Immer wieder gibt es Kritik an Zahl und Zustand der öffentlichen Toiletten in der Stuttgarter Innenstadt. Ein blasenkranker Rentner muss jetzt eine Geldstrafe zahlen, weil er in höchster Bedrängnis hinter einen Busch im Schlossgarten gepinkelt hat. Foto: Kraufmann

Das Amtsgericht hat einen 64-Jährigen zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er in den Schlossgarten gepinkelt hat. Die Unterstützung für den blasenkranken Mann ist enorm: Die Leser wollen aus Protest gegen die Justiz sogar Geld spenden.

Stuttgart - Der Fall erregt die Gemüter: Ein 64 Jahre alter Mann, der wegen der Einnahme von Medikamenten an einer Blasenschwäche leidet, hat in großer Bedrängnis im Stuttgarter Schlossgarten hinter ein Gebüsch gepinkelt. „In einer Notlage“, wie er sagt, weil eine Toilette in der Nähe besetzt gewesen sei. Die Polizei hat ihn erwischt, das Ordnungsamt ein Bußgeld angesetzt – und das Amtsgericht die Strafe bestätigt.

Die Kosten belaufen sich dadurch inzwischen auf rund hundert Euro. Die Richterin ließ es sich in der Urteilsbegründung nicht nehmen, darauf hinzuweisen, es gebe genügend öffentliche Toiletten in der Innenstadt. Dem widersprechen nicht nur Seniorenverbände vehement, sondern auch unsere Leser. In den vergangenen Wochen hat uns eine große Zahl an Reaktionen erreicht. Die meisten machen ihrem Ärger über die Strafe Luft. „Urteile werden im Namen des Volkes gesprochen“, schreibt etwa Günter Herre aus Stuttgart, „aber man sieht an diesem Fall wieder, dass die Juristen keine Ahnung haben, wie das Volk denkt.“

Manche wollen es dabei aber nicht belassen: Immer wieder treffen Geldspenden für den 64-Jährigen oder Angebote zur finanziellen Unterstützung ein. Von „Solidaritätsbekundung“ ist da die Rede oder vom Wunsch, ihm zur Seite zu stehen, falls er doch in die nächste Instanz gehe. Das allerdings möchte der Mann aus dem Kreis Böblingen nicht. Er bedankt sich für den Zuspruch, will jedoch keine Spenden annehmen. Stattdessen wird unsere Redaktion nach Rücksprache mit allen Beteiligten bereits eingegangene Beträge an medizinische Organisationen spenden.

Der Ärger bleibt. „Man hätte es bei einer Ermahnung belassen können. Hat die Polizei nichts Wichtigeres zu tun?“, fragt ein Leser. Ein anderer hält einen kleinen Trost für den Verurteilten parat: „Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens“, zitiert er aus Schillers „Jungfrau von Orleans“.