Seit 1884 klettert die Zahnradbahn auf Filderhöhen hinauf. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Stuttgart-Album

Wenn Stuttgart Zähne zeigt, offenbart sich auf der fahrenden Aussichtsplattform die Schönheit der Stadt. Seit 1884 klettert die Zahnradbahn auf Filderhöhen hinauf. Leser haben dem Stuttgart-Album tolle Zacke-Fotos geschickt, die Kindheitserinnerungen wecken.

Wenn Stuttgart Zähne zeigt, offenbart sich auf der fahrenden Aussichtsplattform die Schönheit der Stadt. Seit 1884 klettert die Zahnradbahn auf Filderhöhen hinauf. Leser haben dem Stuttgart-Album tolle Zacke-Fotos geschickt, die Kindheitserinnerungen wecken.

Stuttgart - Wollten die Eltern von Thomas Mack sonntags etwas Ruhe haben, drückten sie dem Filius 30 Pfennig in die Hand. So viel kostete Ende der 1950er eine Fahrt mit der quietschenden und ratternden Zahnradbahn vom Marienplatz nach Degerloch und zurück. Das Glück des Jungen war vollkommen, wenn er ganz vorn neben dem Fahrer verweilen und staunen konnte.

Damals gab es diesen Logenplatz für Kinder noch, in einer Nische links neben dem Führerstand. Dem kleinen Thomas hatte es weniger die grandiose Aussicht angetan, die bei der Talfahrt dem Fahrgast faszinierend vorführt, wie idyllisch der Stuttgarter Kessel in grüne Hügel eingebettet ist. Was ihn voller Ehrfurcht faszinierte, war die Macht des damals noch stehenden Fahrers, der das hölzerne Lenkrad und die Kurbel bediente und es stets schaffte, am steilen Hang die wuchtige, gelbe Bahn mit lautem Knirschen zu stoppen, sobald er an einer der zahlreichen Haltestellen angekommen war. Auf der Facebook-Seite des Stuttgart-Albums hat Thomas Mack geschildert, wie prägend Kindheitserlebnisse sein können. Noch heute liebt er es, mit der Zacke zu fahren.

Zacke oder Zacketse? Viele der älteren Stuttgarter mögen die Kurzform der Kletterbahn nicht, die seit 1884 auf dem direkten Weg vom Stadtkern zu Filderhöhen Steigungen von bis zu 18 Prozent überwindet – auf einer Länge von 2,2 Kilometern. Man sage ja auch Hocketse und nicht Hocke, wird argumentiert. Bis heute ist nicht geklärt, wer den einstmals gängigen Namen „Zacketse“ gestrichen hat. Der Legende nach soll es 1984 SSB-Sprecher Peter Brodbeck, ein gebürtiger Berliner, gewesen sein. Beim 100-Jahr-Jubiläum der beliebten Berg- und Tal-Bahn habe er in der Festzeitschrift den kürzeren Namen „Zacke“ eingeführt – weil auswärtige Gäste angeblich „Zacketse“ nicht aussprechen könnten. Brodbeck selbst widersprach Jahre später. Er habe 1984 das Wort „Zacke“ drucken lassen, weil es damals bereits von den Einheimischen öfter benutzt worden sei als „Zacketse“.

Würden in unseren Tagen ein Radfahrer und ein Autofahrer am Marienplatz zu einem Wettrennen bis zum Degerlocher Albplatz aufbrechen – es würde immer der Radfahrer gewinnen. Denn er kann seinen Drahtesel auf dem Vorstellwagen der Zacke festzurren. In elf Minuten ist die Bahn der Linie 10 oben angekommen, obwohl sie sich nur langsam, ja würdevoll mit maximalem Tempo 30 vorwärtsbewegt. Sie muss keine Umwege wählen wie der Autofahrer, der sich durch den Stadtverkehr mit roten Ampeln plagt. Der gemütlich zuckelnde Gipfelstürmer nimmt die steile Abkürzung.

„Hinauf zu Sonne und Licht – mit der Zahnradbahn!“ – so warben in den 1930ern die Stuttgarter Straßenbahnen (sie hatten die Filderbahn von der Stadt gekauft) für die Panoramafahrt. Auf der Hälfte der Strecke, der sogenannten Ausweiche, treffen sich Berg- und Talbahn bei der Wielandshöhe. Nur hier gibt es zwei Spuren. Schon vor acht Jahrzehnten konnte man sich an dieser Stelle im Lokal stärken. Der Halbliterkrug mit Dinkelacker-Märzen kostete 38 Pfennig, die Ochsenzunge mit Spätzle 1,50 Mark. „Beachten Sie“, stand auf der Rückseite der Speisekarte, „daß Sie ab Wielandshöhe bis Schlossplatz für 15 Pfennig fahren können.“

Viele Facebook-Kommentatoren wünschen sich die Rückkehr der historischen Zacke mit Holzsitzen als touristische Attraktion. „Es wäre toll, wenn die SSB wenigstens einmal im Monat die alte Zahnradbahn an den Start bringt,“ schreibt Matthias Zoernack. Bestimmt würden sich nicht nur Stututtgarter darüber freuen. Diese Oldtimer-Fahrten könne man gezielt in der Stadtwerbung einsetzen, meint Thomas Bechthold. Noch in der Holzklasse fährt übrigens die Standseilbahn zum Waldfriedhof.

Auf der Zacke-Spur bewegen sich vierachsige Triebwagen vom Typ ZT 4, Baujahr 1982. Planmäßig sind immer zwei Bahnen im 15-Minuten-Takt gleichzeitig im Einsatz – um 20.40 Uhr ist Feierabend, damit Anwohner ihre Ruhe haben. Bei You Tube kann man unter dem Stichwort Zacke die elfminütige Talfahrt anschauen und die typischen Knirsch- und Bremsgeräusche anhören.

Der Blick auf Stuttgarts Schönheit zum normalen SSB-Fahrpreis. Die Zacke ist mehr als nur eine Bahn zur Beförderung im Berufsverkehr. Wer die Aussicht genießt, wird die topografischen Reizen unserer Stadt lieben. Nicht mal die Bausünden fallen auf – weil alles beim Zuckeln so putzig und idyllisch wirkt.

Das Stuttgart-Album ist als 160-seitiges Buch im Silberburg-Verlag erschienen. Diskutieren Sie mit unter www.facebook.com/Album.Stuttgart. Wir freuen uns über historische Fotos, die Sie schicken können an: info@stuttgart-album.de