Foto: Peter-Michael Petsch

Die Bahn hat durch Experten Funktion und Wirkung ihres Grundwassermanagements bei Stuttgart 21 öffentlich erklären lassen. Die Botschaft: Häusern und Bäumen droht keine Gefahr.

Stuttgart - Heiner Geißler, der so knitze wie aufmerksame und zuweilen unnachgiebige Stuttgart-21-Schlichter, er hätte sich wahrscheinlich nicht lange vom Fachchinesisch der Bahn-Gutachter traktieren lassen. „Wer soll das verstehen? Was bedeutet diese Abkürzung? Reden Sie verständlich!“ – derartige Ordnungsrufe aus der S-21-Schlichtung fehlten während der Informationsveranstaltung, die die Bahn von 18 bis 20 Uhr auf ihrer Internetpräsenz stuttgart-21.de und über Regio TV ausstrahlen ließ. Drei Gutachter und ein Jurist blieben sachlich und zeigten unzählige Folien. Für den Laien war das schwer verdauliche Kost. Zwar führte Projektleiter Stefan Penn sicher durch die Sendung, die ordnende Hand aber fehlte.

Der neue Tiefbahnhof in Stuttgart ist seit 2005 genehmigt, ein Jahr später wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Klagen gegen die Baugenehmigung ab, seitdem darf die Bahn loslegen. Dass sie am Sonntag in ungewohnter Form an die Öffentlichkeit ging, liegt an einer Planänderung: Zum Bau des Tiefbahnhofs sollen über die Jahre nicht, wie 2005 genehmigt, drei, sondern 6,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser rund um die Baugrube abgepumpt werden. So kann die riesige Wanne für den Bahnhof im Trockenen betoniert werden. Der größte Teil des Wassers soll um die Grube, aber auch zum Beispiel im Wohngebiet Kernerviertel ins Erdreich zurücksickern. So soll der Wasserspiegel weiträumig um das Baufeld nahezu konstant gehalten werden.

Bäume wurzelten nur bis zu zwei Meter tief und könnten sich auch auf „magere Zeiten“ mit weniger Wasser einstellen

Die erhebliche Mehrmenge muss genehmigt werden. Dass die 6,8 Millionen Kubikmeter nötig sind, sei erst seit Anfang 2011 klar, sagte der Sachverständige Theo Westhoff auf Nachfrage von Stuttgart-21-Sprecher Wolfgang Dietrich. Dessen Büro hatte Fragen gesammelt. Auf stuttgart-21.de können weitere gestellt werden. Die von Lesern mit den meisten Punkten versehenen sollen wochenweise beantwortet werden.

Über Jahre hatte ein von Behörden gebildeter Arbeitskreis Wasserwirtschaft zu Stuttgart 21 ein Grundwassermodell gefertigt. Nach 250 Sitzungen standen die drei Millionen Kubikmeter fest. 2009 wurden durch Brunnenbohrungen und 2010 durch einen Pumpversuch Schwächen des Modells offenbar, die Bahn musste erhöhen. Anwohner der Baustelle sind seitdem erneut verunsichert, sorgen sich um ihre Häuser, andere um den Baumbestand in Schlossgarten und Rosensteinpark – und die Stuttgart-21-Gegner wittern Morgenluft.

„Die Bäume bleiben grün“, versichert der Gutachter Bodo Siegert. Bäume wurzelten nur bis zu zwei Meter tief und könnten sich auch auf „magere Zeiten“ mit weniger Wasser einstellen. Das sei aber bei Stuttgart-21 gar nicht nötig. Über Feuchtesensoren in drei unterschiedlichen Tiefen werde das Wasserangebot für die Vegetation im Park beobachtet und, wenn nötig, mit künstlicher Beregnung reagiert, so Siegert: „Eine Gefährdung von Bäumen kann ausgeschlossen werden.“

Alles im Griff, diese Botschaft vermittelte auch Professor Walter Wittke. Der Ingenieur mit Büro für Grund- und Felsbau kennt die Stuttgarter Geologie seit dem S-Bahn-Bau. Die vor mehr als 30 Jahren gewonnenen Erkenntnisse habe man immer mehr vertieft. „Man kann keinen Tunnelbau machen ohne Senkungen“, sagte Wittke. Ebendeshalb ergreife man mit dem Rückpumpen des Grundwassers in den Untergrund Gegenmaßnahmen. An schwierigen Stellen mit wenig Erdboden über der Tunneldecke würden „Kompensationsinjektionen“ die Senkung ausgleichen. Es wird Zementbrei unter die Häuser gedrückt. Am Ameisenberg in der Nähe des Wagenburgtunnels haben die Geologen eine eiszeitliche Hangrutschung erkannt. Damit die Bewegung von vor mehr als 10 000 Jahren nicht wieder in Gang kommt, wird auch dort Wasser rückgepumpt „Die absolute Entnahmemenge hat auf die Bodensenkung keinen Einfluss“, sagt Wittke. Sowohl in der City als auch auf den Tunnelstrecken nach Bad Cannstatt, Feuerbach und Unter-/Obertürkheim sieht er „praktisch keine“ oder „keine Auswirkungen“ auf die Bebauung. Auch dem Mineralwasser, das mit 500 Liter pro Sekunde in Stuttgart stark sprudelt und 19 Brunnen speist, drohe keine Gefahr. „Ich denke, dass wir die Auswirkungen auf das Heilwasser im Griff haben“, so Westhoff. Einwendungen gegen die erhöhte Wasserentnahme werde es dennoch viele geben, prophezeit Anwalt Josef-Walter Kirchberg. Die Bahn, sagt er, habe ein großes Interesse daran, diese öffentlich zu erörtern.