„Wenn es keine Einigung gibt, wird es peinlich für die EU“, sagt Bas Eickhout, Grünen-Europaabgeordneter Foto:  

Lange Zeit galt die EU als Vorreiter in den internationalen Klimaschutzbemühungen. Wenn die 28 Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag zum Gipfel zusammenkommen, müssen sie beweisen, dass sie wieder die Führungsrolle bei der Treibhausgasreduzierung übernehmen wollen.

Brüssel - „20–20–20“, auf diese griffige Formel ließ sich die bisherige Klimastrategie der Europäischen Union zahlenmäßig bringen. Bis zum Jahr 2020 soll demnach der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) EU-weit um 20 Prozent verringert, der Anteil an erneuerbarer Energie auf 20 Prozent vom Gesamtverbrauch angehoben und die Energieeffizienz um 20 Prozent verbessert werden. Als Referenzjahr dienen jeweils die Werte von 1990.

Bei ihrem Gipfeltreffen an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel ringen die Staats- und Regierungschefs nun um eine neue Formel für die künftige Klima- und Energiepolitik der Union bis zum Jahr 2030. Es werden lange und zähe Verhandlungen werden, das steht fest.

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts und dem andauernden Streit um russische Gaslieferungen bekommen die Energieziele der Europäischen Union eine besondere Bedeutung. Eine gemeinsame Position der EU noch in diesem Jahr ist auch deshalb wichtig, damit die Gemeinschaft bei der Vorbereitung des neuen Weltklimavertrags, der Ende 2015 in Paris beschlossen werden soll, mit einer Stimme sprechen kann.

Als Diskussionsgrundlage dient die vorbereitete Gipfel-Abschlusserklärung, die der Formel „40–27–30“ folgt: Der CO2-Ausstoß soll bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Der Anteil der erneuerbaren Energien aus Wind oder Sonne soll 27 Prozent erreichen. Dies soll zwar verbindlich sein – aber nur für die EU insgesamt, nicht für jeden einzelnen Mitgliedstaat. Das bedeutet: Wenn einige ambitionierte Staaten mehr machen, um das Ziel zu erreichen, könnten sich andere mit weniger Anstrengungen begnügen. Die Energieeinsparungen sollen einen Wert von 30 Prozent erreichen. Dies entspricht im Wesentlichen den Zielen der Europäischen Kommission. Doch ob sich die Staats- und Regierungschefs bis zum Freitag auf einen Kompromiss einigen, ist keineswegs sicher. Nahezu jedes der 28 Mitgliedsländer verfolgt andere Ziele.

„Deutschland und Dänemark drängen am stärksten auf ein Dreierpaket, unterstützt von Belgien und Portugal“, sagt Bas Eickhout, niederländischer Grünen-Abgeordneter im Europaparlament. Deutschland sei bereit, wirtschaftlich schwächere Mitgliedstaaten bei der Erneuerung ihrer Energiesysteme zu entlasten, kündigt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Deutschland möchte die Vereinbarungen für jedes einzelne EU-Land möglichst verbindlich gestalten – was andere gerne vermeiden würden.

Bei einem Vorbereitungstreffen am Dienstag in Luxemburg kündigte Schweden nach Angaben von Diplomaten an, sogar eine Verringerung des Treibhausgas-Ausstoßes um 50 Prozent im Vergleich zu 1990 fordern zu wollen. Großbritannien würde, ähnlich wie die Niederlande, am liebsten nur ein loses Klimaziel ausgeben und alles andere dem Markt überlassen. Auch die von Kohle- und Atomkraftwerken abhängigen osteuropäischen Länder wie Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn gelten nicht als große Fans der Klimapolitik. Sie halten schon die Forderung nach einer CO2-Reduzierung um 40 Prozent für zu hoch und fürchten höhere Strompreise. „Meine Regierung wird keinen Vorschriften zustimmen, die Zusatzkosten für unsere Wirtschaft oder höhere Energiepreise für Verbraucher bedeuten“, kündigt die neue Warschauer Regierungschefin Ewa Kopacz bereits an.

Das auf Atomkraft setzende Frankreich will keine verbindlichen Aussagen über den Ausbau erneuerbarer Energien. Spanien und Italien gehen ohne große Ambitionen in die Verhandlungen. „Ihnen sind die Beschlüsse nahezu egal, solange sie einen finanziellen Ausgleich für neue Auflagen bekommen“, sagt Klima-Experte Eickhout.

Der neue Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat bereits deutlich gemacht, dass die Energie- und Klimapolitik auf seiner Agenda für die nächsten fünf Jahre weit oben steht. „Ein bindendes Energieeffizienzziel von 30 Prozent ist für mich das Minimum“, legt sich der Luxemburger fest.

Praktisch wird es darum gehen, inwiefern Warschau und anderen Hauptstädten Ausnahmen beim CO2-Ziel eingeräumt werden. Geplant ist auch ein neuer Topf, der sich aus Einnahmen des Handels mit Verschmutzungsrechten speisen und ärmere Staaten unterstützen soll.

Immerhin scheinen sich alle Beteiligten im Klaren darüber zu sein, dass eine Einigung her muss: „Wenn wir scheitern, werden wir in Moskau ausgelacht werden“, meinte unlängst der britische Staatssekretär für den Klimawandel, Edward Davey. Der Vorwurf werde lauten, die EU sei „gespalten, schwach und deshalb verletzlicher“. Daveys Fazit lautet deshalb: „Wir müssen es hinkriegen.“ Und Bas Brüssel - Eickhout stellt klar: „Wenn es keine Einigung gibt, wird es peinlich für die EU.“