Die 46 Tonnen schwere Brücke wird auf eine Fußgängerbrücke aufgesetzt. Mehr Fotos gibt es in der Bildergalerie. Foto: factum/Granville

Die Gemeinde Schwieberdingen saniert für 8,9 Millionen Euro die Stuttgarter Straße. Das Großprojekt betrifft nicht nur Anwohner, sondern auch Pendler nach Ludwigsburg und Hemmingen.

Schwieberdingen - Für viele Schwieberdinger hat sich am Donnerstagnachmittag ein Spektakel der besonderen Art geboten: In der Ortsmitte an der Glems hievte ein monströser Kran eine 30 Meter lange und 46 Tonnen schwere Behelfsbrücke auf eine Brücke, die bislang nur für Fußgänger gedacht war. Die Überquerung der Glems nun für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen ist ein wesentlicher Bestandteil eines Großprojekts in Schwieberdingen, das die knapp 11 000 Einwohner zählende Gemeinde nun zwei Jahre lang beschäftigen wird. „Sonst würden die Bürger mit dem Auto nicht mehr über die Glems kommen“, sagt Ulrich Wemmer, der Leiter des Bauamts.

Der Spatenstich für das Großprojekt steht kurz bevor: Am Montag, 31. Juli, pünktlich zu den Sommerferien, beginnt die Gemeinde Schwieberdingen die Sanierung der Stuttgarter Straße – ihrer Hauptverkehrsader, über die täglich 14 500 Autos und Lastwagen rollen. Auch die anderen Zahlen des Projekts sind rekordverdächtig: Mit 1,2 Kilometern Länge ist es die längste Baustelle, die Schwieberdingen bislang hatte: Von der Ortseinfahrt im Osten bis hin zur Brücke über die Glems.

Die Kosten von 8,9 Millionen Euro sind für die Kommune auch nicht ohne. Vorab waren sie auf 6,6 Millionen Euro angesetzt gewesen. Wegen der starken Nachfrage in der Baubranche lief die Ausschreibung aber finanztechnisch nicht so, wie die Gemeinde sich das vorgestellt hatte. Schwieberdingen hätte die Option gehabt, zu pokern, um bei einer erneuten Ausschreibung eventuell weniger zu bezahlen – und dafür ein Jahr Verzögerung in Kauf genommen. Doch dafür war das Projekt dann doch zu wichtig: Der Gemeinderat stimmte mehrheitlich für die Vergabe.

„Das größte und wichtigste Infrastrukturprojekt der Gemeinde“

Der Bürgermeister Nico Lauxmann (CDU) wählt markige Worte: „Dieses Projekt wird das Gesicht unserer Gemeinde verändern.“ Es sei das „größte und wichtigste Infrastrukturprojekt der Gemeinde“. Insgesamt zwei Jahre lang sollen die Bauarbeiten dauern – bis Juli 2019. Die Sanierung geht etappenweise voran, die längste Zeit ist die Straße nur halbseitig in Richtung Glems gesperrt. Es ist eine Operation an der offenen Hauptschlagader der Gemeinde. In den Sommerferien gibt es eine Vollsperrung für sechs Wochen.

Warum der große Aufwand? Die Stuttgarter Straße in ihrem heutigen Zustand besteht seit den 60er-Jahren. Vor allem die Kanalisation ist stark sanierungsbedürftig. Weil die Straße deswegen ohnehin aufgerissen werden muss, will die Verwaltung auch gleich die Strecke selbst verbessern: Mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer, eine neue, energiesparende LED-Straßenbeleuchtung, mehr Grün drumherum sowie mehr Verkehrssicherheit. Ein neuer Kreisverkehr soll her, ebenso eine Tempo-30-Zone auf einer Teilstrecke der Straße, von der Einbiegung der Gerberstraße bis zur Glems. Der Gemeinderat habe die Drosselung besprochen, jedoch noch nicht beschlossen, sagt Lauxmann. Das letzte Wort hierbei hat ohnehin die Verkehrsbehörde im Landratsamt.

Viele Autofahrer bevorzugen derzeit die Abkürzung durch Schwieberdingen

Die Zielrichtung ist der Gemeinde klar: „Das schnelle, komfortable Durchqueren soll nicht mehr möglich sein“, sagt Lauxmann mit Blick auf die vielen auswärtigen Pendler, die die Stuttgarter Straße als Durchfahrtsstraße nutzen – rund 4000 Fahrzeuge am Tag. Gerade der Durchgangsverkehr nach Hemmingen macht 28 Prozent des Gesamtverkehrs auf der Straße aus, wie eine Verkehrszählung aus dem Jahr 2015 ergeben hat. Auch die Verbindung Weissach – Ludwigsburg ist eine relevante Größe. Die Verwaltung hofft, dass die Pendler von auswärts – gerade jene, die zu Bosch wollen – durch die Baustelle dazu gezwungen sind, die Umgehungsstraße zu nutzen. Bislang nehmen viele Autofahrer lieber die Abkürzung durch Schwieberdingen, weil es sich auf der Umgehungsstraße häufiger staut.

Nicht nur für Autofahrer wird die Baustelle zur Belastungsprobe werden. Der Einzelhandel befürchtet Umsatzeinbußen. Die Gemeinde garantiert jedoch, dass alle Geschäfte während der Bauzeit zugänglich bleiben werden. Zusammen mit der Verwaltung haben Unternehmen, die auf große Lieferungen angewiesen sind, beispielsweise Supermärkte, alternative Wege für die Lastkraftwagen entwickelt. Die Händler wollen eine Stempelkarten-Aktion starten, um Kunden für ihre Treue mittels eines Gewinnspiels zu belohnen.

Die Gemeindeverwaltung betont, die Bürger lange vorab und ausführlich informiert zu haben. Tatsächlich ist wenig Kritik aus der Bürgerschaft zu hören. Nur bei einer Kindertagesstätte gingen die Eltern auf die Barrikaden, weil die Umleitungsstrecke an der Kita am Herrenwiesenweg vorbeiführt. Die Gemeinde besserte nach, verlegte etwa eine Ampel und sicherte einen Holzzaun sowie eine Betonleitwand als Rammschutz in den Kurven zu. Beim Elternbeirat der Kita heißt es, mit der jetzigen Lösung sei man zwar „nicht glücklich, aber wir können damit leben“.