Die Bahn setzt für die Andienung der Fildertunnelbaustelle auf kürzere Wege über die A 8 Foto: Leif Piechowski

Der Baubeginn für den Fildertunnel an diesem Donnerstag markiert beim Projekt Stuttgart 21 den Start einer langen Lkw-Karawane. Die Bahn drängt deshalb auf einen direkten Anschluss der Baustelle an die A 8.

Der Baubeginn für den Fildertunnel an diesem Donnerstag markiert beim Projekt Stuttgart 21 den Start einer langen Lkw-Karawane. Rund 260 000 Fahrten sind für den Tunnel nötig. Die Bahn drängt auf einen direkten Anschluss der Baustelle an die A 8.

Stuttgart - Einem Grünen-Politiker wie dem Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn dürften bei diesen Zahlen die Haare zu Berge stehen: 260 000-mal fährt in den nächsten fünf Jahren ein Lkw durchs Gewerbegebiet Fasanenhof-Ost. Sonn- und Feiertage abgezogen, donnern damit täglich mindestens 170 schwere Laster von der Baustelle des Fildertunnels durch den Gewerbepark zur B 27 und zur Autobahn 8. So steht es in der Baugenehmigung für den Tunnel.

Tunnelpatin Tülay Schmid, Ehefrau von Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD), tauft in einem Festakt an diesem Donnerstag den Fildertunnel. Kuhn wird dann erstmals bei einem offiziellen S-21-Tunnelanstich dabei sein. Womöglich eine gute Gelegenheit für ihn, am Rand der Feier die jahrelange Belastung des bürodominierten Gewerbeparks anzusprechen.

Er würde dann von Bahnverantwortlichen erfahren, dass sich der Verkehrskonzern dazu längst Gedanken gemacht hat. Die Bahn drängt schon länger darauf, dass die Tunnelbaustelle angesichts des massiven Lkw-Verkehrs einen zeitweisen eigenen Anschluss an die A 8 erhält. Man sei darüber mit dem Regierungspräsidium Stuttgart (RP) als der zuständigen Aufsichtsbehörde im Gespräch, mehr nicht, hatte der Technik-Chef der S-21-Projektgesellschaft, Stefan Penn, jüngst erklärt.

Laut RP sind diese Gespräche viel weiter gediehen als von Penn skizziert, mehr noch: Man habe bereits über einen gangbaren Weg Konsens erzielt. „Einer eigenen Abfahrt von der A 8 auf die Baustelle haben wir zugestimmt, eine Auffahrt wird es aus Sicherheitsgründen nicht geben“, so RP-Sprecher Robert Hamm. Zu riskant sei es, in dem hoch belasteten Bereich der A 8 mit zahlreichen Spurwechseln kurz vor dem Echterdinger Ei auch noch schwere Lkw einfädeln zu lassen. Hamm: „Das weiß die Bahn und sieht das wie wir.“

Bei der Bahn hegt man einerseits immer noch die Hoffnung auf einen Komplettanschluss, andererseits ist noch nicht geplant, wo genau die Ab- und gegebenenfalls Auffahrtsrampen entstehen sollen. „Wir wollen den Lkw-Verkehr aus dem Gewerbegebiet heraushalten“, so eine Sprecherin des Stuttgart-21-Kommunikationsbüros. Allerdings sei in der Diskussion, ob der Autobahnanschluss – in Fahrtrichtung Karlsruhe gesehen – vor oder nach der Tunnelbaustelle entsteht.

Der Löwenanteil der Last, die durchs Gewerbegebiet oder vielleicht über einen eigenen Autobahnanschluss transportiert wird, besteht vor allem aus dem Abraum, den die Tunnelbohrmaschine aus den Röhren fördert, und aus den Tübbinge genannten Betonfertigteilen der Tunnelinnenschale. Etwa 200 000 Fahrten sind für den Abtransport des Abraums notwendig, rund 50 000 Fahrten für die Anlieferung der Tübbinge (siehe Hintergrund). In welcher Häufigkeit die Tübbinge von Tiefladern herangefahren werden, hängt laut Bahn auch von der Vortriebsgeschwindigkeit ab, also davon, wie rasch sich die Bohrmaschine noch vorne arbeitet. Je nach Beschaffenheit des Bergs könne die Geschwindigkeit zwischen fünf und 20 Metern am Tag variieren.

Der Gesteinsausbruch aus dem Fildertunnel kann wegen des erwarteten Gipsanteils nicht auf einer beliebigen Deponie entsorgt werden. Erst nach der laufenden Entnahme von Proben werden die Lastwagen auf die Reise geschickt. Immerhin 1,1 Millionen Tonnen Gestein sollen in der 1700-Seelen-Gemeinde Bochingen bei Oberndorf zwei Gipsbrüche füllen. 650 000 Tonnen nimmt die Firma Gebrüder Bantle GmbH ab, 500 000 Tonnen der kommunale Gipsbruch.

„Wir nehmen nur Material, das mit Gipskeuper behaftet ist“, sagt Bantle-Prokurist Joachim Haaga. Weitere 15 bis 20 Deponien, das wisse er von den Fuhrunternehmern, bereiteten sich auf die weiteren 1,5 Millionen Kubikmeter aus Stuttgart vor.

Projektchef Penn sprach fürs Gesamtprojekt jüngst von deutschlandweit 40 angefragten Deponien. „Der Abtransport wiegt dabei wohl die Kosten dafür auf“, so seine Prognose. Von den acht Millionen Tonnen Aushub, die beim gesamten Projekt Stuttgart 21 anfielen, sei die Hälfte verkauft.

In Bochingen kann mit dem Material eine alte Rekultivierungsverpflichtung erfüllt werden. Auf einem Teil der aufgefüllten Fläche soll ein Gewerbegebiet entstehen. „Auf dem anderen Teil, unter dem quellfähiger Anhydrit aus dem Fildertunnel liegt, wird es eine landwirtschaftliche Fläche geben“, sagt Bantle. Die ersten Fuhren nach Bochingen habe die Bahn für „Ende August, Anfang September“ avisiert.