Die Einfahrt der S-Bahn unter den Flughafen Foto: Leif Piechowski

Das Beste – oder nichts. Mit diesem Slogan punktet gerade Mercedes. Das könnte auch das Motto dieser Region der Tüftler und Erfinder sein. Umso erstaunlicher, dass sich diese Region beim Flughafenanschluss von Stuttgart 21 mit der allenfalls zweitbesten Lösung begnügen will.

Stuttgart - Das Beste – oder nichts. Mit diesem Slogan punktet gerade Mercedes. Das Beste – oder nichts. Das könnte auch das Motto dieser Region der Tüftler und Erfinder sein, die so viele Weltmarktführer hervorgebracht hat. Umso erstaunlicher, dass sich diese Region beim Flughafenanschluss von Stuttgart 21 mit der allenfalls zweitbesten Lösung begnügen will. Es sei denn, die Politiker in Land, Region und Landeshauptstadt stellen sich doch noch ihrer Verantwortung und nutzen die laufende Erörterung der Pläne in der Messehalle, sich schnell eines Besseren zu besinnen.

Um Fernzüge aus Richtung Singen an Airport und Messe anzuschließen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Die beste Variante sieht vor, dass ICE und S-Bahn jeweils einen eigenen Bahnhof am Flughafen bekommen. Diese Lösung ist aber laut Bahn gut 200 Millionen Euro teurer als jene, mit der die Bauherrin ins Rennen gehen will: Fernzüge und S-Bahn sollen gemeinsam die bestehenden S-Bahn-Gleise nutzen. Möglich ist das nur dank einer Ausnahmegenehmigung des damaligen Bundesverkehrsministers Ramsauer im Jahr 2010. Die Ausnahme ändert aber nichts an den gravierenden Mängeln dieser Planung.

Ein Gutachten der TU Dresden im Auftrag der Stadt Leinfelden-Echterdingen bekräftigt nun die Kritik von S-21-Gegnern: Der ICE-Betrieb gefährde die Pünktlichkeit im S-Bahn-Netz. Das aber darf keinesfalls geschehen, denn die S-Bahn ist das Rückgrat des Regionalverkehrs. Die Sorge um die künftige Funktionsfähigkeit des Systems nimmt zu, wenn man weiß, dass die Bahn ihre Berechnungen auf das noch relativ störungsfreie Jahr 2009 stützt. Die TU Dresden hingegen operiert mit Werten aus dem Jahr 2013, in dem die hoch belastete S-Bahn häufig Aussetzer hatte.

Vor zwei Jahren, nach dem in vielerlei Hinsicht kritikwürdigen Filder-Dialog, bestand die große Chance, sich auf die beste Variante zu verständigen. Die Projektpartner Bahn, Land, Region, Stadt und Flughafen hätten sich allerdings auf die Verteilung der Mehrkosten in Höhe von gut 200 Millionen Euro einigen müssen. Der Verband Region Stuttgart sagte die Erhöhung seines Anteils zu, die Landes-SPD regte an, den Flughafenanschluss aus einem Sondertopf zu finanzieren. Die Grünen aber sagten, dann werde der S-21-Kostendeckel gesprengt und drohten mit dem Bruch der Regierungskoalition. Und so plante die Bahn weiterhin die billigste Variante.

Doch billig ist nicht schwäbisch-sparsam. Denn billig ist nicht günstig. Im Gegenteil: Falls der S-Bahn-Betrieb gestört und ein möglicher Ringschluss in Esslingen verbaut wird, dann ist billig bald ganz schön teuer. „Wir versündigen uns an kommenden Generationen“, das ist von hochrangigen Politikern aus allen Lagern zu hören. Freilich nur hinter vorgehaltener Hand: Die einen wollen nicht am Kostendeckel rütteln, die anderen das Projekt nicht noch weiter verzögern. Doch wären bei Gesamtkosten des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm von nahezu zehn Milliarden Euro diese 200 Millionen zusätzlich nicht sinnvoll investiert? Und wäre es nach dann fast 30 Jahren Planungs- und Bauzeit wirklich so schlimm, wenn der Flughafen erst zwei Jahre später an S 21 angeschlossen würde?

Die Grünen mit Stuttgarts OB Kuhn und Verkehrsminister Herrmann an der Spitze wollen mehr Menschen auf die Schiene bringen. Sie halten den Schlüssel für die beste Lösung in der Hand. Wenn auf den Fildern doch noch ein zukunftsfähiges Bahnsystem geschaffen werden soll, wird es höchste Eisenbahn, die Debatten von gestern zu beenden: Das Beste für die Region – oder halbe Sachen, die am Ende höhere Kosten verursachen.

j.hamann@stn.zgs.de