Der Flughafenbahnhof für ICE- und Regionalzüge auf der Verbindung Stuttgart–Ulm liegt nach heutiger Planung in 28 Meter Tiefe schräg zu den Terminals. Eine Variante sieht vor, den Bahnhof weniger tief unter der Flughafenstraße parallel zum S-Bahnhof zu bauen. Konfliktreich wären die Zulaufstrecken. Grafik: Klos, Lange

Schlechter Start für Debatte über Pläne der Bahn. Gesamtprojekt soll ein Jahr später fertig werden.

Stuttgart - Steffen Siegel ist stinksauer. „Die von der Landesregierung und der Deutschen Bahn versprochene Bürgerbeteiligung findet bisher null statt“, klagt der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Filder. „Unsere Bürgerinitiative will sich, wie viele andere Bürger, beim sogenannten Filder-Dialog einbringen. Doch wir wissen noch nicht einmal sicher, ob wir dabei sein dürfen.“

Roland Klenk (CDU), OB von Leinfelden-Echterdingen, warnt: „Der Filder-Dialog ist als wegweisende Form der Bürgerbeteiligung gut gestartet, droht jetzt aber zur Alibiveranstaltung zu werden.“ Dass man die Kommunen bei der Auswahl des Dialog-Moderators Ludwig Weitz nicht beteiligt hat, ist für Klenk „schlechter Stil“.

Die grün-rote Landesregierung hat auf Klenks Kritik noch nicht offiziell reagiert. Aber amüsiert ist man nicht. Schließlich sei es „nicht unüblich“, dass Projektträger in derartigen Fällen vorab einen Moderator auswählten, heißt es im Staatsministerium. Weitz habe ein „überzeugendes Konzept“ und sei auch nicht durch „Vorerfahrungen“ mit S 21belastet. Zudem herrsche „akuter Zeitdruck“. Der öffentliche Filder-Dialog soll an drei Terminen im Mai stattfinden.

Der Lenkungskreis

Die Kritik am Filder-Dialog ist auch ein Thema im S-21-Lenkungskreis. Das höchste Beschlussgremium der Projektpartner tagt am Freitag im Landesverkehrsministerium mit dem Hausherrn Winfried Hermann (Grüne), Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll , Regionalpräsident Thomas Bopp (beide CDU) und Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer. Projektgegner wollen vor dem Ministerium protestieren.

Im Zentrum des Lenkungskreises stehen die Kosten. Nachdem die Bahn laut eigenen Angaben die Hälfte der Aufträge an die Bauwirtschaft vergeben hat, sind 370 Millionen Euro Mehrkosten aufgelaufen. Davon muss Kefer sich 240 Millionen Euro aus den jüngsten Vergaben für den Tiefbahnhof und die Tunnel nach Feuerbach und Bad Cannstatt genehmigen lassen. Die Reserve für weitere Mehrkosten beträgt noch 390 Millionen Euro. Dann ist der Finanzierungsdeckel von S 21 von 4,525 Milliarden Euro erreicht.

Die Verzögerung

Nach Informationen unserer Zeitung dürfte Kefer beantragen, die vertraglich fixierte Inbetriebnahme von S 21 und der ICE-Neubaustrecke nach Ulm von 2019/2020 um ein Jahr auf 2020/2021 zu verschieben. Dass das Projekt im Verzug ist, hatte Bahn-Chef Rüdiger Grube schon mehrmals angedeutet.

Den Verzug erklärt die Bahn vor allem mit der Schlichtung 2010. Dazu gibt es interne Probleme im Genehmigungsverfahren. Für die Inbetriebnahme Ende 2020 muss Kefer die Hauptbauphase nach Recherchen unserer Zeitung von ursprünglich acht auf sechseinhalb Jahre komprimieren. Der Lenkungskreis wird von ihm auch wissen wollen, welche Mehrkosten das Jahr Verzug bedeutet. Bisher hatte die Bahn argumentiert, dass ein Jahr rund 40 Millionen Euro kostet. Auch die unklare Übernahme der Mehrkosten aus der Schlichtung – es geht um 70Millionen Euro – wird das Kontrollgremium beschäftigen.

Die Filder-Varianten

Die Pläne der Bahn für den Abschnitt 1.3 von Stuttgart 21 auf den Fildern ist noch nicht genehmigt; das Verfahren läuft aber. Im Filder-Dialog will die Bahn erläutern, wie die Pläne für die sogenannte Antragstrasse im laufenden Planfeststellungsverfahren zustande gekommen sind und welche Varianten geprüft und verworfen wurden.

Auf Wunsch von Minister Hermann wird das Land eigene Pläne vorlegen, die den Kompletterhalt der Gäubahn und die direkte Einbindung in den S-21-Tunnelring im Talkessel vorsehen. Züge aus Zürich/Singen/Horb würden nicht mehr zum Flughafen fahren; Fluggäste müssten in Böblingen oder Vaihingen in die S-Bahn umsteigen. Damit wäre der auf den Fildern umstrittene Mischverkehr von S-Bahn, Regional- und Fernzügen auf der S-Bahn-Trasse vom Tisch. Die Mehrkosten dieser Variante von etwa 200 Millionen Euro könnten durch den Wegfall der bisher geplanten Anbindung der Gäubahn beim Flughafen ausgeglichen werden.

Für den Flughafen wäre diese Variante ein verkehrlicher Nachteil. Er wird sich dagegen wehren und könnte seinen Finanzierungsanteil von 359 Millionen Euro an S 21 infrage stellen. Ein näher und weniger tief liegender S-21-Fernbahnhof am Flughafen, der zudem günstiger zu bauen wäre, dürfte dagegen weitaus mehr Realisierungschancen haben.

Die Variante Flughafenbahnhof erfordert ein neues Planfeststellungsverfahren. Mit dem Fertigstellungstermin 2020/2021 wäre das laut Bahnexperten „machbar“.