Professor Gerhard Heimerl geht mit den Aussagen der Kopfbahnhof-Befürworter hart ins Gericht. In unserer Bildergalerie lesen Sie nach, welche Punkte er an der K21-Konzeption zu kritisieren hat. Klicken Sie sich durch die Bilder. Foto: Kern

Die Befürworter des Bahn-Projekts kontern - Pro Bahn bangt um Neubaustrecke auf Alb.

Stuttgart - Zehntausende gehen auf die Straße gegen Stuttgart21. Aber sollte das Tiefbahnhof-Projekt kippen, würde es nur noch das Phantom einer Alternativlösung geben, die auch Milliarden Euro kosten würde, warnen die Verkehrsexperten im Lager der Befürworter.

Fast neun Jahre ist es her, dass Gerhard Heimerl das Katheder und das Verkehrswissenschaftliche Institut der Uni Stuttgart verließ. Doch der zunehmende Streit um Stuttgart21 lassen ihm keine Ruhe. Jetzt wirbt der emeritierte Ordinarius wieder verstärkt für das Projekt, das er vor 20 Jahren selbst prägte - als er die ICE-Neubautrasse nach Ulm über und durch die Schwäbische Alb vorschlug. Am Freitagabend verkämpfte sich Heimerl dafür bei einer gemeinsamen Veranstaltung von CDU, SPD, FDP und Freien Wählern im Rathaus.

Heimerls Botschaft in diesen Tagen lautet: Die Gegner von Stuttgart21 kämpfen nicht nur gegen ein Milliarden-Projekt, das ihrer Meinung nach zu teuer ist, sie kämpfen auch für ein Milliarden-Projekt. "Die Investitionen für das Kopfbahnhof-Konzept K21 wären nur geringfügig günstiger als die bei S21", sagt Heimerl.

Sie würde, sagt Heimerl, mit dem Ausbau von oberirdischen Zulaufstrecken und dem Bau einer Stichstrecke von Wendlingen bis zum Flughafen im Jahr 2020 voraussichtlich mit 3,739 Milliarden Euro zu Buche schlagen, wenn man die Preissteigerungen bis dahin einrechnet. Das Projekt Stuttgart21 mit unterirdischem Durchgangsbahnhof, Tunneln und ICE-Bahnhof am Flughafen würde dann (ohne die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm) rund 349 Millionen Euro mehr kosten. Das Risiko von Kostensteigerungen bei K21 hält Heimerl angesichts der komplizierten Bauarbeiten im Gleisbestand für größer. Jedenfalls, urteilt er, sei die Behauptung absurd, dass die Kosten von K21 um zwei Drittel niedriger wären als jene von S21. Auf der Internetseite K21 steht bis heute zu lesen, dass die Kosten der Kopfbahnhof-Modernisierung 1,2 Milliarden Euro betragen würden - mit Anschluss der Stuttgarter Bahneinrichtungen an die Neubaustrecke nach Ulm in Höhe von Wendlingen und mit einer Gleisverbindung von Wendlingen und Flughafen.

Doch längst wird die K-21-Präsentation im Internet als widersprüchlich kritisiert. Kritik kommt nicht nur von Heimerl, sondern auch von Wolfgang Arnold. Der Technik-Vorstand der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) ist für die Tiefbahnhof-Gegner mittlerweile der "Chefpropagandist" von Stuttgart21. Arnold konterte vor wenigen Tagen in einem Brief an den alternativen Verkehrsclub Deutschland, K21 sei nicht mehr als ein "Phantom, ein Trugbild".

Auch für K 21 müssten Bäume gefällt werden

Von der autobahnnahen ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm hätten sich die K-21-Initiatoren verabschiedet. Am Flughafen wollten sie zwar keine ICE-Züge halten lassen, aber vermehrt Regionalzüge. Damit würden sie den besorgten Menschen auf den Fildern nicht weniger Zugverkehr bescheren als die Stuttgart-21-Planer, sondern mehr. Dieser Regionalverkehr würde im S-Bahnhof Flughafen konzentriert werden, doch dafür wäre auch eine Ausnahmegenehmigung für Sicherheitsbestimmungen im S-Bahn-Tunnel nötig - wie im Konzept S21, das deswegen scharf kritisiert werde.

Dass K21 mit zusätzlichen Gleisen am Rande des Rosensteinparks auf Kollisionskurs mit einem anderen Ziel der Grünen geht, erwähnt Arnold auch: "Es müssten die Platanen der Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Allee gefällt werden." Doch diese Allee solle zum Naturdenkmal erklärt werden, haben die Grünen beantragt. K21, lautet Arnolds Resümee, bedeute nicht mehr als die aufwendige Bestandssanierung des Bahnknotens nur in Stuttgart.

Das Konzept K21 wirft auch andere Fragen auf: Wie kann man zusätzliche Gleise und Brücken beim Rosensteinpark und im Neckartal zwischen Cannstatt und Mettingen schonend in die Landschaft und neben Wohngebiete bauen? Wie lange werden Planungen und Bau dauern? Welche Kostensteigerungen drohen hier?

Zur Gretchenfrage für die Stuttgart-21-Gegner ist inzwischen allerdings die Frage geworden, wie sie es mit der Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm halten. Auf der K-21-Homepage ist von einem neuen Tunnel zwischen Obertürkheim und Denkendorf in Richtung neue Alb-Trasse die Rede. Das Aktionsbündnis K21 und die Grünen haben aber umgedacht, weil die Trasse zu teuer erscheint.

Nicht nur SSB-Chef Arnold merkt kritisch an, in der K-21-Publikation werde die aktuelle geplante Trasse "grundsätzlich in Frage gestellt". Auch ein K-21-Bündnispartner ist ins Grübeln gekommen: der Fahrgastverband Pro Bahn. Bisher sei die Neubaustrecke auch bei den S-21-Gegnern weitgehend Konsens gewesen, erklärte Pro Bahn, jetzt scheine auch die letzte Kompromisslinie aufzubrechen. Diese Strecke werde aber gebraucht. Die überwiegende Mehrheit der Bürger wolle den "massiven Ausbau der Schiene". Die Erklärung kam bezeichnenderweise vom Landesverband. Der sei für die überörtlichen Dinge zuständig, hieß es in der Mitteilung, für Stuttgart21 sei allein der Regionalverband Stuttgart zuständig.