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Der Streit um das Projekt Stuttgart21 ist für Staatsanwaltschaft eine Herausforderung.

Stuttgart -  Der Streit um das Bahnprojekt Stuttgart21 ist auch für die Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Herausforderung: Seit Beginn der großen Proteste im vorigen Sommer hat die Behörde bisher 1.494 Anzeigen und Ermittlungsverfahren mit dem Hintergrund Stuttgart21 erfasst.

Allein im Zusammenhang mit der Demonstration am 30.September im Schlossgarten mit einem Wasserwerfer-Einsatz der Polizei - dem sogenannten "schwarzen Donnerstag" - liegen der Staatsanwaltschaft 380 Anzeigen gegen Polizeibeamte und Polizeiverantwortliche vor; wobei 341 Fälle unter Umständen strafrechtlich relevant sein könnten. Gegen 19 Beamte läuft bereits ein Ermittlungsverfahren.

Auf der Gegenseite liegen der Staatsanwaltschaft 121 Anzeigen gegen Demonstranten vor, woraus sich bisher 85 Ermittlungsverfahren wegen Widerstand, Körperverletzung oder Beleidigung ableiten. Davon sind aber erst 25 Demonstranten identifiziert.

"Wir wollen die Gegner des Bahnprojekts nicht kriminalisieren", betonte am Montag der für das Thema größtenteils zuständige Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler. Auch die Schwere der im Raum stehenden Straftaten ist unterschiedlich: So gibt es beispielsweise 55 Verfahren wegen der Besetzung des Hauptbahnhof- Nordflügels; 359 Anzeigen wegen Nötigung im Zusammenhang mit Baustellen-Blockaden oder 269 nicht weiter verfolgte Anzeigen gegen Verantwortliche der Deutschen Bahn und der Landespolitik wegen dem Vorwurf der Untreue.

Bisher kein offizielles Ermittlungsverfahren gegen Polizeipräsidenten

Im Mittelpunkt der Aufklärungsarbeit steht aber nach wie vor der Polizeieinsatz am schwarzen Donnerstag. "Der Gesamteinsatz war nicht offensichtlich rechtswidrig", sagte Häußler. Eine fest gleichlautende Einschätzung hatte er schon im Dezember 2010 gegenüber unserer Zeitung abgegeben. Man müsse aber beachten, dass man mit sieben schwer- und zehn leichtverletzten Demonstranten konfrontiert sei, betonte der Staatsanwalt. Auch die "Vehemenz", mit welcher der bürgerliche Widerstand gegen Stuttgart21 auftrete, sei etwas Neues, sagte er.

"Bisher führen wir kein offizielles Ermittlungsverfahren gegen den Polizeipräsidenten", stellte Häußler klar. Die Staatsanwaltschaft wird allerdings immer von Amts wegen tätig, sowie die Polizei Mittel des unmittelbaren Zwangs einsetzt - also Wasserwerfer, Pfefferspray oder Schlagstock.

Nach dem Einsatz im Schlossgarten habe man das Polizeipräsidium Stuttgart um Herausgabe von Einsatzprotokollen und Bildmaterial ersucht, berichtete Häußler. Die Polizei habe sich dazu "sofort bereit erklärt". Aus 100 Stunden Filmmaterial der Polizei,. von Anzeigeerstattern oder Berichterstattern im Internet habe man 700 relevante Videoclips gezogen. "20 Aufzeichnungen zeigen uns Vorgänge mit möglicher strafrechtlicher Relevanz", bilanzierte Häußler.

Wichtig für die rechtliche Bewertung des Polizeieinsatzes sind auch die aufgezeichneten 5600 Funksprüche der Polizeiführung und der Wasserwerfer-Besatzungen. Diese Funksprüche werden mit den vorliegenden Bildern synchronisiert. "Die über Funk geäußerte Meldung, ein Wasserwerfer habe Demonstranten aus Bäumen gespritzt, hat sich zum Beispiel nicht bestätigt", sagte Häußler. Auch für andere "Legenden" - vor allem die, wonach verkleidete Polizisten die Auseinandersetzung angeheizt hätten - gebe es aus seiner Sicht keine Anhaltspunkte.