Deutschland-Zentrale von IBM in Ehningen (Kreis Böblingen) Foto: Max Kovalenko

Stürmisches Wachstum in der Datenwolke, aber Flaute im angestammten Geschäft: Der Wandel der IT-Branche macht IBM zu schaffen. Das Unternehmen befindet sich im Umbau und streicht Arbeitsplätze.

Ehningen - Die Umwälzungen in der IT-Branche treffen viele Unternehmen – egal ob IBM, HP, Microsoft, SAP oder Oracle. „Wir sind in einem Zeitalter angekommen, wo man bestimmte Dinge nicht mehr vor Ort vorhalten muss, sondern mietet“, beschreibt Mirko Maier, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) den Wandel in der Branche. Cloud-Computing heißt das Schlagwort, was übersetzt so viel wie Datenwolke heißt und bedeutet, dass Endanwender immer weniger Hardware und Software kaufen und bei sich installieren, sondern Speicherkapazitäten und Programme über das Internet nutzen.

Dafür zahlen sie Gebühren. Doch die summieren sich erst nach einigen Jahren zu der Lizenzzahlung, die der Kunde sonst sofort zahlen würde. Bei SAP etwa schrumpfen die Lizenzeinnahmen für Software, bei IBM die Umsätze mit Hardware, denn wer Rechnerkapazitäten im Internet nutzt, braucht keinen eigenen Server. Der Wandel ist rasant, denn immer mehr Firmen nutzen solche Cloud-Lösungen. Nach Einschätzung von IBM wird der Cloud-Markt bis 2020 auf 200 Milliarden Dollar (148 Milliarden Euro) Umsatz wachsen.

Für Konzerne wie etwa IBM heißt das umsteuern, denn im traditionellen Geschäft brechen die Umsätze weg. Die Hardware-sparte büßte im vierten Quartal 2013 rund 26 Prozent Umsatz ein. Nach dem Verkauf der Server-Sparte an den chinesischen PC-Giganten Lenovo prüft IBM nun den Verkauf des Halbleiter-Geschäfts, was ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Dienstleistungskonzern wäre. Erst Anfang des Jahres hatte IBM angekündigt , in den Ausbau seines globalen Cloud-Angebots zu investieren. Hierzu sollen Cloud-Services aus weltweit 40 Rechenzentren in 15 Ländern bereitgestellt werden. Deutschland wird IBM aus seinem Rechenzentrum in Ehningen versorgen. Als Zukunftsmarkt hat IBM offenbar Afrika im Visier. Angesichts der fehlenden Infrastruktur könnte dies ein neuer Wachstumsmarkt für Cloud-Computing sein.

LBBW-Analyst Maier wirft dem Unternehmen vor, beim Ausbau des Softwaregeschäfts nicht am Ball geblieben zu sein. Man schaue zu sehr auf die Kosten. Im Umkehrschluss heißt das, dass IBM wegen kurzfristiger Gewinnziele die langfristige Zukunft aufs Spiel setzen könnte. IBM-Chefin Ginni Rometty trimmt den Konzern auf Rendite und will vor allem an den Kapitalmärkten punkten. Ihr Ziel: das EPS (Earnings per share), den Gewinn pro Aktie, zu steigern. Im Jahr 2015 soll der auf 20 Dollar (knapp 15 Euro) steigen, 2013 lag er bei knapp 15 Dollar. „Diesem Ziel wird alles untergeordnet“,. kritisiert Bert Stach von der Gewerkschaft Verdi. Er spricht von einem „Kulturbruch“, den es in den letzten Jahren bei IBM gegeben habe. „Für die früheren IBM-Manager waren die Mitarbeiter das kostbarste Gut, für die jetzigen IBM-Manager ist das EPS-Ziel das wichtigste Ziel“, sagt er. Befürchtungen, dass bei dem einstigen Spitzenreiter bei Patentanmeldungen Innovationen auf der Strecke bleiben, gibt es nicht nur bei der Gewerkschaft, sondern auch bei Mitarbeitern.

Bei denen geht die Angst um, seit ein neues Abfindungsprogramm aufgelegt wurde. Es läuft bis Ende März. Bei einer Betriebsversammlung am Mittwoch in Ehningen wurde der Abbau von 400 Stellen in Deutschland bestätigt, wie aus Mitarbeiterkreisen zu hören ist – keine Kündigungen, sondern freiwilliges Ausscheiden. IBM selbst nimmt zu Personalspekulationen keine Stellung.

Angesichts der Agenda 2015 – des Gewinnziels pro Aktie von 20 Dollar – sind viele Beschäftige verunsichert und befürchten einen weiteren Stellenabbau, berichten Insider. Stellen, die hierzulande gestrichen werden, sollen teils im Ausland aufgebaut, Teilbereiche ins Ausland verlagert werden.

Nicht nur in Deutschland werden Jobs abgebaut, sondern weltweit. Erst im Januar hatte das US-Management von IBM einen konzernweiten Stellenabbau fürs erste Quartal 2014 angedeutet und dafür eine Milliarde Dollar (740 Millionen Euro) eingeplant. Schätzungen zufolge dürften damit 2014 weltweit 10 000 bis 15 000 Stellen wegfallen. Gleichzeitig verspricht IBM seinen Aktionären mehr Geld. Obwohl der Umsatz gesunken ist, ist der Gewinn pro Aktie gestiegen – nicht etwa weil das operative Geschäft so gut läuft, sondern vor allem weil IBM Milliarden für den Rückkauf eigener Aktien ausgibt. Damit verringert sich die Zahl der Aktien, und der Gewinn je Aktie steigt – eine Art Griff in die Trickkiste.

Statt für solche Aktienrückkaufprogramme könnte der Konzern das Geld auch für Zukäufe in die Hand nehmen. Er könnte sich im Silicon Valley, dem Talentpool, umschauen, um den Bereich Cloud-Computing schneller auf eine breitere Basis zu stellen, sagt Maier. Der Umsatz im Bereich Cloud- Computing ist bei IBM zwar um fast 70 Prozent auf 4,4 Milliarden Dollar gestiegen – etwa doppelt so schnell wie der Gesamtmarkt Das reicht aber nicht, um wegbrechendes traditionelles Geschäft zu kompensieren.