Ruth Hofmeister (links) und Lena Ehlebracht arbeiten im Stuttgarter Geburtshaus. Foto: Peter Petsch

Von 2015 an steht die Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen auf der Kippe. Für die Geburtshelferinnen käme das einem Berufsverbot gleich. Dem Stuttgarter Geburtshaus droht vielleicht schon in diesem Jahr das Aus. Immer mehr Hebammen springen ab.

Von 2015 an steht die Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen auf der Kippe. Für die Geburtshelferinnen käme das einem Berufsverbot gleich. Dem Stuttgarter Geburtshaus droht vielleicht schon in diesem Jahr das Aus. Immer mehr Hebammen springen ab.

Stuttgart - Auf der Internetseite des Geburtshauses Stuttgart-Mitte ist zu lesen, dass das Haus bis Juli mit Geburten ausgelastet ist. Nur für Kurse und Hebammenbetreuung können die werdenden Mütter dort die Hebammen in Anspruch nehmen. „Wir suchen dringend neue Kolleginnen, damit wir der Nachfrage einigermaßen gerecht werden“, sagt Lena Ehlebracht, die als freiberufliche Hebamme im Geburtshaus arbeitet. Momentan sind dort sechs Hebammen beschäftigt, allerdings werden zwei von ihnen noch in diesem Jahr aufhören. Sie wollen den erneut gestiegenen Beitrag für die Berufshaftpflichtversicherung nicht mehr bezahlen. Schon jetzt muss Lena Ehlebracht jede Woche mehrere Frauen abwimmeln, die von ihr vor, während und nach der Geburt betreut werden wollen. „Wenn wir bis zum März keine weiteren Kolleginnen finden, müssen wir dichtmachen“, sagt Ehlebracht.

Im Großraum Stuttgart arbeiten insgesamt 53 freiberufliche Hebammen, nur zehn von ihnen bieten noch außerklinische Geburten an. Werdende Mütter haben bislang noch die Wahl, ob sie ihr Kind in einer Klinik, bei sich zu Hause oder im Geburtshaus Mitte zur Welt bringen wollen. Im vergangenen Jahr entschieden sich 100 Frauen für eine außerklinische Geburt. 7483 Babys kamen 2013 in Stuttgart in den Krankenhäusern zur Welt. Ob Frauen auch in Zukunft noch die Wahl des Geburtsortes haben, steht zur Zeit in den Sternen. Denn laut dem Deutschen Hebammenverband und dem Bund der freiberuflichen Hebammen steigt die Nürnberger Versicherung aus den beiden letzten verbliebenen Versicherungskonsortien für Hebammen aus. Wer dann die Freiberuflichen versichert, ist ungewiss. Ohne Haftpflichtversicherung dürfen Hebammen jedoch weder Geburten zu Hause, im Geburtshaus oder in der Klinik betreuen noch Schwangeren- und Wochenbettbetreuungen annehmen.

Die hohen Beiträge zur Berufshaftpflicht machen den Geburtshelferinnen schon seit Jahren Sorgen. In diesem Jahr soll die Prämie auf über 5000 Euro pro Jahr steigen. Sie macht damit rund ein Fünftel des Durchschnittsverdienstes einer freiberuflichen Hebamme aus. Für diese Personengruppe hat sich die Prämie in den zurückliegenden zehn Jahren verzehnfacht. „Für mich ist der Beruf eine Berufung, sonst würde ich es unter diesen Bedingungen gar nicht machen“, sagt Ehlebracht. Schließlich trage sie eine große Verantwortung. Zwei Jahre lang arbeitete sie als Hebamme in einem Krankenhaus. Doch „Geburten wie am Fließband“ gingen gegen ihre Vorstellungen von einer natürlichen, selbstbestimmten Geburt, sagt sie. „Ich dachte, es muss doch auch möglich sein, dass Frauen ihre Kinder ohne Medikamente und in ihrem eigenen Tempo zur Welt bringen können.“ Nur im Notfall bringen die Hebammen des Geburtshauses werdende Mütter in ein Krankenhaus. „Das kam im vergangenen Jahr nur einmal vor“, sagt Ehlebracht. Die letzte Hoffnung der Hebammen liegt nun bei der Politik. In einem offenen Brief haben sie Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn auf ihre verzweifelte Situation aufmerksam gemacht. „Frauen haben schließlich ein Recht auf die Wahl des Geburtsortes“, sagt Ehlebracht.

Auch Dr. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg und Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, hält die Leistungen der Hebammen für unverzichtbar: „Ich arbeite sehr gut mit freiberuflichen Hebammen zusammen und sehe bei meinen Patientinnen, wie wichtig die Vor- und Nachsorge durch sie ist.“ Selbst wenn mit Mutter und Kind alles in Ordnung sei, wären viele Mütter anfangs unsicher. Diese umfängliche Hilfe könne ein Arzt nicht leisten. „Die Mehrheit meines Berufsstandes würde es bedauern, wenn es keine freiberuflichen Hebammen mehr gibt“, sagt er. Clever sieht das Problem jedoch nicht nur bei Hebammen: „Auch Frauenärzte, die ambulante Geburtshilfe anbieten, finden niemanden, der sie versichert.“ Daher sei schon heute eine Geburt außerhalb der Klinik kaum mehr möglich.