Noch bis Oktober können Stuttgart-Bilder wie dieses unter #stgt2014 auf Facebook, Twitter und Co. hochgeladen oder per Mail geschickt werden an: stadtmuseum@stuttgart.de Foto: Stadtmuseum

#stgt2014 – unter diesem Hashtag sammelt das Stadtmuseum, was spätere Generationen über das heutige Stuttgart erfahren sollen. Knapp 1000 Bilder sind schon da. Fotografen zeigen überraschende Ansichten von ihrer Stadt.

Stuttgart - Werden die Stuttgarter, sagen wir mal, in 150 Jahren wissen, dass ihre Urgroßväter und Ururgroßmütter nicht nur den Tunnelblick hatten, wenn sie noch oben mit dem Zug in die Stadt gefahren sind? „Die Welt ist groß, besonders oben“, hatte Wilhelm Busch erkannt, ehe sich Abgründe auftaten. Oder wird im Jahr 2164 keiner mehr mit der Bahn anreisen, weil jeder mit Fluggeräten fröhlich durch die Lüfte düst? Wäre die Zukunft bekannt, müssten wir sie nicht mit Traumdrohnen erkunden. Selbst mit dem Wissen, was kommt, ließen sich Fehler der Vergangenheit kaum korrigieren. Was also werden die Menschen in 150 Jahren denken, wenn sie auf einen Bildband stoßen, den Mitarbeiter des städtischen Kulturamtes in Kürze aus etwa 1000 eingesandten Fotos der Aktion #stgt2014 zusammenstellen?

Am 4. November 2014 wird der Grundstein für das Stadtmuseum im Wilhelmspalais gelegt. Nach alter Väter und Mütter Sitte sollen der Nachwelt Dokumente gesichert werden. Schöne Grüße an die Zukunft! Nicht nur die Stuttgarter Zeitungen vom Tage werden versenkt, sondern auch viele Fotos von Stuttgartern, die man noch bis Anfang Oktober im Netz hochladen kann. Keine CD mit den Bilddaten der Fotoaktion von 2014 kommt in den Grundstein, sondern ein Band mit ausgedruckten Fotos.

Werden so was die spätere Generationen kennen? Fotos, die man in die Hand nehmen kann? Oder werden die Menschen eine Art Brille tragen, die auf Knopfdruck Bildergalerien vor dem Auge aufblättert? In 150 Jahren kann so viel Unvorstellbares passieren.

Das wird klar, wenn man ein Buch anschaut, das 150 Jahre alt ist. StN-Leser Manfred Dayss, der über Jahrzehnte ein schwäbisches Orient-Teppichhaus an der Calwer Straße führte, hat mir das Stuttgarter Adressbuch von 1867 geschickt – es ist ein Schatz, den er aus einem Antiquariat fischte. Auf den bräunlichen Seiten, die zerbrechlich wirken, breitet sich von A bis Z die Bürgerschaft einer vom König dominierten Stadt aus – vom Oberzoll-Inspektor Abegg, A., bis zum Weingärtner Zimmermann, A.. Im Verzeichnis der „Geschäfts- und Gewerbetreibenden“ gibt es (normale) Ärzte, aber auch Wundärzte und Armenärzte. Längst sind viele Berufe ausgestorben. Fast endlos ist die Liste der Pferdekutscher.

Was von dem, was heute normal ist, braucht man in 150 Jahren nicht mehr?

Die Stuttgart-Bilder von 2014, die bisher bei der Aktion des Stadtmuseums eingegangen sind, zeichnen das bunte Bild einer Stadt, deren Hanglage einzigartig ist, in der es aber auch tiefe Abstürze im Streit gibt, wie die Motive zu Stuttgart  21 zeigen. Was Markus Speidel, der #stgt2014 fürs Stadtmuseum betreut, aufgefallen ist: „Nur wenige Ansichten der bekannten Sehenswürdigkeiten sind darunter.“ Also wenig Fernsehturm, dafür umso mehr Stadtbibliothek.

Besonders schön: das Autogrammfenster in der Bar des Bahnhofshotels Intercity. Ein ehemaliger Kellner hat die Autogramme in den 1950er gesammelt, als die Prominenz mit dem Zug anreiste. Die Hotelleitung hat entschieden, dass dieses alte Fenster bleibt.

Ganz oft sehen wir Baustellen. Stuttgart des Jahres 2014 ist eine Stadt hinter Zäunen, die nicht richtig zu erkennen ist. Wann ist die Stadt wieder da, wann sind die Baustellen weg? Die Menschen werden’s wissen, wenn für sie Gegenwart ist, was für uns als Zukunft noch sehr vage erscheint. Die Welt ist groß, wenn sie bis dahin keiner versenkt.