Bevor ein Lufthansa-Pilot Flugkapitän wird, startet er als Officer. Die Ausbildung dauert mindestens drei Jahre, 70.000 Euro müssen die Kandidaten selbst bezahlen. Brutto-Einstiegsgehalt: 6084 Euro/Monat. Bei den Lokführern richtet sich die Bezahlung nach Einsatzgebiet und Funktion. Brutto-Einstiegsgehalt: 2688 Euro/Monat. Foto: dpa

Mit Info-Grafik - Die Streiks der Lokführer und Piloten halten Reisende derzeit in Atem. Die Lokführer können dabei auf mehr Verständnis hoffen als die Piloten. Das liegt vor allem am Gehaltsniveau.

Stuttgart - Auf den ersten Blick scheinen die beiden Berufsgruppen, die den Reisenden in diesen Tagen das Leben schwer machen, durchaus vergleichbar. Beide haben in einer dreijährigen Ausbildung gelernt, eine hoch komplexe High-Tech-Maschine zu beherrschen. Beide tragen eine hohe Verantwortung. Ein Fehler kann fatale Folgen für meist einige Hundert Passagiere haben. Beide sind viel unterwegs, müssen oft an fremden Orten übernachten und arbeiten nach Schichtplänen, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie oft schwierig machen.

Nur wenn es um das Gehalt geht, hören die Gemeinsamkeiten schnell auf. So verdient etwa ein sogenannter Streckenlokomotivführer, der in Deutschland ohne Beschränkung der Netze unterwegs ist, nach dem aktuellen Tarifvertrag nach 25 Berufsjahren nur 3010 Euro brutto, mehr gibt’s dann auch nicht mehr. Er beginnt mit bescheidenen 2488 Euro. Im Schnitt kommen da Zulagen von 200 Euro hinzu. Ein Pilot bei der Lufthansa dagegen startet mit einer Grundvergütung von 4580 Euro pro Monat, am Ende seiner Karriere sind es dann 16 100 Euro pro Monat. Nimmt man die Zulagen hinzu, kommt er sogar am Anfang auf 6084 Euro, zum Schluss auf 21 250 Euro pro Monat. Von seinem Gehalt muss er jedoch auch einen Teil der Ausbildung bezahlen. Dies können bis zu 70 000 Euro sein.

Bei diesen Unterschieden stellt sich automatisch die Frage nach der Gerechtigkeit. Doch die ist selbst für einen Arbeitssoziologen wie Klaus Dörre von der Universität Jena schwierig zu beantworten. „Einen objektiven Maßstab für Leistung gibt es nicht“, sagt er. Die hohen Gehälter für Piloten stammten nun mal aus einer Zeit, als dies ein absoluter Ausnahmeberuf gewesen sei. Allerdings glaubt Dörre auch nicht, dass sich Lokführer mit Piloten vergleichen, wenn es um das Gehalt geht. „Da schaut man in der Regel eher nach den benachbarten Berufsgruppen.“

Verständnis hat Dörre für Piloten wie Lokführer gleichermaßen. „Niemand macht gerne Abstriche“, sagt Dörre. Im Fall der Piloten geht es vor allem um den Erhalt der Übergangsregelung. „Piloten, die seit 20, 30 Jahren im Unternehmen sind, fühlen sich betrogen“, sagt Jörg Handwerg, Sprecher der Vereinigung Cockpit. So sei es Teil ihres Vertrags gewesen, mit dem 55. Lebensjahr aufhören zu können. Jetzt versuche das Lufthansa-Management, ihnen diese Versorgung zu streichen, und zwinge sie faktisch dazu, bis zu acht Jahre länger zu arbeiten. „Ganze Lebensplanungen sollen mit einem Strich zunichte gemacht werden“, klagt die Vereinigung Cockpit. Für die Übergangszeit bezogen die Piloten bisher ein Gehalt von 124 000 Euro.

Im Vergleich dazu bewegen sich die Forderungen der Lokführer scheinbar auf geringem Niveau. Neben fünf Prozent mehr Lohn und einer Entlastung bei der Anzahl der Schichten geht es der GDL vor allem um eine Verringerung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 37 Wochenstunden. Dies könnte laut Dörre auch eine Signalwirkung für andere Branchen haben. „Die ungerechte Verteilung der Arbeitszeiten in Deutschland muss auf die Agenda.“ So gebe es Berufsgruppen wie etwa hoch qualifizierte Ingenieure oder auch Schichtarbeiter, die einer extremen Belastung ausgesetzt seien. Auf der anderen Seite gebe es viele Teilzeitarbeiter, die gerne länger arbeiten würden. Da die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren aber auf die Löhne geschaut hätten, sei die Arbeitszeit aus dem Blick geraten.

Die Chancen, dass Piloten und Lokführer ihre Forderungen letztlich durchsetzen, liegen nicht schlecht. „Beide Berufsgruppen haben eine hohe Primärmacht“, sagt Dörre. Will heißen: Wenn nur ein paar Lokführer oder Piloten aus ihren Maschinen steigen, dann können sie enormen wirtschaftlichen Druck ausüben. „Ein Leiharbeiter am Band eines Automobilzulieferers hat diese Macht nicht.“ Außerdem seien Dachgewerkschaften, die viele Interessen berücksichtigen müssten, in der Vergangenheit bei Lohnforderungen eher zurückhaltend gewesen. Piloten, Lokführer, aber auch andere Berufe wie Ärzte oder Fluglotsen würden nun ihre Macht in die Waagschale werfen, um bei den Löhnen aufzuholen. Für Passagiere auf Bahnhöfen und Flughäfen dürfte dies in den nächsten Wochen noch weitere Unannehmlichkeiten bedeuten.