Aktionsbündnis beklagt Kriminalisierung - Stadt nimmt Beschränkung der Montagsdemo zurück.

Stuttgart - Gangolf Stocker, der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, hat Stadt, Polizei und Staatsanwaltschaft am Montag scharf kritisiert. Es werde versucht, die Kundgebungen gegen das Bahnprojekt zu kriminalisieren. Stocker muss sich am Donnerstag vor dem Amtsgericht verantworten.

Die Pressekonferenz im Fraktionszimmer der Bündnis-Grünen im Rathaus, anberaumt wegen des Amtsgerichtsprozesses gegen Gangolf Stocker wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und wegen der gestrigen 59. Montagsdemonstration gegen S21, gerät zum Rundumschlag. Stocker und sein Anwalt Roland Kugler kritisierten einen Strategiewechsel bei Polizei, Stadt und Staatsanwaltschaft. "Die neue Stuttgarter Linie lautet: Weg von der Geschmeidigkeit, hin zur Härte", so Anwalt Kugler.

Versammlungsleiter riskiert die nächste Anzeige

Mit gezielten Anzeigen gegen Gangolf Stocker in seiner Eigenschaft als Versammlungsleiter der Montags- und Großdemos gegen S21 versuche die Polizei die Gegner des Bahnprojekts zu kriminalisieren und die Kundgebungen zu stören. "Es sind Anzeigen wegen zum Teil lächerlichen Dingen", sagt Anwalt Kugler.

Gegen Gangolf Stocker sind nach Auskunft Kuglers derzeit sechs Verfahren anhängig. Weil Stocker dem ersten Strafbefehl von 30 Tagessätzen à 50 Euro (1500 Euro Geldstrafe) widersprochen hat, muss er sich am kommenden Donnerstag von 9 Uhr an vor dem Amtsgericht Stuttgart verantworten.

Am 27. August vorigen Jahres waren zwischen 30.000 und 40.000 Menschen vor dem Hauptbahnhof gegen S21 auf die Straße gegangen. Nach der Demonstration bildeten ungezählte Demonstranten eine Menschenkette um den Landtag und drangen dann in die Bannmeile ein. Versammlungsleiter Stocker sei auf seinem Handy 20 Minuten lang nicht erreichbar gewesen. Deshalb der Strafbefehl. "Faktisch riskiert der Versammlungsleiter bei jeder Kundgebung die nächste Anzeige seitens der Polizei", sagt Kugler. Das sei der Versuch einer Einschüchterung und somit ein Angriff auf das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.

Eingrenzung des Versammlungsort zurückgenommen

Stocker und Kugler werfen dem Ordnungsamt der Stadt zudem eine gezielte Provokation hinsichtlich der gestrigen Montagsdemonstration vor. Am Nachmittag des vergangenen Freitags habe Stocker den Bescheid von der Stadt bekommen, die Montagsdemo dürfe nur auf den drei Fahrstreifen der Schillerstraße direkt vor dem Bahnhof stattfinden. Die Fahrbahn auf der Seite zur Königstraße hin bleibe für den Verkehr offen. "Abenteuerlich", so Stocker und Kugler unisono. Bei derart vielen Demo-Teilnehmern sei diese völlig neue Eingrenzung des Versammlungsorts "hochgefährlich". Und dass diese Maßgabe erst am Freitagnachmittag gekommen sei, sei ein "weiterer kleiner Nadelstich".

Das Aktionsbündnis hat gegen den Bescheid der Stadt eine einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht beantragt, die am Montagnachmittag indes hinfällig wurde. Die Stadt hatte die Eingrenzung des Versammlungsorts plötzlich wieder zurückgenommen. "Wir haben den Bescheid geändert, weil er nicht ausführlich begründet und deshalb formal angreifbar war", sagt Ordnungsamtsleiterin Dorothea Koller. Grundsätzlich sei es nicht von vorneherein akzeptabel, dass regelmäßig alle sechs Fahrbahnen der Schillerstraße für die Kundgebungen reserviert würden. "Das muss die Polizei vor Ort anhand der Teilnehmerzahl entscheiden", so Koller.