Der Stuttgarter Marktplatz mit den Firmen Speier, Haufler, Kurtz und Koch, vermutlich in den 1930ern Foto: StN-Archiv

Er könnte als zentraler Ort der beliebteste Treff der Stadt sein – ist er aber nicht. Der Marktplatz wird wenig geliebt. Die Internetgemeinde des Stuttgart-Albums macht sich Gedanken, was man besser machen könnte.

Stuttgart - Er könnte als zentraler Ort der beliebteste Treff der Stadt sein – ist er aber nicht. Der Marktplatz wird wenig geliebt. Die Internetgemeinde des Stuttgart-Albums macht sich Gedanken, was man besser machen könnte.

Stattliche Fachwerkhäuser mit hohen Giebeln markierten den bürgerlichen Mittelpunkt Stuttgarts. Auf den historischen Fotos entfaltet der Marktplatz, dessen Ursprünge auf das Jahr 1304 zurückgehen, eine Pracht, die sich viele zurückwünschen.

„Es fehlt heute an emotionaler Architektur“, klagt Andreas Betsch auf der Facebook-Seite unseres Geschichtsprojekts Stuttgart-Album. Von Schlichtheit ist die Nachkriegsarchitektur im Herzen der City geprägt, wo die Entscheidungen im 1956 eröffneten Rathaus getroffen werden. Für Kommentator Betsch war das, was OB Arnulf Klett als Knotenpunkt des städtischen Lebens nach den schweren Zerstörungen hochziehen ließ, „ein städtebaulicher Fehlschlag“. Seine Bitte an den Gemeinderat: „Man sollte eine Architektur fördern, die an das historische Stadtbild angelehnt ist.“

"Der hässlichste Marktplatz von ganz Deutschland"

In der Vorher-nachher-Schau des Stuttgart-Albums fällt das Urteil von Thomas Hoffrichter noch eindeutiger aus: „Stuttgart hat wohl den hässlichsten Marktplatz von ganz Deutschland.“

Je älter, desto mehr Atmosphäre, desto schöner? Elke Zondler warnt davor, „historisierend-disneylandartig“ als Kulisse vor dem Rathaus etwas Neues hinzustellen, das auf alt macht. Es bringe die Stadt nicht weiter, wenn man sich „von der Sehnsucht nach vermeintlich besseren Zeiten“ leiten lasse.

Immer wieder wird vorgeschlagen, endlich einen Ersatz für das Café Scholz zu schaffen, das im April 2014 für immer geschlossen hat. Heute befindet sich in dem Haus eine Boutique des Schmuckherstellers Thomas Sabo. Nur dienstags, donnerstags und samstags, jeweils von 7 bis 13 Uhr, beleben Obst-, Gemüse- und Blumenhändler den Marktplatz. Außerhalb dieser Zeiten, so scheint es, fällt man in ein schwarzes Loch. Keiner bleibt hier zum Verweilen. Erst für Sommer 2016 hat die Stadt mit dem Pächterwechsel im Ratskeller eine mobile Außengastronomie in Aussicht gestellt.

Cafés im ersten Stock - damit man nicht gesehen wurde

War früher alles besser? Auf den historischen Marktplatz-Fotos ist zu erkennen, dass es damals auch keine Straßencafés gab. Alexander Michael Horlacher kennt den Grund dafür: „Cafés waren oft im ersten Stock – damit man nicht gesehen wurde beim ,Nix schaffa‘.“ Christa Bauer sieht es so: „Selbst die schönsten Cafés und die tollsten Läden können nicht überleben, wenn der Hausbesitzer sie mit völlig überzogenen Mietpreisen ausquetscht wie eine Zitrone.“

Ein Traditionshaus nach dem anderen verschwindet auf dem Marktplatz. Seit Ende vergangenen Monats ist das 1895 eröffnete Schreibwarengeschäft Haufler nur noch Vergangenheit. Die Zukunft des Gebäudes ist weiter offen. Nach Ansicht von Immobilienhändlern betragen die Kaltmieten am Markt bis zu 160 Euro pro Quadratmeter. Die Chance, dass ein inhabergeführtes Fachgeschäft oder gar ein Café einzieht, scheint aufgrund dieser Preise eher gering zu sein.

„Aus dem Stadtbild ist Spielwaren Kurtz am Stuttgarter Marktplatz nicht mehr wegzudenken“, schreibt das Unternehmen auf seiner Internetseite über sich selbst, „180 Jahre Tradition haben uns hier zu einer festen Institution werden lassen.“ Eine Tradition, die sich inzwischen zurückgezogen hat. Das Kinderspielparadies hat sich in seinem Stammhaus verkleinert, ist quasi nur noch über den Seiteneingang zu erreichen, während den vorderen Haupteingang nun die Aufsteigermarke Nespresso bekommen hat.

"Etwas mehr Farbe wäre schon ein Anfang"

Wie wird der Marktplatz doch noch zur „Wohnstube der Stadt“ oder zu einem Ort, wo man sich gern aufhält? Johnny Varsami schlägt vor, mit einfachen Mitteln schnell zu handeln: „Etwas mehr Farbe wäre schon ein Anfang – hier wird immer so grau gebaut.“ Roland Welsch plädiert dafür, den alten Rathausturm, der noch „rudimentär“ unter der Verkleidung des neuen Rathaus vorhanden ist, freizulegen und originalgetreu zu restaurieren.

Firmen, die dies ebenfalls bei ihren Häusern machen würden, sollten belohnt werden. Sven Siemonsen treibt es auf die Spitze: „Einfach den Marktplatz mit einer weiteren Shopping-Mall voll machen. Kann man teuer vermieten. Obendrein ist dies effizient im Sinne der Nachverdichtung. Oben noch ein paar Lofts drauf – und fertig!“

Diskutieren Sie im Internet mit unter www.facebook.com/Album.Stuttgart. Schicken Sie historische Fotos aus Ihrem Familienalbum zur Veröffentlichung an: info@stuttgart-album.de. Im Silberburg-Verlag sind zwei Bildbände zu unserer Geschichtsserie erschienen: „Stuttgart-Album – Eine Stadt erinnert sich“ und „Stuttgart-Album Vol. 2.“