden in einer rhythmisierten Struktur Unterricht, Übung, Förderung, Bildung, Aktivpausen und Kreativzeiten zu einer Einheit“ verbunden werden. Außerdem könne der Schulträger, also die Stadt Stuttgart, Ganztagsschulen „in verbindlicher Form oder in der Wahlform“ einrichten. In der Wahlform, heißt es in dem Entwurf weiter, „besteht an den Schulen die Möglichkeit der Teilnahme“.

Damit zeigt die Landesregierung, dass sie die strengen Vorgaben, die bisher für sogenannte Brennpunktschulen galten, nicht auf das Ganztagsschulmodell generell übertragen will. Der Ganztagsgrundschulbetrieb in sozialen Brennpunkten ist an mindestens vier Tagen bis 16 Uhr für alle Schüler verbindlich, eine andere Verordnung existierte bisher nicht.

Vittorio Lazaridis, Grünen-Stadtrat und Spiegelreferent der Landesregierung für das Thema Schulische Bildung, ist sichtlich zufrieden mit der jetzt vom Land angestrebten Lösung: „Die Schulen können also einen Schulbetrieb an drei Tagen je sieben Stunden oder an vier Tagen je acht Stunden anbieten. Mehr Lehrerstunden bekommen die Schulen, die den Antrag stellen und bewilligt bekommen, vom Land auf jeden Fall.“ Außerdem kommt der Entwurf des neuen Schulgesetzes den Vorstellungen der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat sehr nahe. Diese hatte eine Schulpflicht bis maximal 15 Uhr gefordert.

In den anstehenden Haushaltsplanberatungen wird das Thema nochmals aufgerufen. Die CDU-Fraktion möchte – und hat dies in einem Antrag nochmals formuliert – „die Elternbedürfnisse in Sachen Betreuungsangebote so weit als möglich respektiert“ wissen.

CDU, FDP und Freie Wähler hatten Anfang des Jahres parallel zum Ganztagsangebot, also der Schulpflicht bis 16 Uhr an vier Tagen in der Woche, eine von bisher 14 Uhr auf mindestens 15 Uhr erweiterte Nachmittagsbetreuung für die sogenannte Verlässliche Grundschule gefordert. Das lehnte die Mehrheit aus Grünen, SPD und SÖS/Linke damals ab.

Unter den neuen Voraussetzungen, also den Wahlmöglichkeiten, die das Land den Schulen offenbar lassen will, muss nun neu diskutiert werden im Gemeinderat. Die Entscheidung wird aber voraussichtlich nicht anders ausfallen. „Falls das Thema in der dritten Lesung des Haushalts noch mal kommt, vertreten wir die Meinung, dass man das gescheit anpacken muss“, sagt Vittorio Lazaridis. Wenn man ein Konzept verändern wolle, müsse man auf die Gesetzesnovelle warten, „statt an der Verlässlichen Grundschule herumzudoktern“.

Entscheidend wird zuletzt der Finanzrahmen sein, den die Stadt zur Verfügung hat oder zur Verfügung zu stellen bereit ist. Für die Nachmittagsbetreuung im Rahmen der Verlässlichen Grundschule muss nämlich die Stadt finanziell aufkommen, weil sie ausschließlich von Freien Trägern bestritten wird. Würde die Stadt die Verlässliche Grundschule entsprechend des Vorschlags der CDU um eine Stunde von 14 auf 15 Uhr ausdehnen, soll dies ersten Schätzungen nach rund 700 000 Euro jährlich kosten. Ein Ganztagsschulbetrieb hingegen wird von Lehrkräften bestritten oder unterstützt, für deren Kosten das Land aufkommt.