In Kappel-Grafenhausen (Ortenaukreis) steht einer der größten Solarparks in Baden-Württemberg. Foto: dpa

Baden-Württemberger stehen Ökoenergie aufgeschlossener gegenüber als Rest der Republik.

Stuttgart - Die Bürger im Südwesten und die Ökoenergie - das scheint eine durchaus liebevolle Beziehung zu sein. Fast drei Viertel der Einwohner können sich sogar vorstellen, dass ein Ökokraftwerk in ihrer Nachbarschaft gebaut wird.

Die Bürger im Südwesten sind erneuerbaren Energien gegenüber deutlich aufgeschlossener als die Deutschen insgesamt. Wie aus einer Umfrage von TNS Infratest hervorgeht, die unserer Zeitung vorliegt, bewegt sich die allgemeine Zustimmung im Land nahe 100 Prozent.

"Die Zustimmung der Menschen in Baden-Württemberg ist deutlich höher als anderswo in der Republik", sagte Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für erneuerbare Energien, in deren Auftrag die Studie erstellt wurde.

"Sehr technikaffines Land"

Konkret heißt das: Just in jenem Land, in dem einst das Schlagwort der Verspargelung von Landschaften geprägt wurde, halten gut 97 Prozent der Menschen den Ausbau von Biomasse, Wind-, Wasser- und Solarkraft für "außerordentlich wichtig", "sehr wichtig" oder "wichtig". Bundesweit unterschreiben dies nur 94 Prozent.

Der Südwesten sei ein "sehr technikaffines Land", sagt Vohrer. Außerdem gebe es hier eine Vielzahl von Unternehmen, etwa im Maschinenbau oder Zulieferbereich, die mit den neuen Technologien gute Geschäfte machen.

Das macht sich offenbar auch in der Bevölkerung bemerkbar. Der Umfrage zufolge haben die allermeisten Südwestbürger nämlich kein Problem damit, ein Ökokraftwerk in ihrer Nachbarschaft zu haben. Fast drei Viertel (73,6 Prozent) der Befragten finden es "sehr gut" oder "eher gut", eine derartige Anlage nahe ihres Wohnorts zu haben. Im Bundesdurchschnitt sind es nur knapp zwei Drittel, die die erneuerbaren Energien so nahe an sich heranlassen wollen. Allerdings stehen Solarparks (Zustimmung rund 80 Prozent) bei den Menschen höher im Kurs als Windräder (61 Prozent) oder Biomassekraftwerke (39 Prozent). Einen Atommeiler oder ein Kohlekraftwerk will dagegen fast niemand im Umkreis von ein bis fünf Kilometern vom Wohnort akzeptieren. Die Zustimmung liegt hier zwischen drei und fünf Prozent.

Unabhängigkeit Deutschlands von teuren Energieimporten

"Klar ist, dass durch die Dezentralisierung der Energielandschaft die Kraftwerke näher an die Menschen herankommen", sagt Vohrer. Die Widerstände die sich daraus ergeben, würden aber häufig überschätzt. Statistisch gesehen sei die Zustimmung für die Anlagen just bei jenen Menschen besonders hoch, die in der Nähe von Solarparks oder Windanlagen lebten, sagt er. Gerade weil der Südwesten bisher eines derjenigen Bundesländer mit einem extrem hohen Anteil von Atom- und Kohlestrom gewesen sei, sei man Neuerungen gegenüber jetzt offenbar positiv eingestellt.

Die Zustimmung der Menschen ist aber kein Selbstzweck, sondern mit klaren Hoffnungen verbunden. Den Hauptgrund, die neuen Energien auszubauen und Kohle- und Atomkraft auslaufen zu lassen, sehen die Bürger im Südwesten vor allem in der wachsenden Unabhängigkeit Deutschlands von teuren Energieimporten. Für zwei Drittel der Befragten ist das laut Studie der Hauptgrund, erneuerbare Energien zu unterstützen.

Bürokratische Hürden besonders störend

Außerdem sind die Bürger offenbar bereit, für die Energiewende tiefer in die Tasche zu greifen. Die 3,5 Cent je Kilowattstunde, mit der der Ausbau der regenerativen Energien derzeit gefördert wird, halten knapp 83 Prozent der nach dem Zufallsprinzip befragten Menschen für "angemessen" oder sogar für "zu niedrig". Nur zwölf Prozent halten diese sogenannte EEG-Umlage, die der Kunde über den Strompreis abführen muss, für "zu hoch". Wie viel mehr die Kunden bereit wären, für eine grüne Energieversorgung zu bezahlen, wurde nicht abgefragt.

Was die zukünftige Kostenentwicklung der Umstellung betrifft, sind viele Bürger allerdings eher skeptisch. Der größte Block - gut 35 Prozent - glaubt nicht, dass die erneuerbaren Energien langfristig die Kosten für die Verbraucher senken, und fast 30 Prozent sind in diesem Punkt unentschlossen. Mit der Energiepolitik der Bundesregierung ist eine Mehrheit der Befragten nicht zufrieden. Besonders stören sich die Menschen laut Studie an bürokratischen Hürden, etwa zur Beantragung von Fördergeldern (25,2 Prozent), Unsicherheiten in der Förderpolitik (23,9 Prozent) und dem Baurecht (24,5 Prozent), das manchen Ökostromern einen Strich durch die Rechnung macht.

Insgesamt hat TNS Infratest für die Umfrage, die jetzt erstmals aufgeschlüsselt für Baden-Württemberg vorliegt, 1002 Deutsche befragt, 321 davon aus dem Südwesten. Von allen Befragten besaßen zwischen 80 und 89 Prozent keine Erneuerbare-Energien-Anlage oder waren daran beteiligt.